Wichtiges Urteil des Obergerichts Zürich betreffend Covid-Betrug

Mit Urteil vom 10. Februar 2022 (Geschäfts-Nr. SB210497) verurteilt das Obergericht Zürich, I. Strafkammer, einen Beschuldigten wegen Betrugs und Urkundenfälschung im Zusammenhang mit einem «Covid-19-Kredit» zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, das Formular «Covid-19-Kredit» absichtlich inhaltlich falsch ausgefüllt und unterzeichnet zu haben, um so für seine Firma einen zinsfreien Kredit mit Bundesdeckung erhältlich zu machen. Das Obergericht Zürich bejahte sowohl das Vorliegen der Arglist beim Betrugstatbestand als auch die Urkundeneigenschaft des Kreditantrags. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.

Dieses Formular habe der Beschuldigte der Bank eingereicht, welche ihm gestützt darauf einen Kredit von Fr. 80’000.– ausbezahlt habe. Nach der Berufungsverhandlung vom 10. Februar 2022 fällte die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich gleichentags das Urteil. Der Beschuldigte wurde des Betrugs sowie der Urkundenfälschung schuldig gesprochen. Er wurde betraft mit 10 Monaten Freiheitsstrafe, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe aufgeschoben wird, bei einer Probezeit von 2 Jahren. Das Urteil wurde im Dispositiv schriftlich eröffnet; die ausführliche schriftliche Begründung wird später schriftlich zugestellt.

Sachverhalt

Dem Urteil liegen im Wesentlichen, wie das Obergericht mitteilt, folgende Erwägungen zugrunde:

Der Sacherhalt, wie er dem Beschuldigten in der Anklage vorgeworfen wird, ist weitestgehend – aufgrund der Akten sowie des Geständnisses des Beschuldigten – erstellt. Einzig bestritten wird, dass der Beschuldigte die Tatsache, dass das Personal der Bank und der Bürgschaftsorganisation die Überprüfung der falschen Angaben und der vertragskonformen Verwendung unterlassen würden, vorausgesehen habe. Darauf ist im Rahmen der rechtlichen Würdigung bei der Arglistprüfung einzugehen.

Es ist zu betonen, dass sich die Schweiz im relevanten Zeitpunkt in einer Ausnahmesituation befand. Angesichts der sich ausbreitenden Pandemie hat der Bund schnell reagieren müssen und einschneidende Massnahmen ergriffen, ja einen sogenannten „Lock-down“ verfügt, der zahlreiche wirtschaftliche Existenzen gefährdete. Diese wirtschaftliche Katastrophe wollte man abwenden und zahlreiche insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen vor dem Konkurs retten. Dabei war noch völlig ungewiss, wie sich die Pandemie und die damit einhergehenden staatlichen Massnahmen entwickeln würden. Entsprechend erfolgte die Vergabe der Covid-19- Kredite gestützt auf die Selbstdeklaration des gesuchstellenden Unternehmens weitestgehend ohne Prüfung der Voraussetzungen oder der Verwendungsabsicht. Es sollte eine schnelle und unbürokratische Hilfe in einer absoluten Notsituation geschaffen werden, welche lediglich kurzfristig eine standardisierte Kreditvergabe erlaubte. Dies war nur durch Entgegenbringung eines besonderen Vertrauens gegenüber den Kreditnehmern möglich. Demzufolge war auch allen klar bzw. musste allen unabhängig von der tatsächlichen Kenntnis der Verordnungsbestimmungen oder dem Wissen über die Anzahl eingehender Kreditanträge klar sein, dass die Angaben auf den Antragsformularen so gut wie nicht überprüft würden. Damit, dass bei einer Grossbank wie im vorliegenden Fall eine sehr grosse Anzahl an Kreditanträgen eingehen würden, war ohne weiteres zu rechnen. Hätte es sich nur um Einzelschicksale gehandelt, hätte es keiner Sonderlösung durch den Bund bedurft. Zudem wurde die Tatsache, dass die betreffenden Notkredite als zu erwartende Massengeschäfte einer Überprüfung der Angaben der antragstellenden Personen kaum bzw. höchstens allenfalls sehr oberflächlich zugänglich sein würden, bereits im Vorfeld des Erlasses der genannten Verordnung durch den Bundesrat eingehend in den Medien thematisiert.

Der Beschuldigte musste unter diesen besonderen Umständen damit rechnen, dass die Mitarbeitenden der UBS seinen Kreditantrag keiner näheren Prüfung unterziehen würden. Die im Hinblick auf die Höhe des angegebenen Umsatzes offensichtlich falsche Angabe im Antragsformular gegenüber seiner Hausbank macht denn auch nur dann einen Sinn, wenn er tatsächlich damit rechnete, dass die Grossbank die finanziellen Verhältnisse der GmbH des Beschuldigten nicht überprüfen werde.

Bejahung des Vorliegens der Arglist beim Tatbestand des Betruges

Das Verhalten des Beschuldigten ist mithin gemäss dem Obergericht Zürich als arglistig zu qualifizieren. Von einer Opfermitverantwortung der Bank kann sodann in dieser dargelegten gesamtgesellschaftlichen Notsituation unter Berücksichtigung des entgegengebrachten besonderen Vertrauens gegenüber den Bürgern und Unternehmen nicht die Rede sein. Eine Überprüfung der Angaben in den Kreditanträgen hätte gewisse Nachforschungen notwendig gemacht und wäre nicht ohne wesentlichen Aufwand möglich gewesen, was einen langwierigen Prozess nach sich gezogen hätte. Damit wäre das Ziel einer schnellen und unbürokratischen Soforthilfe nicht erreichbar gewesen.

Kreditantrag als Urkunde beim Tatbestand der Urkundenfälschung

In Bezug auf den Vorwurf der Urkundenfälschung ist sodann festzuhalten, dass dem Kreditantrag bei COVID-19-Solidarbürgschaftskrediten entgegen der Ansicht der Verteidigung eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt, da der Antrag mit dessen Annahme durch die Kreditgeberin zum Kreditvertrag wird.

Der Adressat der Erklärung, die Bank bzw. deren Mitarbeitende, durfte – und musste angesichts der vorstehend geschilderten speziellen Natur der Covid-Kredite – sich daher auf den beurkundeten Inhalt der Urkunde verlassen. Die Urkundenqualität ist damit zu bejahen.

Bestätigung des erstinstanzlichen Schuldspruchs wegen Betrugs und Urkundenfälschung

Entsprechend ist durch das Obergericht des Kantons Zürich im Urteil vom 10. Februar 2022 (Geschäfts-Nr. SB210497) der vorinstanzliche Schuldspruch wegen Betrugs sowie Urkundenfälschung zu bestätigen.

Strafe und Strafreduktion wegen Nachtatverhaltens

Die Strafe ist aufgrund des weitest gehenden Geständnisses des Beschuldigten von Beginn an und des positiven Nachtatverhaltens – er hat inzwischen mit der geschädigten Bürgschaftsgenossenschaft eine Abzahlungsvereinbarung geschlossen und hat bereits erste Ratenzahlungen geleistet – auf 10 Monate Freiheitsstrafe zu senken.

Die Strafe ist bedingt unter Ansetzung einer Probezeit von 2 Jahren auszufällen. Für eine Verbindungsbusse besteht sodann kein Anlass, zumal es sich um keinen Fall der sogenannten Schnittstellenproblematik handelt.

Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Er kann innert 30 Tagen von der Zustellung der vollständigen, begründeten Ausfertigung an mit bundesrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden.

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