Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates beschliesst über Änderungen der Strafprozessordnung (StPO)

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates hat die Änderungen der Strafprozessordung (19.048) zu Ende beraten und in der Gesamtabstimmung mit 17 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen angenommen. Eine Minderheit beantragt, das Geschäft an den Bundesrat zurückzuweisen. Das Geschäft wird voraussichtlich in der Frühjahrssession 2021 im Nationalrat behandelt.

Die vorgeschlagenen Änderungen der Strafprozessordnung (StPO) sollen die seit 2011 in Kraft stehende StPO punktuell anpassen und die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu gewissen Streitfragen aus Transparenzgründen ins Gesetz überführen. Bereits kurz nach dem Inkrafttreten der neuen StPO, welche die 26 kantonalen Strafprozessordnungen und das Bundesgesetz vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege ersetzte, kam vereinzelt Kritik an der Praxistauglichkeit auf. Im Rahmen der nun vorgeschlagenen Änderungen sollen diese kritischen Punkte angegangen werden.

Die Kommission hat sich seit Juni dieses Jahres mehrmals intensiv mit der Detailberatung der Revision der Strafprozessordnung beschäftigt und namentlich folgende Beschlüsse gefasst:

 

Teilnahmerechte

Das heutige Teilnahmerecht berechtigt die beschuldigte Person zur Teilnahme an allen Beweiserhebungen, insbesondere auch an Einvernahmen von Zeugen und im gleichen Verfahren mitbeschuldigten Personen. Die Kommission lehnt die vom Bundesrat vorgeschlagene Einschränkung der Teilnahmerechte ab und möchte beim geltenden Recht bleiben (16/9/0). Die Kommissionsmehrheit ist der Ansicht, dass es, insbesondere mit Blick auf die starke Stellung der Staatsanwaltschaft, nicht angezeigt sei wichtige Verfahrensrechte einzuschränken. Eine Minderheit spricht sich für die Variante des Bundesrates aus, welche vorsieht, dass die Staatsanwaltschaft die Teilnahme an einer Einvernahme verweigern kann, wenn sich die beschuldigte Person zum Thema der Einvernahme selber noch nicht geäussert hat. Zwei weitere Minderheiten fordern eine weitergehende Einschränkung der Teilnahmerechte. Sie sind der Auffassung, dass weit gefasste Teilnahmerechte die Wahrheitsfindung erschweren und zu Absprachen unter Mitbeschuldigten führen.

 

Beschwerdemöglichkeit für Staatsanwaltschaft

Der Entwurf des Bundesrates sieht vor, dass dem Grundsatz des doppelten Instanzenzuges folgend, zukünftig auch die Staatsanwaltschaft Entscheide des Zwangsmassnahmengerichtes mit Beschwerde anfechten können soll. Damit würde die Rechtsprechung des Bundesgerichts in die StPO überführt. Die Kommission lehnt diese Änderung allerdings ab (13/12/0) und möchte die Beschwerdemöglichkeit weiterhin ausdrücklich nur der beschuldigten Person gewähren. Eine Minderheit beantragt, in dieser Frage dem Vorschlag des Bundesrates zu folgen.

 

DNA-Profile

Gemäss der heutigen Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Erstellung eines DNA-Profils nicht nur für die Aufklärung der Anlasstat zulässig, sondern auch, wenn «erhebliche und konkrete Anhaltspunkte» dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere – bereits begangene oder künftige – Delikte von gewisser Schwere verwickelt sein könnte. Bezüglich begangener Delikte sieht der Bundesrat in seinem Entwurf nun vor, dass DNA-Profile bereits erstellt werden dürfen, wenn «konkrete Anhaltspunkte» darauf hinweisen, dass die beschuldigte Person weitere Verbrechen oder Vergehen begangen haben könnte. Die Kommission möchte noch einen Schritt weitergehen und hat sich dafür ausgesprochen, dass eine «gewisse Wahrscheinlichkeit» dafür genügen soll (12/11/2). Eine Minderheit ist der Ansicht, dass ein DNA-Profil nur zur Aufklärung der Anlasstat erstellt werden können soll. Eine weitere Minderheit spricht sich dafür aus, DNA-Profile nur dann zu erstellen, wenn konkrete Anhaltspunkte für weitere Verbrechen vorhanden sind, nicht aber bei konkreten Anhaltspunkten für weitere Vergehen.

 

Bezüglich der Aufklärung zukünftiger Taten, beantragt der Bundesrat, dass das Gericht bei einer verurteilten Person anordnen kann, ein DNA-Profil zu erstellen, wenn wiederum «konkrete Anhaltspunkte» vorliegen, dass die Person in Zukunft weitere Verbrechen oder Vergehen verüben könnte. Die Kommission lehnt dies ab und möchte beim geltenden Recht bleiben (13/12/0), welches eine solche Massnahme nur vorsieht, wenn ein gewisses Mindeststrafmass erreicht wurde bzw. eine Verurteilung wegen bestimmter Delikte oder die Anordnung einer therapeutischen Massnahme oder Verwahrung vorliegt. Eine Minderheit vertritt die Meinung, dass bei allen verurteilten Personen ein DNA-Profil erstellt werden können sollte.

 

Siegelung

Die Kommission beauftragte die Verwaltung im Rahmen der Detailberatung, eine Arbeitsgruppe zu bilden, um neue Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das Entsiegelungsverfahren beschleunigt werden könnte. Die Kommission befürwortet ohne Gegenstimme die von der Arbeitsgruppe ausgearbeitete Formulierung, welche gegenüber dem Entwurf des Bundesrates u.a. eine klarere und engere Umschreibung der versiegelten Aufzeichnungen oder Gegenstände, sowie eine präzise und straffe Regelung des Entsiegelungsverfahrens beim Zwangsmassnahmengericht vorsieht.

 

Konzept «Justice Restaurative»

Das Prinzip der «justice restaurative» sieht vor, dass sich beide Parteien in einem Strafverfahren auf ein Mediationsverfahren einigen können. Ziel ist es, dass sich beide Parteien aktiv an der Lösung der durch die Straftat entstandenen Schwierigkeiten beteiligen. Das Ergebnis eines solchen Mediationsverfahrens könnte durch die Strafbehörde berücksichtigt werden. Der Bundesrat lehnt die Einführung einer umfassenden «justice restaurative» im Rahmen der vorliegenden Revision entsprechend den Forderungen aus der Vernehmlassung sowie des Postulats Mazzone 18.4063 ab. Die Kommission beantragt hingegen, das Konzept der «justice restaurative» in die Strafprozessordnung aufzunehmen (15/6/3). Entsprechend beantragt die Kommission ihrem Rat, das Postulat Mazzone – entgegen dem Antrag des Bundesrates – zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzuschreiben. Eine Minderheit lehnt die Einführung des Konzepts der «justice restaurative» ab.

 

Verdeckte Ermittlung

Die Kommission hat einstimmig beschlossen, die verdeckte Ermittlung im Bereich der Kinderpornographie zu erleichtern. Diese soll von der Strafbarkeit ausgenommen werden, soweit die verwendeten Gegenstände oder Vorführungen nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben.

 

Das Geschäft wird voraussichtlich in der Frühjahrssession 2021 im Nationalrat behandelt.

 

Die Kommission tagte am 5./6. November unter dem Vorsitz von Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle (SP, GE) in Bern.

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