Das Schweizer Epidemiengesetz (EpG) und dessen Anwendung auf den Coronavirus (Covid-19) – Einstufung als besondere Lage

Das Coronavirus Covid-19 hat die Schweiz erreicht. Die Fälle steigen täglich an und erfassen das ganze Landesgebiet. Das Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG) vom 28. September 2012 erhält nun plötzlich, rund 9 Jahre nach seinem Inkrafttreten, eine grosse Bedeutung. Hier erhalten Sie einen ersten Überblick über das Epidemiengesetz mit Fokus Coronavirus. Gemäss dem Epidemiegesetz stellt das Coronavirus eine sog. Besondere Lage dar, was heute auch vom Bundesrat bestätigt wurde.

Rechtsgrundlagen
Das Epidemiengesetz (EpG) basiert auf Art. 40 Abs. 2, Art. 118 Abs. 2b sowie Art. 120 Abs. 2 der Bundesverfassung BV. Es wurde vom Bundesrat durch die VO über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemienverordnung, EpV) sowie die VO über mikrobiologische Laboratorien ergänzt. Dazu existiert eine EDI-VO über die meldepflichtigen Beobachtungen übertragbarer Krankheiten des Menschen.

Gegenstand und Zweck sowie Coranvirus (Covid-19)
Der Gegenstand des Gesetzes ist der Schutz des Menschen vor übertragbaren Krankheiten und die Regelung der dazugehörigen Massnahmen (Art. 1 EpG). Der Zweck des Gesetzes ist den Ausbruch und die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen (Art. 2 EpG).

Als übertragbare Krankheit gilt eine Krankheit, die durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte auf den Menschen übertragbar ist (Art. 3 lit. a EpG). Als Krankheitserreger gelten u.a. Viren (Art. 3 lit. c EpG). Der Coronavirus (Covid-19) gehört klarerweise dazu.

Arbeitsteilung von Bund und Kantonen sowie nationale Programme
Das Epidemiengesetz sieht die Arbeitsteilung von Bund und Kantonen als Grundprinzip vor (Art. 4 EpG).

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erarbeitet unter Einbezug der Kantone themenspezifische nationale Programme zur Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheite (Art. 5 EpG).

Besondere Lage
Eine besondere Lage im Sinne des EpG (Art. 6 EpG) liegt vor, wenn die ordentlichen Vollzugsorgane nicht in der Lage sind, den Ausbruch und die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen und eine der folgenden Gefahren besteht (lit. a): eine erhöhte Ansteckungs- und Ausbreitungsgefahr, eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit, schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft und andere Lebensbereiche. Sie liegt auch vor, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt hat, dass eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite besteht und durch diese in der Schweiz eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht (lit. b).

Diese Situation ist beim Coronavirus nun vorhanden. Gemäss BAG liegt eine besondere Lage bei einer moderaten Influenzaepidemie, H1N1 und SARS vor.

Anordnung von Massnahmen
Der Bundesrat kann nach Anhörung der Kantone folgende Massnahmen anordnen (Art. 6 Abs. 2 EpG):
– Massnahmen gegenüber einzelnen Personen;
– Massnahmen gegenüber der Bevölkerung;
– Medizinalpersonen verpflichten bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten mitzuwirken;
– Impfungen anordnen.
Diese Massnahmen werden vom Departement des Innern (EDI) koordinieren. Solange es keine Impfung gegen den Coronavirus gibt, stellt sich dieses Thema nicht. Es laufen aber intensive Bestrebungen auf der ganzen Welt, einen Impfstoff zu finden. Die Massnahmen gegenüber einzelnen Personen, wozu auch die Quarantäne gehört, sind aber zentral bei der Bekämpfung vom Coronavirus.

Ausserordentliche Lage
Bei einer ausserordentlichen Lage kann der Bundesrat für das ganze Land oder für einzelne Landesteile die notwenigen Massnahmen anordnen (Art. 7 EpG).

Gemäss BAG liegt eine ausserordentliche Lage bei einer Worst-Case-Pandemie vor, etwa bei einer Spanischen Grippe.

Erkennung und Meldepflichten
Das BAG betreibt Systeme zur Früherkennung. Medizinalpersonen und Gesundheitseinrichtungen unterstehen Meldepflichten (Art. 12 EpG). Derzeit werden Verdachtsfälle vom Coronavirus überprüft.

Verhütungsmassnahmen
Die Verhütungsmassnahmen sind ein zentraler Punkt und in Art. 19 EpG geregelt. Sie dürften beim Coronavirus auch bald zur Anwendung kommen. Bund und Kantone treffen Massnahmen zur Kontrolle, Verminderung und Beseitigung von Risiken.

Der Bundesrat kann u.a. folgende Massnahmen treffen:
– Betrieb und Veranstalter, die das Risiko der Krankheitsübertragung erhöhen, verpflichten, Präventions- und Informationsmaterial bereitzustellen und bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten;
– Institutionen des Bildungs- und Gesundheitswesens verpflichten, Informationen über die Gefahren übertragbarer Krankheiten und Beratungen zu deren Verhütung und Bekämpfung anzubieten;
– Instutionen, ob öffentlich oder privat, die besondere Pflicht zum Schutz der Gesundheit von Menschen haben, die ihrer Obhut sind, zur Durchführung geeigneter Verhütungsmassnahmen verpflichten.

Beim Coronavirus könnte diese Bestimmung vom Epidemiengesetz eine grosse Bedeutung erlangen.

Massnahmen gegenüber einzelnen Personen
Aufgrund des Epidemiengesetzes können, was auch beim Coronavirus eine grosse Rolle spielt, Massnahmen gegenüber einzelnen Personen verordnet werden (Art. 30 ff. EpG). Dazu gehören auch die Quarantäne und Absonderung. Diese Massnahmen stehen unter dem Grundsatz des Subsidiaritätsprinzips, d.h. es dürfen keine weniger einschneidenden Massnahmen möglich sein und die Massnahme muss dazu dienen, eine ernsthafte Gefahr für die Gesundheit Dritter abzuwenden. Schliesslich muss die Massnahme erforderlich und zumutbar sein (Art. 30 EpG).
Zuständig für die Massnahmen sind die zuständigen kantonalen Behörden.
Diese Massnahmen sind:
– Identifizierung und Benachrichtigung von Personen;
– Medizinische Überwachung;
– Quarantäne und Absonderung;
– Untersuchung durch Arzt;
– Behandlung durch Arzt;
– Einschränkung bestimmter Tätigkeiten und der Berufsausübung.

Massnahmen gegenüber der Bevölkerung und einzelnen Personengruppen
Die zuständigen kantonalen Behörden können Massnahmen anordnen, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhindern. Sie können insbesondere (Aufzählung nicht abschliessend) folgende Massnahmen treffen (Art. 40 EpG):
– Veranstaltungen verbieten oder einschränken, dazu gehören auch Messen und Kongresse;
– Schulen und andere Institutionen und private Unternehmen schliessen oder Vorschriften zum Betrieb zu verfügen;
– Das Betreten und Verlassen gewisser Gebäude und Gebiete sowie bestimmte Aktivitäten an definierten Orten verbringen oder einschränken.

Diese Massnahmen dürfen nur lagen dauern, wie sie notwendig sind und müssen regelmässig überprüfte werden.

Viele Veranstalter sagen ihre Events selber ab, so etwa den Engadiner Skimarathon. Es kann aber durchaus zu Situationen kommen, wo jemand, z.B. aus wirtschaftlichen Gründen, eine Veranstaltung unbedingt durchführen möchte und dann die Behörden allenfalls eingreifen müssen.

Massnahmen im internationalen Personenverkehr
Möglich sind weiter Massnahmen im internationalen Personenverkehr (Art. 41 ff. EpG).

Zuteilung von Heilmitteln
Der Bundesrat stellt die Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln sicher und kann Vorschriften über deren Zuteilung erlassen (Art. 44 EpG).

Mangelhafte Regelung der Entschädigungspflicht und Freiwilligkeit
Das Epidemiengesetz regelt die Entschädigungspflicht bei Massnahmen gegenüber einzelnen Personen nur rudimentär. Die Person kann, muss aber nicht, betroffene Personen entschädigen, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Person, sofern die Schäden nicht anderweitig gedeckt werden.

Natürlich ist bei unberechtigten Massnahmen auch die Staatshaftung zu überprüfen.

 

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., www.etterlegal.ch

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