Bundesgericht heisst Beschwerde von Inclusion Handicap bezüglich FV-Dosto teilweise gut

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) müssen sicherstellen, dass sämtliche Rampen im Ein- und Ausstiegsbereich der neuen Fernverkehrs-Doppelstockzüge (FV-Dosto) eine maximale Neigung von 15 % aufweisen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dies nur für einen Ein- und Ausstieg pro Zug verlangt. Darüber hinaus muss das Bundesamt für Verkehr (BAV) abklären, ob der Ein- und Ausstieg von mobilitätsbehinderten Menschen mit Bezug auf die Abfolge der beanstandeten Gestaltungselemente insgesamt autonom und sicher genutzt werden kann. Das Bundesgericht heisst im Urteil 2C_26/2019 vom 22. Dezember 2021 die Beschwerde von Inclusion Handicap teilweise gut. Inclusion Handicap wurde vertreten durch ettlersutter, die SBB durch Walder Wyss und Bombardier durch Pestalozzi.

Anwälte der Parteien

Inclusion Handicap (Beschwerdeführerin) wurde vertreten durch Martin Looser von ettlersutter und Nuria Frei von Inclusion Handicap (Inhouse).

Die Schweizerische Bundesbahnen SBB Division Personenverkehr (Beschwerdegegnerin) wurde vertreten durch Prof. Dr. Hans-Rudolf Trüeb und Dr. Martin Zobl von Walder Wyss.

Die Bombardier Transportation GmbH wurde vertreten durch Michael Kramer und Dr. Michael Lips von Pestalozzi.

Sachverhalt und Prozessgeschichte

Das BAV hatte im November 2017 den neuen FV-Dosto der SBB eine befristete Betriebsbewilligung erteilt, die mittlerweile mehrfach verlängert wurde.

Inclusion Handicap – der Dachverband der Behindertenorganisationen Schweiz – erhob gegen die Verfügung des BAV Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte Inclusion Handicap vor, unbegleitet reisende Menschen mit Behinderungen würden in den neuen Fernverkehrszügen auf zu viele Hindernisse stossen. Bezüglich vier der insgesamt 15 Rechtsbegehren konnten sich die Verfahrensbeteiligten während des Verfahrens einigen. Im November 2018 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gut. Es verpflichtete die SBB, sicherzustellen, dass pro Zug mindestens ein Ein- und Ausstieg eine Rampe mit einer Neigung von maximal 15 aufweise; über einen solchen Zugang müsse der vorgesehene Rollstuhlbereich mit Stellplätzen und rollstuhlgängiger Universaltoilette sowie eine allfällige Verpflegungszone erreichbar sein.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_26/2019

Das Bundesgericht heisst im Urteil 2C_26/2019 vom 22. Dezember 2021 die von Inclusion Handicap dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut.

Das Gericht kommt zunächst zum Schluss, dass die Zulässigerklärung einer maximalen Rampenneigung von 15 % im Ein- und Ausstiegsbereich von Zügen für sich genommen bei heutiger Betrachtung keine unzulässige Benachteiligung mobilitätsbehinderter Menschen darstellt. Die maximale Rampenneigung gilt jedoch entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht nur bei einem Einstieg pro Zug, sondern für sämtliche Rampen im Ein- und Ausstiegsbereich der FV-Dosto. Den SBB ist somit die zusätzliche Auflage zu erteilen, für sämtliche Rampen im Ein- und Ausstiegsbereich der FV-Dosto eine maximale Neigung von 15 % sicherzustellen. Das BAV hat den SBB dafür eine angemessene Frist anzusetzen und die Einhaltung zu kontrollieren.

Ferner ist die Behindertengerechtigkeit des Ein- und Ausstiegsbereichs nicht unter isolierter Beurteilung eines einzelnen Gestaltungselements – beispielsweise der Rampenneigung – zu beurteilen. Entscheidend ist gemäss dem Bundesgericht vielmehr, dass mobilitätsbehinderte Menschen, die sich sonst im öffentlichen Raum autonom fortbewegen, den Ein- und Ausstiegsbereich insgesamt eigenständig und sicher benutzen können. Mitzuberücksichtigen sind hierfür neben der Rampe auch die Stufe nach dem ausfahrbaren Schiebetritt sowie der Spaltabstand zwischen Schienenfahrzeug und Perron.

Ob die autonome Benutzung insgesamt möglich ist, hat die Vorinstanz zu Unrecht nicht geprüft. Es ist angezeigt, diesbezüglich unter Beizug eines unabhängigen Sachverständigen weitere Abklärungen vornehmen zu lassen und die Sache in diesem Punkt zu ergänzenden Abklärungen und zu neuem Entscheid an das BAV zurückzuweisen.

Im Sinne einer Übergangsregelung ist in diesem Zusammenhang anzuordnen, dass die FV-Dosto in der bisherigen Ausgestaltung verkehren dürfen, bis diese Prüfung erfolgt ist.

In den übrigen materiellen Punkten (u.a. Länge der Handläufe bei den Treppen, Türöffnungstasten, zusätzliche Haltegriffe und Beleuchtung) ist die Beschwerde von Inclusion Handicap abzuweisen.

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