Leiturteil des Bundesgerichts zur Berechnung von Fristen

Im Urteil 5A_691/2023 vom 13. August 2024 hat das Bundesgericht einen äusserst wichtigen und praxisrelevanten Leitentscheid zur Berechnung von Fristen gefällt. So hat das Bundesgericht klargestellt, wie die in Monaten festgelegten Fristen – der wichtigste Anwendungsfall ist die Gültigkeit der Klagebewilligung, die den Kläger berechtigt, die Klage innerhalb von drei Monaten nach ihrer Zustellung bei Gericht einzureichen –zu berechnen sind.  Hier sind einige Schlüsselausführungen: «Daraus folgt, dass beim Europäischen Fristenübereinkommen der Tag des fristauslösenden Ereignisses mit dem Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, zusammenfällt […]» (E.4.3.1.3). «Schliesslich kann angefügt werden, dass Fristen – wie dies das Europäische Fristenübereinkommen vorsieht – aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich nach ein und derselben Methode berechnet werden sollten, und zwar unabhängig davon, ob sie sich aus dem materiellen Recht oder dem Prozessrecht ergeben. Gründe, weshalb zivilprozessuale Fristen zwingend anders zu berechnen wären als Fristen des materiellen Zivilrechts oder des Prozessrechts anderer Rechtsgebiete, sind jedenfalls nicht ersichtlich. Erst recht nicht einsichtig ist, weshalb nach Tagen und Monaten bestimmte (zivilprozessuale) Fristen unterschiedlich berechnet werden sollten, indem bei nach Tagen bestimmten Fristen nur die entsprechende Anzahl Tage voll zur Verfügung steht, während bei nach Monaten bestimmten Fristen systematisch ein zusätzlicher Tag zur Verfügung stehen soll.» (E.5.5.4.2). «Als Ergebnis der Auslegung von Art. 142 Abs. 1 und 2 ZPO ist demzufolge festzuhalten, dass Art. 142 Abs. 2 ZPO in dem Sinn auszulegen ist, als der „Tag, an dem die Frist zu laufen begann“, sich nicht nach Art. 142 Abs. 1 ZPO richtet, sondern auf den Tag des fristauslösenden Ereignisses Bezug nimmt. Der Beschwerdeführer hat demnach auch in Anwendung von Art. 142 Abs. 2 ZPO die Klagefrist gemäss Art. 209 Abs. 3 ZPO verpasst […].» (E.5.6).  «Nach dem Ausgeführten besteht kein Normkonflikt zwischen Art. 142 Abs. 2 ZPO und dem Europäischen Fristenübereinkommen und braucht die Frage des Verhältnisses zwischen diesem und jenem nicht beantwortet zu werden.» (E.5.7). Im vorliegenden Fall entschied das Bundesgericht, dass die dreimonatige Klagefrist mit dem Datum der Zustellung der Klagebewilligung zu laufen begann und dass der Kläger seine Klage einen Tag zu spät eingereicht hatte. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben wurde der Beschwerde des Klägers dennoch stattgegeben, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Frage der korrekten Berechnung von Monatsfristen bis zu diesem Urteil umstritten war (E.6).

Sachverhalt und Instanzenzug

2020 verstarb E.A. (Erblasserin). Als gesetzliche Erben hinterliess sie ihre vier Kinder B.A. (geb. 1960), C.A. (geb. 1962), D.A. (geb. 1964) und A.A. (geb. 1966). Der Ehemann und Vater der vier gemeinsamen Kinder war bereits im Jahr 1989 verstorben.

Die Erblasserin nahm lebzeitige Zuwendungen vor und verfasste eine öffentliche letztwillige Verfügung. Darin richtete sie unter anderem D.A. ein Vorausvermächtnis aus; für den restlichen Nachlass ordnete sie die gesetzliche Erbfolge an.

Über die Regelung des Nachlasses entstand Streit unter den Geschwistern. Am 13. Januar 2021 gelangte A.A. daher mit Schlichtungsgesuch an das Vermittleramt Höfe. Er beantragte unter anderem die Teilung des Nachlasses und die Herabsetzung des Vorausvermächtnisses sowie weiterer lebzeitigen Zuwendungen an seine Geschwister, soweit diese nicht der Ausgleichung unterlägen. Eine Einigung kam nicht zustande. Die vom 25. Januar 2022 datierende Klagebewilligung wurde A.A. am 26. Januar 2022 zugestellt.

Gestützt auf diese Klagebewilligung reichte A.A. am 12. Mai 2022 beim Bezirksgericht Höfe gegen seine Geschwister eine Klage betreffend Erbteilung und Herabsetzung ein. Das Bezirksgericht trat auf die Klage mit Verfügung vom 9. Februar 2023 mangels (in zeitlicher Hinsicht) gültiger Klagebewilligung nicht ein.

Das Kantonsgericht Schwyz bestätigte den Nichteintretensentscheid und wies die dagegen von A.A. eingereichte Berufung ab (Entscheid vom 17. August 2023).

Weiterzug ans Bundesgericht

Hiergegen gelangt A.A. (Beschwerdeführer) mit Beschwerde in Zivilsachen vom 18. September 2023 an das Bundesgericht. Diesem beantragt er, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben bzw. in dem Sinne zu ändern, als der erstinstanzliche Entscheid aufgehoben werde und die Sache zur Neubeurteilung an die Erstinstanz, eventualiter an die Vorinstanz, zurückgewiesen werde.

C.A. (Beschwerdegegner 2) und B.A. (Beschwerdegegnerin 1) verzichteten mit Eingaben vom 1. respektive 21. Mai 2024 auf die Einreichung einer Vernehmlassung. D.A. (Beschwerdegegner 3) liess sich nicht vernehmen. Das Obergericht reichte am 13. Mai 2024 unter Verzicht auf Antragstellung eine Vernehmlassung ein. Weitere Eingaben erfolgten nicht.  Im Übrigen hat sich das Bundesgericht die kantonalen Akten überweisen lassen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 5A_691/2023 vom 13. August 2024  

Hinsichtlich des Streitgegenstands sind die Tatsachen vor Bundesgericht unbestritten (E.2).

Das Bundesgericht äusserte sich generell-abstrakt im Urteil 5A_691/2023 vom 13. August 2024 wie folgt:

«Ein Erbe, der dem Wert nach weniger als seinen Pflichtteil erhält, kann die Herabsetzung von bestimmten Erwerbungen und Zuwendungen verlangen (Art. 522 Abs. 1 ZGB). Die Herabsetzungsklage verjährt mit Ablauf eines Jahres von dem Zeitpunkt an gerechnet, da die Erben von der Verletzung ihrer Rechte Kenntnis erhalten haben, und in jedem Fall mit Ablauf von zehn Jahren, die bei den letztwilligen Verfügungen von dem Zeitpunkte der Eröffnung, bei den andern Zuwendungen aber vom Tode des Erblassers an gerechnet werden (Art. 533 Abs. 1 ZGB). Die Frist wird mit dem Einreichen eines Schlichtungsbegehrens gewahrt (Art. 62 Abs. 1 i.V.m. Art. 197 ZPO). Kommt es im Schlichtungsverfahren zu keiner Einigung, so hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung (Art. 209 Abs. 1 ZPO). Nach Eröffnung berechtigt diese während dreier Monate zur Einreichung der Klage beim Gericht (Art. 209 Abs. 3 ZPO). Bei dieser Frist handelt es sich um eine prozessrechtliche Verwirkungsfrist (nicht zu verwechseln mit Verwirkungsfristen des materiellen Rechts, bspw. Art. 533 ZGB). Sie beginnt mit der Eröffnung bzw. Zustellung der Klagebewilligung im Sinn von Art. 209 Abs. 2 ZPO zu laufen (BGE 140 III 227 E. 3.1; 138 III 615 E. 2.3; EGLI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2. Aufl. 2016, N. 24 zu Art. 209 ZPO; INFANGER, in: Basler Kommentar, Zivilprozessordnung, N. 16 zu Art. 209 ZPO; BOHNET, in: Commentaire romand, Code de procédure civile, 2. Aufl. 2019, N. 9 zu Art. 209 ZPO; SUTTER-SOMM/SEILER, in: Handkommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2021, N. 13 zu Art. 209 ZPO). Wird die Klage nach Fristablauf eingereicht, tritt das Gericht auf diese nicht ein (Art. 59 Abs. 1 ZPO; Urteil 4A_30/2020 vom 23. März 2021 E. 3.3.2 mit Hinweisen). Während den Gerichtsferien steht die Frist zur Klageeinreichung beim Gericht still (BGE 138 III 615 E. 2; 610 E. 2.8).» (E.3).

Zum Europäische Fristenübereinkommen

«Die Vorinstanz des Bundesgerichts hat die Frist nach Massgabe des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen vom 16. Mai 1972 (SR 0.221.122.3; für die Schweiz in Kraft seit 28. April 1983; im Folgenden: Europäisches Fristenübereinkommen oder EuFrÜb) berechnet und geschlossen, da die Klagebewilligung dem Beschwerdeführer am 26. Januar 2022 zugestellt worden sei, habe die Frist gemäss Art. 209 Abs. 3 ZPO grundsätzlich am 26. April 2022 geendet. Unter Berücksichtigung der Gerichtsferien gemäss Art. 145 Abs. 1 lit. a ZPO verlängere sich die Frist um 15 Tage, womit sie am 11. Mai 2022 definitiv geendet habe. Die vom Beschwerdeführer am 12. Mai 2022 erhobene Klage sei daher verspätet gewesen.» (E.4).

«Das Europäische Fristenübereinkommen bezweckt die Vereinheitlichung der Vorschriften über die Berechnung von Fristen (Präambel). Es ist anwendbar auf die Berechnung von durch Gesetz, Gerichts- oder Verwaltungsbehörden festgesetzte Fristen auf dem Gebiet des Zivil-, Handels- und Verwaltungsrechts einschliesslich des diese Gebiete betreffenden Verfahrensrechts (Art. 1 Abs. 1 EuFrÜb). Die Bestimmungen des Übereinkommens gelten nicht nur im internationalen, sondern auch im innerstaatlichen Verhältnis (Urteil 9C_396/2018 vom 20. Dezember 2018 E. 2.2; siehe auch Präambel des EuFrÜb) und sind direkt anwendbar (vgl. BGE 124 II 527 E. 2b; Urteil 4A_113/2023 vom 28. Februar 2023 E. 6.2; AMSTUTZ/ARNOLD, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 4 zu Art. 44 BGG; anders in Bezug auf Art. 2 und 3 EuFrÜb Urteil 5P.200/1991 vom 3. Dezember 1991 E. 3). Im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 EuFrÜb haben die Vorschriften des Übereinkommens zwingenden Charakter (Botschaft vom 9. Mai 1979 betreffend zwei Übereinkommen des Europarates, BBl 1979 II 109 ff. Ziff. 221).» (E.5).

«Für die Berechnung der Fristen stellt das Europäische Fristenübereinkommen auf das Begriffspaar dies a quo und dies ad quem ab. Der Ausdruck dies a quo bezeichnet den Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt und der Ausdruck dies ad quem den Tag, an dem die Frist abläuft (Art. 2 EuFrÜb).» (E.4.2.1).

«Fristen, die in Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren ausgedrückt sind, laufen von Mitternacht des dies a quo bis Mitternacht des dies ad quem (Art. 3 Abs. 1 EuFrÜb). Weil die Frist von Mitternacht des dies a quo zu laufen beginnt, ist der Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt ( dies a quo), nicht mitzurechnen (BGE 125 V 37 E. 4b; Urteil 5A_16/2008 vom 25. April 2008 E. 2.2; BBl 1979 II 109 ff. Ziff. 221; Rapport explicatif de la Convention européenne sur la computation des délais vom 16. Mai 1972, Rz. 21). Damit übernimmt das Europäische Fristenübereinkommen in Übereinstimmung mit der in den meisten Mitgliedstaaten des Europarats geltenden Regelung (Rapport explicatif, a.a.O.) ein Grundprinzip des Fristenrechts, das auf das römische Recht zurückgeht: Die Fristberechnung erfolgt nach Kalendertagen, also Zeiträumen zwischen Mitternacht und Mitternacht (sogenannte Zivilkomputation), womit einhergeht, dass nur Tage mitgezählt werden, die voll zur Verfügung stehen (BGE 144 III 152 E. 4.4.2). Das Europäische Fristenübereinkommen folgt also dem bereits dem römischen Recht bekannten Grundsatz dies a quo non computatur. Hingegen läuft die Frist bis um Mitternacht (24.00 Uhr) des letzten Tages ( dies ad quem), sodass der letzte Tag mitzurechnen ist (Rapport explicatif, a.a.O.).» (E.4.2.2).

«Anders als für in Wochen, Monaten oder Jahren ausgedrückte Fristen enthält das Europäische Fristenübereinkommen keine besondere Bestimmung, wie die in Tagen ausgedrückten Fristen zu berechnen sind. Die diesbezügliche Berechnungsmodalität wird indes unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 EuFrÜb abgeleitet (Rapport explicatif, Rz. 22). Beginnt eine viertägige Frist am 5. Januar zu laufen, endet sie um Mitternacht des 9. Januar (Beispiel gemäss Rapport explicatif, a.a.O.). Oder anders formuliert: Beginnt die viertägige Frist um 24.00 Uhr des 5. Januar zu laufen endet sie vier volle Tage später, d.h. um 24.00 Uhr des 9. Januar.» (E.4.2.3).

«Ist eine Frist in Wochen ausgedrückt, so ist der dies ad quem der Tag der letzten Woche, der dem dies a quo im Namen entspricht (Art. 4 Abs. 1 EuFrÜb). Ist eine Frist in Monaten oder Jahren ausgedrückt, so ist der dies ad quem der Tag des letzten Monats oder des letzten Jahres, der nach seiner Zahl dem dies a quo entspricht, oder, wenn ein entsprechender Tag fehlt, der letzte Tag des letzten Monats (Art. 4 Abs. 2 EuFrÜb). Ist eine Frist in Monaten und Tagen oder Bruchteilen von Monaten ausgedrückt, so sind zuerst die ganzen Monate und danach die Tage oder Bruchteile der Monate zu zählen; für die Berechnung von Bruchteilen von Monaten ist davon auszugehen, dass ein Monat aus 30 Tagen besteht (Art. 4 Abs. 3 EuFrÜb).» (E.4.2.4).

«Obwohl die für in Wochen, Monaten oder Jahren ausgedrückten Fristen anzuwendenden Berechnungsmodalitäten den dies a quo formal einbeziehen, stehen sie nicht im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 EuFrÜb. Vielmehr setzen sie den dort festgelegten Grundsatz dies a quo non computatur um, indem der so umschriebene Fristenlauf jeweils ganze Wochen, Monate oder Jahre (oder entsprechende Bruchteile) ergibt.» (E.4.2.5).

«In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob das Europäische Fristenübereinkommen für die Vertragsstaaten verbindlich vorgibt, wann eine Frist zu laufen beginnt, oder ob es jenen die Befugnis belässt, diesen Zeitpunkt zu bestimmen. So gestellt, hat die Frage zwei Dimensionen: Zum einen geht es um die Berechnung einer Frist als solchen (dazu E. 4.3.1 sogleich), zum anderen um das fristauslösende Ereignis (dazu E. 4.3.2).» (E.4.3).

«Hinsichtlich des Fristbeginns führen ERNST/OBERHOLZER/SUNARIC (Fristen und Fristberechnung im Zivilprozess, 2021, S. 110 Rz. 257 und 262) aus, die vom EuFrÜb bezweckte Vereinheitlichung der Vorschriften über die Berechnung von Fristen würde unterlaufen, wenn das EuFrÜb zwar die Art und Weise festlegen würde, wie Fristen zu berechnen sind, die ebenso entscheidende Frage des Fristbeginns aber unbeantwortet liesse. Zum gleichen Ergebnis gelangen WEBER (Monatsfristen nach ZPO: Dörfs es bitzeli meh sii?, Jusletter 19. März 2012, Rz. 13) und HOFFMANN-NOVOTNY/BRUNNER (in: ZPO, Kurzkommentar, Oberhammer et al. [Hrsg.], 3. Aufl. 2021, N. 7 zu Art. 142 ZPO). AMSTUTZ/ARNOLD (a.a.O., N. 4 zu Art. 45 BGG) sind demgegenüber der Meinung, das EuFrÜb definiere nicht, ob der Fristenlauf am Tag der fristauslösenden Mitteilung/des fristauslösenden Ereignisses oder aber am Folgetag beginnt. Das Obergericht des Kantons Zürich teilt diese Auffassung. In seinem Beschluss vom 17. Februar 2015 [LB140093-O/U] E. 6e erwog es, das EuFrÜb definiere „nach eigenem Bekunden (Ingress und Art. 1) die Berechnung von Fristen“, nicht jedoch „wann (am Zustellungstag oder am Tag danach) eine Frist zu laufen beginnt.“» (E.4.3.1.1).

«Das Europäische Fristenübereinkommen befasst sich nicht mit dem fristauslösenden Ereignis. Folglich legt es nicht ausdrücklich fest, dass der Tag des fristauslösenden Ereignisses mit dem Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt ( dies a quo), zusammenfällt. Indes ergibt sich diese Konsequenz aus der Konzeption und dem Zweck des Europäischen Fristenübereinkommens (vgl. Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [VRK; SR 0.111], wonach ein völkerrechtlicher Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen ist“; BGE 149 III 131 E. 6.4.1; 147 II 1 E. 2.3; 144 III 559 E. 4.4.2). Es geht diesem um die Vereinheitlichung der Vorschriften über die Berechnung von Fristen (Präambel). Diesem Zweck wird es, wie dies ERNST/OBERHOLZER/SUNARIC (a.a.O.) zutreffend ausführen, nur dann gerecht, wenn es nicht nur die Art und Weise festlegt, wie die Fristen zu berechnen sind, sondern auch den Fristbeginn definiert. Eine Vereinheitlichung der Berechnung der Fristen kann, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, nur dann herbeigeführt werden, wenn der dies a quo („Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt“) mit dem Tag des fristauslösenden Ereignisses zusammenfällt. Könnte ein Vertragsstaat nämlich den Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, vom Tag des fristauslösenden Ereignisses trennen und würde der dies a quo (mindestens) einen Tag nach dem Tag des fristauslösenden Ereignisses liegen, setzte er sich in Widerspruch zum auch dem Europäischen Fristenübereinkommen zugrunde liegenden Grundsatz, wonach die Frist ganze Tage, Wochen, Monate oder Jahre (oder entsprechende Bruchteile) betragen soll (E. 4.2.2 und E. 4.2.5). Denn diesfalls führte die Regelung, wonach die Frist erst um Mitternacht des dies a quo zu laufen beginnt (vgl. Art. 3 Abs. 1 EuFrÜb), und der dies a quo folglich nicht mitgerechnet wird (E. 4.2.2), dazu, dass sowohl der Tag des fristauslösenden Ereignisses als auch der Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, nicht mitgerechnet würden und die Fristen damit mehr als ganze Tage, Wochen, Monate oder Jahre (oder entsprechende Bruchteile) dauerten (vgl. BGE 144 IV 161 E. 2.3.2). Dieses Ergebnis liesse sich nicht mit dem Zweck der Vereinheitlichung der Fristberechnung vereinbaren.» (E.4.3.1.2).

«Daraus folgt, dass beim Europäischen Fristenübereinkommen der Tag des fristauslösenden Ereignisses mit dem Tag, an dem die Frist zu laufen beginnt, zusammenfällt (vgl. BGE 125 V 37 E. 4b, ferner Urteil C 26/01 vom 15. Januar 2003 E. 2.3.2; s. dazu auch: WEBER, a.a.O., Rz 13; ERNST/OBERHOLZER/SUNARIC, a.a.O., S. 112 Rz. 262; HOFMANN-NOWOTNY/BRUNNER, a.a.O., N. 6 zu Art. 142 ZPO; CAVELTI, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Auer et al. [Hrsg.], 2. Aufl. 2019, N. 45 zu Art. 20 VwVG).» (E.4.3.1.3).

«Während das Europäische Fristenübereinkommen, wie soeben dargelegt, für die Vertragsparteien verbindlich festlegt, wann für die Zwecke der Berechnung eine Frist zu laufen beginnt, nämlich am Tag des fristauslösenden Ereignisses, definiert es nicht, welche Umstände oder Ereignisse Fristen auslösen und damit einen Tag zum dies a quo werden lassen (bspw. Zustellung eines Entscheids, welcher die Rechtsmittelfrist auslöst [Art. 142 Abs. 1 ZPO; Art. 44 BGG]; Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit eine relative Verjährungs- oder Verwirkungsfrist ausgelöst wird [vgl. Art. 60 OR]). Es ist mithin den Vertragsstaaten überlassen, zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen Fristen ausgelöst werden, d.h. ein dies a quo gegeben ist. Nur – aber immerhin – auf diese indirekte Weise haben die Vertragsstaaten die Möglichkeit, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem eine Frist zu laufen beginnt (vgl. bspw. Art. 142 Abs. 1bis ZPO, eingefügt durch Ziffer I des Bundesgesetzes vom 17. März 2023 [Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung], in Kraft ab 1. Januar 2025 [AS 2023 491; BBl 2023 786], wonach die Mitteilung, die an einem Samstag, einem Sonntag oder an einem am Gerichtsort vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag durch gewöhnliche Post [Art. 138 Abs. 4 ZPO] zugestellt wird, am nächsten Werktag als erfolgt gilt).» (E.4.3.2).

«Schliesslich befasst sich das Europäische Fristenübereinkommen nicht mit Gerichtsferien (Rapport explicatif, Rz. 12). Es ist also den Vertragsstaaten überlassen, zu entscheiden, ob und in welchen Verfahren Gerichtsferien gelten und welchen Einfluss diese auf den Fristenlauf haben.» (E.4.4).

«In Anwendung des Europäischen Fristenübereinkommens ist der angefochtene Entscheid nicht zu beanstanden. Das fristauslösende Ereignis (Zustellung der Klagebewilligung [E. 3 oben]) hat am Mittwoch, 26. Januar 2022 stattgefunden. Das ist der dies a quo. Da Art. 209 Abs. 3 ZPO die Frist in Monaten ausdrückt, ist der dies ad quem (der Tag, an dem die Frist abläuft) der Tag des letzten Monats, der nach seiner Zahl dem dies a quo entspricht (Art. 4 Abs. 2 EuFrÜb). Folglich ist der dies ad quem der Dienstag, 26. April 2022. Weil die Frist vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern stillstand (Art. 145 Abs. 1 lit. a ZPO), verlängerte sich die Prosequierungsfrist um 15 Tage. Damit fiel der dies ad quem auf den Mittwoch, 11. Mai 2022. Wird die Frist nach Massgabe des Europäischen Fristenübereinkommens berechnet, war die vom Beschwerdeführer am Donnerstag, 12. Mai 2022 erhobene Klage verspätet.» (E.4.5).

Zu Art. 142 Abs. 2 ZPO

Der Beschwerdeführer will weiter vor Bundesgericht Art. 142 Abs. 2 ZPO angewandt wissen, und folgert daraus, dass er die Prosequierungsfrist gemäss Art. 209 Abs. 3 ZPO gewahrt hat.

In seiner bisherigen Rechtsprechung zu Art. 142 Abs. 1 und 2 ZPO hat sich das Bundesgericht, wie es bemerkt, nicht zum Verhältnis zwischen Art. 142 ZPO und dem Europäischen Fristenübereinkommen geäussert. Dies ist indes nur dann erforderlich, wenn sich diese beiden gesetzlichen Regelungen widersprechen (E.5.2).

Das Bundesgericht fährt im Urteil 5A_691/2023 vom 13. August 2024 fort:

«Gemäss Art. 142 ZPO beginnen Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, am folgenden Tag zu laufen (Abs. 1). Berechnet sich eine Frist nach Monaten, so endet sie im letzten Monat an dem Tag, der dieselbe Zahl trägt wie der Tag, an dem die Frist zu laufen begann. Fehlt der entsprechende Tag, so endet die Frist am letzten Tag des Monats (Abs. 2). Fällt der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen am Gerichtsort vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endet sie am nächsten Werktag (Abs. 3).» (E.5.3).

«Umstritten ist, wie die Absätze 1 und 2 von Art. 142 ZPO auszulegen sind. Knackpunkt ist die Frage, ob die beiden Absätze so zu kombinieren sind, dass der „Tag, an dem die Frist zu laufen begann“ gemäss Art. 142 Abs. 2 ZPO in Anwendung von Art. 142 Abs. 1 ZPO definiert wird als der Tag, der einer Mitteilung oder dem Eintritt eines Ereignisses folgt, oder ob die beiden Absätze isoliert bzw. so auszulegen sind, dass sich Absatz 1 nur auf Tagesfristen bezieht, während für die Berechnung einer Frist nach Monaten der Ereignistag selbst relevanter Bezugspunkt darstellt.» (E.5.4).

«Die Mehrheit der Lehre folgt der erstgenannten Auslegung von Art. 142 Abs. 1 und 2 ZPO, wonach die beiden Absätze zu kombinieren sind (MERZ, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2. Aufl. 2016, N. 22 zu Art. 142 ZPO; BENN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 17 zu Art. 142 ZPO; STAEHELIN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm et al. [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 11 zu Art. 142 ZPO; FREI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 12 zu Art. 142 ZPO; TAPPY, in: Commentaire romand, Code de procédure civile, 2. Auf. 2019, N. 2, 16 ff. zu Art. 142 ZPO; TREZZINI, in: Commentario pratico al Codice di diritto processuale civile svizzero, Bd. I, 2. Aufl. 2017, N. 10 und FN 3434). Auch mehrere kantonale Gerichte haben sich dieser Auffassung angeschlossen (Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 9. September 2020 [BO.2019.20] E. 3; Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 31. März 2015 [101 2015 9] E. 2, in: RFJ 2015 S. 44; Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. Februar 2015 [LB140093-O/U] E. 4-6; Verfügung des Kantonsgerichts des Kantons Glarus vom 25. Februar 2014 [ZG.2013.01187] E. 4; siehe auch Urteil des Tribunale d‘ appello des Kantons Tessin vom 28. Oktober 2016 [11.2014.44] E. 3c). Eine Minderheit in der Lehre vertritt jedoch die Auffassung, dass für die Berechnung von Monatsfristen der Ereignistag den relevanten Bezugspunkt darstellt (ERNST/OBERHOLZER/SUNARIC, a.a.O., S. 110 Rz. 259 ff.; WEBER, a.a.O., Rz. 16; HOFFMANN-NOWOTNY/BRUNNER, a.a.O., N. 6 ff. zu Art. 142 ZPO; DOLGE/INFANGER, Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2012, S. 64; HEINZMANN, Newsletter CPC Online vom 21. März 2018).» (E.5.4.1).

«Die kombinierte Anwendung der Absätze 1 und 2 von Art. 142 ZPO wird in der Literatur (und der kantonalen Rechtsprechung) hauptsächlich aus dem Wortlaut sowie der Systematik von Art. 142 ZPO abgeleitet. Die Minderheit begründet ihre Auffassung hingegen insbesondere mit dem Vorrang des Europäischen Fristenübereinkommens, das zur Berechnung des Fristendes von Monatsfristen auf den Ereignistag abstelle. Ausserdem argumentiert sie, das Abstellen auf den Ereignistag entspreche der bisherigen Rechtslage und Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 OR bzw. der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vor Inkrafttreten der ZPO, wobei sich aus der Entstehungsgeschichte von Art. 142 ZPO keine Hinweise ergäben, dass der Gesetzgeber eine hiervon abweichende Regelung beabsichtigt hätte. Schliesslich sprächen auch teleologische Überlegungen für die Minderheitsmeinung: Stelle man nämlich auf den Ereignistag ab, resultiere eine effektive Monatsfrist, während bei Bezugnahme auf den Folgetag jeweils ein Tag mehr zur Verfügung stünde.» (E.5.4.2).

«Das Bundesgericht hat sich bisher nicht konkret mit der sich hier stellenden Frage auseinandergesetzt. In den BGE 138 III 615 E. 2.3 und 140 III 227 E. 3.1 hat es übereinstimmend ausgeführt, die Frist nach Art. 209 Abs. 3 ZPO beginne mit der Mitteilung der Klagebewilligung zu laufen („le délai pour déposer la demande devant le juge compétent [art. 209 al. 3 CPC] court dès sa notification“), was auf eine isolierte Auslegung von Art. 142 Abs. 2 ZPO hindeutet. In die gleiche Richtung geht auch das Urteil 5A_576/2018 vom 31. Juli 2018 E. 4. Im Widerspruch dazu hat das Bundesgericht im Urteil 5A_306/2012 vom 14. November 2012 E. 3 zur Berechnung des Fristendes auf den der Eröffnung der Klagebewilligung folgenden Tag abgestellt. In keinem dieser Fälle war die konkrete Berechnungsmethode entscheidrelevant, sei es, weil sich die Frage der Fristwahrung gar nicht stellte, oder die Frist unabhängig von der konkreten Berechnungsmethode offensichtlich verpasst oder offensichtlich gewahrt worden war. In Bezug auf die Berechnung des Fristendes der Jahresfrist von Art. 88 Abs. 1 SchKG, die gestützt auf Art. 31 SchKG nach Massgabe der ZPO zu erfolgen hat, stellte das Bundesgericht sodann in zwei Fällen jeweils auf den dem Zustelltag folgenden Tag ab (Urteile 5A_186/2023 vom 29. November 2023 E. 3.2.2; 5A_967/2015 vom 1. Juli 2016 E. 3, dort allerdings nur obiter). In BGE 138 III 610 E. 2.8 befasste sich das Bundesgericht u.a. mit dem Fristenlauf der Monatsfrist nach Art. 63 Abs. 1 ZPO. Die Besonderheit lag indes in der Tatsache, dass die Zustellung des Nichteintretensentscheids am 5. August, also während des Fristenstillstands gemäss Art. 145 Abs. 1 lit. b ZPO, erfolgt war. Das Bundesgericht folgte dem Wortlaut von Art. 146 Abs. 2 ZPO, wonach die Monatsfrist am ersten Tag nach Ende des Stillstands zu laufen beginnt. Daher kann aus diesem Entscheid nichts Eindeutiges zur Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage abgeleitet werden.» (E.5.4.3).

«Nach den vorstehend geschilderten Unklarheiten ist Art. 142 Abs. 2 ZPO auszulegen, und zwar in erster Linie nach seinem Wortlaut (grammatikalische Auslegung). Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss das Gericht unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente nach der wahren Tragweite der Norm suchen. Dabei hat es insbesondere den Willen des Gesetzgebers zu berücksichtigen, wie er sich namentlich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (historische Auslegung). Weiter hat das Gericht nach dem Zweck, dem Sinn und den dem Text zu Grunde liegenden Wertungen zu forschen, namentlich nach dem durch die Norm geschützten Interesse (teleologische Auslegung). Wichtig sind auch der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt, und das Verhältnis, in welchem sie zu anderen Gesetzesvorschriften steht (systematische Auslegung). Das Bundesgericht befolgt bei der Auslegung von Gesetzesnormen einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es ab, die einzelnen Auslegungselemente einer Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 148 III 314 E. 2.2 mit Hinweisen).» (E.5.5).

Das Bundesgericht nimmt danach eine umfassende Auslegung der Bestimmung vor und kommt zu folgenden Konklusionen:

«Schliesslich kann angefügt werden, dass Fristen – wie dies das Europäische Fristenübereinkommen vorsieht – aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich nach ein und derselben Methode berechnet werden sollten, und zwar unabhängig davon, ob sie sich aus dem materiellen Recht oder dem Prozessrecht ergeben. Gründe, weshalb zivilprozessuale Fristen zwingend anders zu berechnen wären als Fristen des materiellen Zivilrechts oder des Prozessrechts anderer Rechtsgebiete, sind jedenfalls nicht ersichtlich. Erst recht nicht einsichtig ist, weshalb nach Tagen und Monaten bestimmte (zivilprozessuale) Fristen unterschiedlich berechnet werden sollten, indem bei nach Tagen bestimmten Fristen nur die entsprechende Anzahl Tage voll zur Verfügung steht, während bei nach Monaten bestimmten Fristen systematisch ein zusätzlicher Tag zur Verfügung stehen soll.» (E.5.5.4.2).

«Als Ergebnis der Auslegung von Art. 142 Abs. 1 und 2 ZPO ist demzufolge festzuhalten, dass Art. 142 Abs. 2 ZPO in dem Sinn auszulegen ist, als der „Tag, an dem die Frist zu laufen begann“, sich nicht nach Art. 142 Abs. 1 ZPO richtet, sondern auf den Tag des fristauslösenden Ereignisses Bezug nimmt. Der Beschwerdeführer hat demnach auch in Anwendung von Art. 142 Abs. 2 ZPO die Klagefrist gemäss Art. 209 Abs. 3 ZPO verpasst (siehe oben E. 4.5).» (E.5.6).

«Nach dem Ausgeführten besteht kein Normkonflikt zwischen Art. 142 Abs. 2 ZPO und dem Europäischen Fristenübereinkommen und braucht die Frage des Verhältnisses zwischen diesem und jenem nicht beantwortet zu werden.» (E.5.7).

Ausnahme bei Rechtsprechungsänderung (fallbezogene Gnade für Beschwerdeführer)

Fallbezogen äusserte sich das Bundesgericht im Urteil 5A_691/2023 vom 13. August 2024 alsdann:

«Grundsätzlich ist eine neue Rechtsprechung sofort anzuwenden. Im Kontext von Rechtsprechungsänderungen macht das Bundesgericht jeweils Ausnahmen, wenn sich die Änderung auf die Bedingungen für die Zulässigkeit einer prozessualen Handlung bezieht. Danach müssen Praxisänderungen vorgängig angekündigt werden, wenn sie Fragen der Zulässigkeit eines Rechtsmittels – namentlich die Berechnung von Rechtsmittelfristen – berühren und dem Rechtsuchenden deshalb Rechte verlustig gehen würden, die er bei Vorwarnung hätte geltend machen können. Diese Rechtsprechung steht vor dem Hintergrund des Grundsatzes von Treu und Glauben, dem nicht nachgelebt würde, wenn demjenigen, der eine Frist- oder Formvorschrift nach der bisherigen Praxis beachtet hat, aus einer ohne Vorwarnung erfolgten Änderung dieser Praxis ein Nachteil erwachsen würde (BGE 146 I 105 E. 5.2.1 mit Hinweisen). Wie bereits ausgeführt (E. 5.4.3), war die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage der Berechnung einer nach Monaten bestimmten Frist nach Art. 142 Abs. 2 ZPO zumindest uneinheitlich und wird sie mit dem vorliegenden Entscheid erstmals konkret geklärt. Es drängt sich daher hier die Anwendung der für Rechtsprechungsänderungen entwickelten Praxis auf. Der Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers war nicht offensichtlich unzutreffend, konnte er sich hierfür auf einen Grossteil der Doktrin sowie auf kantonale Rechtsprechung stützen (vgl. 5.4.1). Daher wäre es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, ihn die Folgen der erstmaligen Klärung der Auslegung von Art. 142 Abs. 2 ZPO tragen zu lassen, zumal es sich bei der Frist von Art. 533 Abs. 1 ZGB um eine Verwirkungsfrist handelt (BGE 138 III 354 E. 5.2; 98 II 176 E. 10) und vorliegend unklar bleibt bzw. nicht geltend gemacht wird, er könne den (behaupteten) Herabsetzungsanspruch in einem allenfalls neu einzuleitenden Erbteilungsverfahren auch einredeweise geltend machen (Art. 533 Abs. 3 ZGB; zu den Grundsätzen und den Ausnahmen vgl. BGE 135 III 97 E. 3; 120 II 417 E. 2; 116 II 243 E. 3; 108 II 288 E. 2; 103 II 88 E. 3c; 98 II 176 E. 10; 86 II 451 E. 7; 58 II 402 E. 3; vgl. auch Urteil 5A_338/2010 vom 4. Oktober 2010 E. 11).» (E.6).

Demzufolge ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache an die erste Instanz zur weiteren Beurteilung zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG), erklärte das Bundesgericht im Urteil 5A_691/2023 vom 13. August 2024 (E.7).

 

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