RTS-Beitrag über Hass im Abstimmungskampf zum Covid-Gesetz: Gebot der Meinungsvielfalt verletzt

Radio Télévision Suisse (RTS) hat mit einem Beitrag zu Hass im Abstimmungskampf zum Covid-Gesetz das Gebot der Meinungsvielfalt verletzt. Das Bundesgericht weist im Urteil 2C_859/2022 vom 20. September 2023 die Beschwerde der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) gegen einen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) ab. Das schriftlich begründete Urteil steht noch aus (Update von Artikel erfolgt bei Vorliegen des schriftlich begründeten Urteils).

RTS hatte am 14. November 2021 im Rahmen der Sendung „Mise au Point“ den Beitrag „La haine avant la votation sur la loi Covid“ („Der Hass vor der Abstimmung über das Covid-Gesetz“) ausgestrahlt. Die Abstimmung über das Covid-Gesetz fand zwei Wochen danach statt. In dem rund 14-minütigen Beitrag ging es um das verhärtete politische Klima in der Schweiz rund um die Abstimmung. Namentlich war die Rede von Hassbotschaften gegen Politiker und Regierungsräte im Zusammenhang mit den Coronamassnahmen.

Die UBI hiess 2022 eine Beschwerde gegen den Beitrag gut. Sie kam zum Schluss, dass das Gebot der Meinungsvielfalt verletzt worden sei, dem im Vorfeld von Abstimmungen erhöhtes Gewicht zukomme. Im Beitrag seien praktisch ausschliesslich Personen zu Wort gekommen, welche die Coronamassnahmen befürwortet hätten. Damit sei ein einseitiges Bild derjenigen Kreise entstanden, die für die Verhärtung des politischen Klimas verantwortlich seien.

Das Bundesgericht weist im Urteil 2C_859/2022 an seiner öffentlichen Beratung vom 20. September 2023 die dagegen erhobene Beschwerde der SRG ab. Das Gebot der Meinungsvielfalt gemäss Artikel 4 des Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen (RTVG) richtet sich gegen eine einseitige Beeinflussung des Publikums; in Bezug auf Abstimmungen soll verhindert werden, dass auf die Stimmbevölkerung einseitig eingewirkt und das Ergebnis der Abstimmung damit verfälscht wird. Dem Gebot der Vielfalt ist im Vorfeld von Abstimmungen umso stärker Rechnung zu tragen, je mehr sich ein Beitrag der Problematik widmet, über die abgestimmt wird. Die Pflicht zur vorsichtigen und ausgewogenen Darstellung von Sachverhalten vor Wahlen und Abstimmungen ist ein zentraler Grundsatz zum Funktionieren der direkten Demokratie. Die UBI ist bei ihrem Entscheid zu Recht davon ausgegangen, dass der Beitrag in einem Kontext zur Abstimmung stand. Dies ergibt sich bereits aufgrund des Titels der Sendung und des Zeitpunkts seiner Ausstrahlung unmittelbar vor der Abstimmung. Massgeblich ist in Bezug auf die Ausgewogenheit insbesondere die Wirkung der Sendung. Die Sendung lässt Gegner des Covid-Gesetzes kaum zu Wort kommen und vermittelt zu stark den Eindruck, Gegner des Covid-Gesetzes seien vorwiegend roh und gewalttätig. Es kommt nur ungenügend zum Ausdruck, dass sich die Gegnerschaft des Covid-Gesetzes keineswegs auf Verschwörungstheoretiker und Gewaltbereite reduzieren lässt. In der Reportage wird sodann mehrmals direkt auf die Abstimmung Bezug genommen. Es bestand damit eine Verletzung des Vielfaltgebots wegen ungenügend ausgewogener Darstellung kurz vor Abstimmungen und der Entscheid der UBI erweist sich als bundesrechtskonform.

Das schriftlich begründete Urteil liegt noch nicht vor, ein Update wird dann folgen.

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