Videobeweis des Briefeinwurfs zur Fristwahrung zulässig

Im Urteil 6B_1247/2020 vom 7. Oktober 2021 erklärte das Bundesgericht den Videobeweis für den Nachweis einer Fristwahrung als zulässig Eine Videoaufnahme kann grundsätzlich als Beweis dafür dienen, dass eine gerichtliche Eingabe fristgerecht in einen Briefkasten der Schweizerischen Post eingeworfen wurde. Videoaufnahmen sind zwar leicht zu manipulieren. Für einen Anwalt wäre es allerdings, wie das Bundesgericht erklärt, ein schwerer Verstoss gegen die Berufspflichten, wenn er ein Beweismittel fälschen würde, um die Rechtzeitigkeit seiner Eingabe zu belegen.

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gegen einen Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons Wallis gut.

Sachverhalt

Ein Mann hatte 2020 gegen die Einstellung eines Strafverfahrens beim Kantonsgericht Wallis Beschwerde erhoben. Sein Anwalt warf die Eingabe am letzten Tag der zehntägigen Frist abends um 22:05 Uhr in einen Briefkasten der Schweizerischen Post ein. In der Eingabe selber informierte er das Gericht darüber, dass der Poststempel auf dem eingeworfenen Umschlag das Datum des Folgetages tragen könnte und er deshalb eine Videoaufnahme zum Beweis der fristgerechten Einreichung der Beschwerde nachreichen werde. Am nächsten Tag ging beim Kantonsgericht ein USB-Stick mit einer Videoaufnahme ein. Das Kantonsgericht trat auf die Beschwerde, die den Poststempel des Folgetages trug, wegen Fristversäumnis nicht ein, da die Videoaufnahme keinen wirksamen Beweis für die fristgerechte Einreichung darstelle. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Betroffenen gut.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1247/2020 vom 7. Oktober 2021

Gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) gilt eine Frist unter anderem dann als gewahrt, wenn die Eingabe spätestens am letzten Tag der Frist (bis Mitternacht) der Schweizerischen Post übergeben wird (Artikel 91 StPO). Dabei wird davon ausgegangen, dass das Einreichungsdatum demjenigen des Poststempels entspricht. Diese Vermutung kann jedoch umgestossen werden.

Vom Absender darf dabei allerdings erwartet werden, dass er den Beweis für die rechtzeitige Abgabe noch vor Ablauf der Frist erbringt, respektive in der Eingabe selber auf ein entsprechendes Beweismittel hinweist. Letzteres hat der Anwalt des Betroffenen im konkreten Fall auch getan. Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts kann die Videoaufnahme sodann als Beweismittel für die rechtzeitige Übergabe an die Post dienen. Dem Kantonsgericht ist zwar beizupflichten, dass audiovisuelle Aufnahmen relativ leicht zu manipulieren sind. Für einen Anwalt wäre es allerdings ein schwerer Verstoss gegen die Berufspflichten, wenn er ein Beweismittel fälschen würde, um die Rechtzeitigkeit seiner Eingabe zu belegen. Sofern keine Hinweise auf eine Fälschung bestehen, sind Zweifel an der Echtheit einer Aufnahme deshalb nicht gerechtfertigt.

Selbstverständlich muss die Videoaufnahme alle Elemente enthalten, die zum Beweis erforderlich sind, namentlich also das Datum und die Zeit der Deponierung der Eingabe und die Identifikation des Umschlags mit der Beschwerde.

Das Walliser Kantonsgericht wird nun prüfen müssen, ob das Video den Beweis für die rechtzeitige Abgabe erbringt. Zu beachten ist schliesslich, dass die Sichtung eines Beweisvideos zusätzlichen Aufwand verursachen kann und die entsprechenden Kosten vom Gericht dem Absender, also zum Beispiel dem verantwortlichen Anwalt, auferlegt werden können.

Hier die Schlüsselpassage des Urteils 6B_1247/2020 vom 7. Oktober 2021 des Bundesgerichts: «Comme le Tribunal fédéral l’a déjà indiqué, l’administration de preuves fournies en temps utile, qui serait rendue nécessaire pour déterminer si un acte de procédure a bien été déposé à la date alléguée par une partie – soit en particulier afin de renverser la présomption découlant du sceau postal figurant sur un pli -, notamment l’audition de témoins ayant assisté à son dépôt dans une boîte postale ou le visionnage d’un film censé immortaliser ledit dépôt, est propre à engendrer des frais judiciaires supplémentaires. En ce qui concerne le recours au Tribunal fédéral, de tels frais devraient en principe être considérés comme des frais causés inutilement (cf. art. 66 al. 3 LTF) et, comme tels, être mis à la charge de celui les ayant engendrés, par exemple de l’avocat ayant procédé de manière à fonder une présomption de tardiveté du recours (arrêt 6B_157/2020 précité consid. 2.5).» (E.4).

Kommentar zum Urteils des Bundesgerichts 6B_1247/2020 vom 7. Oktober 2021

Das Urteils des Bundesgerichts 6B_1247/2020 vom 7. Oktober 2021 ist, gerade in den Zeiten von immer kürzeren Öffnungszeiten von Poststellen und der noch nicht etablierten digitalen Justiz von wesentlicher Bedeutung. Die Fristwahrung kann also grundsätzlich per Videoaufnahme des Briefeinwurfs erbracht werden. Es spricht aber nichts dagegen, allenfalls auch noch Zeugen des Briefeinwurfs dabei zu haben und mit deren Einwilligung auch zu filmen.

Die Schlussfolgerungen dieses strafrechtlichen Urteils dürften auch auf andere Rechtsgebiete, namentlich das Zivilrecht übertragbar sein.

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