Überbrückungsleistungen: keine Anrechnung der in einem EU-Mitgliedstaat geleisteten Beitragszeiten für die Mindestversicherungsdauer

Bei der Berechnung der Mindestversicherungsdauer für die Ausrichtung von Überbrückungsleistungen wird die in einem EU-Mitgliedstaat geleistete Beitragszeit nicht angerechnet, weil es keine Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Sinne des europäischen Koordinationsrechts sind. Das Bundesgericht bestätigt im Urteil 8C_670/2022 vom 25. Mai 2023 den Entscheid des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, der die im Ausland geleistete Beitragszeit nicht berücksichtigt und weist die von der betroffenen Person dagegen erhobene Beschwerde ab.

Ein 1959 geborener und seit Januar 2008 in der Schweiz wohnhafter deutscher Staats – angehöriger meldete sich per 1. Juli 2021 von der Arbeitsvermittlung beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum Appenzell Ausserrhoden ab. Er beantragte bei der Ausgleichskasse Appenzell Ausserrhoden auf diesen Zeitpunkt hin die Ausrichtung von Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose. Die Ausgleichskasse verneinte einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen, weil die Mindestversicherungsdauer von 20 Jahren in der Schweiz nicht erreicht sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht Appenzell Ausserrhoden im Oktober 2022 ab, worauf der Betroffene eine Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht hat. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Streitig ist die Frage, ob die im Ausland geleisteten Beitragszeiten für die Berechnung der Mindestversicherungsdauer anzurechnen sind oder nicht.

Die in einem EU-Mitgliedstaat geleisteten Beitragszeiten sind nicht anzurechnen, sofern die Überbrückungsleistungen als Vorruhestandsleistungen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1; VO Nr. 883/2004) qualifiziert werden können. Werden hingegen Überbrückungsleistungen als Leistungen bei Arbeitslosigkeit betrachtet, muss angerechnet werden. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass Überbrückungsleistungen keine Leistungen bei Arbeitslosigkeit sind. Überbrückungsleistungen sind Leistungen mit Fürsorgecharakter, die ihre Verfassungsgrundlage in Artikel 114 Absatz 5 der Bundesverfassung (Arbeitslosenfürsorge) haben. Sie decken den Zeitraum bis zum Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters ab und reduzieren das Armutsrisiko vor dem Rentenalter. Erfasst sind somit jene Fälle, in denen die Arbeitsförderung nicht mehr und die Rentenversicherung aufgrund des Alters noch nicht greift.

Mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (ÜLG) hat der Gesetzgeber überdies bewusst davon abgesehen, die Problematik im System der Arbeitslosenversicherung zu regeln. Wesentliche Unterschiede zur Arbeitslosenversicherung bestehen schliesslich hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, der Berechnungsgrundlagen und der Finanzierung der Überbrückungsleistungen. Bei gesamthafter Betrachtung und auch unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH bestehen somit mehrere bedeutsame Unterschiede, die es erlauben, Überbrückungsleistungen als Vorruhestandsleistungen gemäss VO Nr. 883/2004 zu qualifizieren. Die im Ausland geleisteten Beitragszeiten sind folglich für die Berechnung der Mindestversicherungsdauer nicht anzurechnen. Somit verletzt das angefochtene Urteil kein Völkerrecht und die Beschwerde ist abzuweisen

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