Bär & Karrer gewinnt gegen Lustenberger vor Bundesgericht betreffend eines ICC-Verfahrens

Bär & Karrer vertrat erfolgreich, unter der Leitung von Partner Daniel Hochstrasser, ein türkisches Bauunternehmen gegen den Staat Libyen, der durch Lustenberger vertreten wurde, in einem bundesgerichtlichen Verfahren – Urteil 4A_461/2019 vom 2. November 2020 – welches die Beschwerde gegen den Final Award des Schiedsgerichts mit Sitz in Genf vom 22. Juli 2019 (22236/ZF/AYZ), einer ICC-Arbitration, beinhaltete.

Anwaltsteams von Bär & Karrer und Lustenberger

Das Team von Bär & Karrer wurde von Partner Daniel Hochstrasser  geführt und bestand weiter aus Julia Jung und Alex Kapsahili (alle Arbitration) und vertrat das türkische Bauunternehmen.

Das Team von Lustenberger bestand aus Monika McQuillen und und Dr. Claudius Triebold und vertrat den Staat Libyen.

 

Sachverhalt

Partei A. Anonim Sirketi (Klägerin, Beschwerdegegnerin) ist eine türkische Gesellschaft mit Sitz in U.. Seit 1980 war sie an mehr als 35 öffentlichen Bauprojekten auf dem Territorium des libyschen Staates (Beklagter, Beschwerdeführer) beteiligt. Am Anfang der 1990er-Jahre stellte sie ihre Arbeiten infolge unbezahlter Rechnungen ein.

Zwischen 1994 und 2005 versuchte die Klägerin, die Zahlung der offenen Rechnungen durch den Beklagten zu erwirken. Zwischen 2007 und 2008 beteiligte sie sich an einem vom libyschen Finanzministerium durchgeführten „Audit and Review of Outstanding Liabilities of Libya’s Treasury“. Ab 2009 versuchte sie vergeblich, die Zahlung der im Rahmen dieses Audits festgestellten Summe zu erwirken.

Am 27. September 2012 erhob sie Klage beim erstinstanzlichen Gericht in Beida, Libyen. Mit Entscheid vom 29. Oktober 2012 verurteilte dieses Gericht den Beklagten zur Zahlung von 1’906’360.23 libyschen Dinar (LD) zzgl. Zinsen aufgrund von offenen Forderungen aus den vorerwähnten Bauprojekten sowie Schadenersatz in der Höhe von 1’000’000.– LD für die fruchtlosen Inkassobemühungen (nachfolgend: Beida-Urteil). Der Beklagte blieb diesem Verfahren fern. Am 23. Januar 2013 erhob der Beklagte, vertreten durch die Streitbeilegungsabteilung („State Litigation Department“), Berufung gegen dieses Urteil. Am 31. Januar 2018 hob das zuständige Berufungsgericht das Beida-Urteil auf.

Am 9. Dezember 2013 schlossen die Parteien eine Vergleichsvereinbarung („Settlement Agreeement“) ab. Dabei wurde der Beklagte vom stellvertretenden Finanzminister („Deputy Minister in the Libyan Ministry of Finance“) vertreten. In der Vergleichsvereinbarung verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin 5’420’308.707 LD zu bezahlen. Sodann sah die Vergleichsvereinbarung vor, dass alle nationalen oder internationalen Gerichts- und sonstigen Verfahren im Zusammenhang mit dem Beida-Urteil eingestellt werden. Die Vergleichsvereinbarung selbst beinhaltete keine Schiedsklausel.

Am 25. März 2018 leitete der Beklagte, vertreten durch die staatliche Streitbeilegungsabteilung, Klage gegen die Klägerin ein und verlangte die Feststellung, die Vergleichsvereinbarung sei ungültig und nichtig (sog. „Tripolis-Verfahren“).

Bereits zuvor, am 31. August 2016, hatte die Klägerin bei der Internationalen Handelskammer in Paris einen Antrag auf ein Schiedsverfahren auf der Grundlage des türkisch-libyschen Investitionsschutzabkommens vom 25. November 2009 (nachfolgend: ISA) gestellt. Die Parteien einigten sich auf Genf als Sitz des Schiedsgerichtsverfahrens. Am 22. Juli 2019 erliess das Schiedsgericht folgenden Schiedsspruch:

I. Respondent’s objections against the Arbitral Tribunal’s jurisdiction are rejected; 

  1. The A rbitral Tribunal has jurisdiction over all of Claimant’s claims based on the BIT and raised in this arbitration; 
  1. Respondent has breached Article 2 (2) of the BIT by failing to accord fair and equitable treatment to Claimant’s investment; 

XXV. Respondent shall pay damages to Claimant in the amount of USD 21,865,554, including pre-award simple interest accrued at 4% per annum; 

XXV. Claimant’s claims for moral damages are rejected; 

XXV. All other requests and claims are rejected; 

XXV. Respondent shall pay interest on the sum USD 21,865,554 awarded from the date of the notification of the Award at the rate of LIBOR + 3% per annum, compounded annually; 

XXV. -IX [Kosten und Entschädigung].

Es stellte fest, die Klägerin stütze ihre Ansprüche einerseits auf materielle Verpflichtungen des Beklagten gemäss ISA, namentlich Art. 2 Abs. 2 und Art. 4 ISA, sowie eine im ISA (stillschweigend) enthaltene Schirmklausel („umbrella clause“), welche den Beklagten unmittelbar gestützt auf das ISA zur Einhaltung eingegangener Verträge verpflichte. Zusätzlich zu dieser abkommensbasierten („treaty-based“) Grundlage argumentiere die Klägerin auch vertraglich, indem sie eine Verletzung der Vergleichsvereinbarung geltend mache. Im Hinblick auf seine Zuständigkeit erwog das Schiedsgericht, die Vergleichsvereinbarung vom 9. Dezember 2013 sei unter libyschem Recht gültig, sie habe eine Geldforderung im Zusammenhang mit einer Investition nach Art. 1 Abs. 2 ISA zum Inhalt, weshalb sie ihrerseits eine geschützte Investition im Sinne des Abkommens sei, und die aus dem behaupteten Nichteinhalten der Vereinbarung erwachsene, zu beurteilende Streitigkeit, sei erst nach Inkrafttreten des ISA am 22. April 2011 entstanden. Somit sei das Schiedsgericht gestützt auf Art. 8 und Art. 10 ISA zuständig, ungeachtet dessen, dass die Vergleichsvereinbarung selber keine Schiedsklausel enthalte.

 

Prozessgeschichte

Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 16. September 2019 beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, der Schiedsspruch sei kostenfällig aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Schiedsgericht unzuständig sei.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Schiedsgericht verzichtete auf eine Vernehmlassung. Die Parteien replizierten bzw. duplizierten unaufgefordert.

Mit präsidialer Verfügung vom 19. Dezember 2019 wurde das Sicherstellungsgesuch der Beschwerdegegnerin gutgeheissen. In der Folge wurde Sicherheit im Umfang von Fr. 79’975.– bei der Bundesgerichtskasse geleistet.

Mit präsidialer Verfügung vom 25. März 2020 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gewährt.

Mit Eingabe vom 21. September 2020 stellte der Beschwerdeführer ein Erläuterungsgesuch zur Verfügung betreffend aufschiebende Wirkung und beantragte, es sei zu erläutern, ob die am 25. März 2020 verfügte Suspensivwirkung die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs des Schiedsgerichts mit Sitz in Genf vom 22. Juli 2019 und darüber hinaus dessen Wirkungen insgesamt, einschliesslich seiner Rechtskraft und seiner Bindungswirkung hemme (Ziff. 1 und 2). Ausserdem stellte er zwei Begehren um Erlass vorsorglicher Massnahmen (Ziff. 3 und 4). Die Beschwerdegegnerin beantragte mit Eingabe vom 8. Oktober 2020, auf das Erläuterungsgesuch gemäss Rechtsbegehren 1 und 2 sei nicht einzutreten, eventuell sei dieses abzuweisen. Die Gesuche um Erlass vorsorglicher Massnahmen gemäss Rechtsbegehren 3 und 4 seien abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache werden diese Gesuche gegenstandslos.

 

Entscheid des Bundesgerichts im Urteil 4A_461/2019 vom 2. November 2020 

Im Urteil des Bundesgerichts 4A_461/2019 vom 2. November 2020 rügte der Beschwerdeführer detaillierte eine Vielzahl von Punkten.

Der Beschwerdeführer rügte u.a.  eine unrechtmässige Ausübung der Kompetenz-Kompetenz durch das Schiedsgericht, eine Verletzung des Prinzips der abgeurteilten Sache, die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts.

Aus dem Urteil bzw. den ausführlichen Abhandlungen des Bundesgerichts geht hervor, dass sich Lustenberger und Bär & Karrer eine rechtliche Argumentation auf höchstem Niveau geliefert haben.

Es ist davon auszugehen, dass dieses Urteil in den die Schiedsgerichtsbarkeit betreffenden Fachpublikationen noch ausführlich abgehandelt werden wird. Am Ende kann nur einer gewinnen, in diesem Fall wurde die Beschwerde durch das Bundesgericht, soweit darauf eingetreten wurde, abgewiesen (E.7).

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