Modernisierung der gesamtschweizerischen Standesregeln (SSR)

Eine neue Art, Anwaltskanzleien zu organisieren, Digitalisierung, bundesgerichtliche Auslegungen des Berufes: Die rund 12’000 Anwältinnen und Anwälte sahen sich zuletzt mit relevantem gesellschaftlichem Wandel konfrontiert. Der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) hat deshalb, gültig ab dem 1. Juli 2023, seine gesamtschweizerischen Standesregeln (SSR) modernisiert.

Die neuformulierten berufsrechtlichen und berufsethischen Vorgaben entsprechen laut Georg Rauber, dem Vorsitzenden des gestaltenden Expertengremiums, «gewissermassen einem Kochbuch für gute Mandatsführung.» Ebenso wichtig ist ihm aber auch ein Rollenversprechen gegenüber der Öffentlichkeit: «Wir sind Garanten des Rechtsstaates und dienen Rechtsuchenden in uneingeschränkter Unabhängigkeit.»

In einer immer komplexeren Welt Ordnung schaffen

Im Kochbuch für gute Mandatsführung werden Fundmentalprinzipien der Berufsausübung verbindlich konkretisiert. Dazu gehört die Unabhängigkeit der Anwältinnen und Anwälten, die einzig dem Klienten dienende Wahrung des Berufsgeheimnisses sowie die Vermeidung von Interessenskonflikten. Weitere Versprechen, an denen sich die Branche zu halten hat, sind Bemühungen zur gütlichen Einigung von Streitigkeiten, die Sorgfalt bei der Überprüfung der Identität der Klientschaft sowie «jedes Mandat sorgfältig, gewissenhaft und speditiv» zu bearbeiten. Georg Rauber erklärt die Haltung hinter diesen Verhaltensvorschriften so: «In einer immer komplexeren Welt wollen wir Ordnung schaffen und allen Menschen helfen, zu ihrem Recht zu kommen.»

Auch bedürftigen Rechtsuchenden muss geholfen werden

Die Stärkung des Vertrauens in die Anwaltschaft ist mit ein Ziel der neu erarbeiteten Selbstregulierung. So liest man in den Standesregeln Sätze wie «Anwältinnen und Anwälte bilden sich fortlaufend weiter und stellen sicher, dass sie für die Mandatsführung über angemessene Kenntnisse verfügen». Auch das Versprechen, einzeln und als Branche Garant des Rechtsstaates sein zu wollen, wird nicht nur postuliert, sondern substantiiert. So will man selbstverständlich dafür sorgen, dass bedürftigen Rechtssuchenden unentgeltliche Prozessführung gewährt wird. Auch wichtig ist dem Anwaltsverband, dass seine Mitglieder weder Zeugen noch Sachverständige beeinflussen und in jedem Streitfall gegenüber Behörden und Gerichten mit «Anstand und Respekt» auftreten.

Trotz unterschiedlichem Verständnis über den Beruf ein Konsens

Es war eine siebenköpfige Gruppe, die in fast dreijähriger Arbeit die Revision des zuletzt im Jahre 2005 erlassenen gesamtschweizerischen Standesrechts vorantrieb. Zu bearbeiten hatten sie den gesellschaftlichen Wandel, von der Integration neuer digitaler Kanäle in den Arbeitsalltag bis hin zum Auslagern von Hilfsleistungen. Georg Rauber als Vorsitzender dieser Gruppe ist Partner in einer renommierten Wirtschaftskanzlei. Dort beobachtet und gestaltet er einen wesentlichen Wandel in der Branche. «Die Art, wie sich Kanzleien organisieren, hat sich massiv verändert.» Eine Zahl belegt es: Heute ist jede dritte Anwältin oder jeder dritte Anwalt im beratenden Wirtschaftsrecht tätig, häufig in Kanzleien, die sich als AG oder GmbH organisiert haben. René Rall, Generalsekretär des Schweizerischen Anwaltsverbandes und selbst gestaltendes Mitglied des Expertengremiums blickt sehr zufrieden zurück auf die Arbeit der Gruppe: «Es waren Vertreter mit unterschiedlichem Verständnis über den Anwaltsberuf und der Bedeutung und Kultur des Anwaltsstandes. Die Diskussionen waren oftmals hart, aber immer respektvoll, zukunftsgerichtet und bereichernd – und am Schluss fanden wir immer zu einem Konsens.»

Die neue SSR ist von allen kantonalen Anwaltsverbänden mitgetragen und wurde von der Delegiertenversammlung des SAV (praktisch einstimmig) genehmigt. Ihr Geltungsbereich beschlägt nicht nur den klassischen Monopolbereich (Prozessführung), sondern alle Arten der modernen anwaltschaftlichen Tätigkeit, explizit auch die rein beratende Tätigkeit.

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