Liberation Tigers of Tamil Eelam, Urteil vom 8. November 2019 (6B_383/2019, 6B_394/2019) des Bundesgerichts: Beschwerde der Bundesanwaltschaft weitgehend abgewiesen

Das Bundesgericht bestätigt im Urteil vom 8. November 2019 (6B_383/2019, 6B_394/2019) den Freispruch von 12 Personen vom Vorwurf der Unterstützung und/oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten für die tamilische Organisation „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE). Es weist die Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts in den Hauptpunkten ab.

Die Bundesanwaltschaft (BA) hatte 2016 13 Personen angeklagt. 12 von ihnen wurde Unterstützung und/oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vorgeworfen, indem sie die mutmasslich als Terrororganisation zu betrachtende LTTE in den Jahren 1999 bis 2009 von der Schweiz aus finanziell unterstützt hätten. Weitere Anklagepunkte betrafen Betrug, Urkundenfälschung, Geldwäscherei und Erpressung. Gemäss BA sei die LTTE zur Tatzeit über ihren Schweizer Ableger „World Tamil Coordinating Committee“ (WTCC) aufgetreten. Die führenden Köpfe der LTTE in der Schweiz hätten eine Methode zur systematischen und raschen Geldbeschaffung innerhalb der tamilischen Diaspora-Gemeinde in der Schweiz entwickelt und umgesetzt. Mit Hilfe von Kurieren und Krediten aus der Diaspora-Gemeinde seien namhafte Geldbeträge beschafft worden. Das Bundesstrafgericht sprach 2018 alle Beschuldigten vom Vorwurf der Unterstützung und/oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation frei. Bei fünf Angeklagten erkannte es auf gewerbsmässigen Betrug, bei zwei von ihnen zusätzlich auf Urkundenfälschung. Es verurteilte sie zu bedingten Freiheitsstrafen zwischen 11 und 24 Monaten. Die BA gelangte ans Bundesgericht und forderte Verurteilungen wegen Unterstützung und/oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und weiterer Delikte.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der BA in einem Punkt gut und weist sie im übrigen ab. Das Bundesstrafgericht wird bezüglich einer freigesprochenen Person prüfen müssen, ob sie sich der Urkundenfälschung schuldig gemacht hat. Die Freisprüche vom Vorwurf der Unterstützung und/oder der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation (Artikel 260ter des Strafgesetzbuches, StGB) sind nicht zu beanstanden. Gemäss dem Legalitätsprinzip muss ein Straftatbestand so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach richten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann. Artikel 260ter StGB wurde ursprünglich zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität mafiösen Charakters konzipiert und später auch auf terroristische Organisationen angewendet. Nicht angelegt wurde die Norm im Hinblick auf Organisationen, die am Rande zwar terroristische Akte begehen, sonst aber überwiegend andere Ziele verfolgen. Abgesehen von Gruppierungen, die das Bundesgericht bereits als terroristisch qualifiziert hat (u.a. „Al-Qaida“ und „Islamischer Staat“), ist nur schwer absehbar, ob eine Organisation, die terroristische Akte begangen hat, als kriminelle Organisation im Sinne von Artikel 260ter StGB einzustufen ist. Was die LTTE betrifft, ist diese entgegen der Ansicht der Vorinstanz zwar auch Urheberin terroristischer Angriffe gewesen. Zu ihren überwiegenden Zielen gehörte dies allerdings nicht; dazu zählten vielmehr die Führung eines konventionellen bewaffneten Kampfes, die quasi-staatliche Verwaltung eines Gebiets und die Anerkennung der Unabhängigkeit ihrer ethnischen Gemeinschaft. Angesichts des Umfangs und der Vielfältigkeit der nicht-kriminellen Aktivitäten der LTTE kann schwerlich gesagt werden, dass eine Person, die zu ihren Gunsten Geld gesammelt hat, davon ausging, ihr Verhalten diene direkt einem kriminellen Ziel. Stellungnahmen verschiedener Bundesbehörden aus dem fraglichen Zeitraum zeigen zudem, dass die LTTE nicht als kriminelle Organisation betrachtet wurde. Insgesamt war es für die Beschuldigten somit nicht vorhersehbar, dass ihre Tätigkeiten zu Gunsten der WTCC resp. der LTTE gegen Artikel 260ter StGB verstossen könnten. Eine entsprechende Verurteilung würde das Legalitätsprinzip verletzen. Gutgeheissen hat das Bundesgericht die Beschwerde eines Betroffenen. Das Bundesstrafgericht wird seine Verurteilung wegen Betrugs neu prüfen müssen.

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