Entscheid des Presserates betreffend „blick.ch“ Nr. 4/2019: Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung / Native Advertising

Der Schweizerische Presserat beurteilte im Entscheid Nr. 4/2019 die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung / Native Advertising. Diese Trennung wurde vom blick.ch nicht ausreichend vorgenommen. Der Entscheid besagt folgendes:

(X. c. «blick.ch»)

Zusammenfassung

I. Sachverhalt

A. Am 2. Juli 2018 publiziert das Onlineportal «blick.ch» einen Beitrag mit dem Titel «Ist IQOS weniger schädlich als eine Zigarette?» (https://sponsored.blick.ch/iqos/ist-iqos-weniger-schadlich-als-eine-zigarette/). In der Dachzeile heisst es unterhalb des IQOS-Logos: «IQOS ist ein Tabakprodukt ausschliesslich für erwachsene Raucher, die eine Alternative suchen». Eine Autorenzeile, wie sie bei Artikeln auf «blick.ch» üblich ist, fehlt.

Im Beitrag wird berichtet, dass in Neuenburg mehr als 400 Wissenschaftler für Philip Morris International an der «rauchfreien Zukunft» forschen. Dazu gehöre nicht nur die Entwicklung und Verbesserung von Produkten, sondern auch die Erforschung der Frage, wie schädlich der Tabakdampf sei, den die neuartigen Geräte produzierten. Mehrfach zitiert wird ein Mitarbeiter mit dem Titel «Director Product Stewardship», der an anderer Textstelle auch als «Toxikologe» bezeichnet wird. Er sagt: «Unsere Ergebnisse für erhitzten Tabak sind ermutigend. Wir können heute mit Sicherheit sagen, dass dabei 90 bis 95 Prozent weniger schädliche Bestandteile entstehen als bei Zigaretten, und dass IQOS wahrscheinlich weniger schädlich ist, als weiterhin zu rauchen. Das bedeutet aber nicht, dass IQOS risikofrei ist.»

Weiter unten im Artikel wiederholt er in ähnlichen Worten: «Wir sind sehr zufrieden. Was wir jetzt schon mit Sicherheit sagen können: IQOS ist eine bessere Wahl als weiter Zigaretten zu rauchen. Im Tabakdampf sind im Schnitt 90 bis 95 Prozent weniger schädliche Bestandteile als im Rauch von herkömmlichen Zigaretten. IQOS ist mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger schädlich.»

Am Ende des Beitrags heisst es: «Dies ist ein bezahlter Beitrag. ‹In Kooperation mit…› bedeutet, dass Inhalte im Auftrag eines Kunden erstellt und von diesem bezahlt werden. Dieser Sponsored Content wird vom Brand Studio produziert.» Unmittelbar darunter wird angegeben: «Video-Footage: Brand Studio – Fotos: Daniel Kellenberger/Philippe Rossier/Philip Morris SA – Umsetzung: Conplido GmbH».
Im auf den Artikel verlinkenden sogenannten Teaser auf der Hauptseite «blick.ch» – einem Bild mit der Überschrift «High Tech am Neuenburgersee» und dem Titel «430 Forscher tüfteln am Ende der Zigarette» – ist links oben in verhältnismässig kleiner Schrift das Logo der Firma IQOS zu sehen sowie unmittelbar darunter der Text «In Kooperation mit IQOS».

B. Am 5. Juli 2018 erhebt X., Arzt mit Spezialgebiet Innere Medizin und Pneumologie, beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen «blick.ch». Er macht eine Verletzung von Richtlinie 10.1 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» geltend, da die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung bei dem fraglichen Artikel nicht erkennbar sei. Seiner Beschwerde legt X. lediglich ein Bild des Teasers bei.

Erst nach Analyse entstehe in einem mit der Materie vertrauten Betrachter der Verdacht, dass es sich um Werbung handeln müsse, schreibt X. «Einem mit der Materie nicht vertrauten Betrachter kann dieser Zusammenhang nicht klar werden.» Dem unbefangenen Betrachter könnten die auf dem Teaser links oben platzierten Angaben «IQOS / In Zusammenarbeit mit IQOS» nicht vermitteln, dass er zu einer Werbung gelange, wenn er auf den Beitrag klicke.

Der auf «blick.ch erschienene Beitrag sei somit eine «Irreführung» der Leserschaft, so der Beschwerdeführer. Anstelle eines journalistischen Artikels werde ihr ein Beitrag vorgesetzt, der Bestandteil eines systematischen «content marketing» von Philip Morris in Schweizer Medien sei. Mit der Argumentation, seine neuartigen Tabakprodukte seien weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten, verfolge der Konzern das Ziel, (weitere) Werbebeschränkungen zu verhindern. Dabei sei nicht erwiesen, dass die sogenannten «reduce risk products» überhaupt weniger schädlich seien als gewöhnliche Zigaretten – vielmehr würden eine Mehrzahl der Experten sowie die Weltgesundheitsorganisation diese für die öffentliche Gesundheit positive Vision bestreiten, so der Beschwerdeführer.

Solch einordnende Informationen zu verschweigen, sei für ein Medium, das der Information seiner Leserschaft verpflichtet ist, weder professionell noch ethisch akzeptabel, schreibt der Beschwerdeführer. Durch die als redaktioneller Beitrag getarnte Werbung mache sich «der Autor» zum Komplizen der Tabakindustrie, welche die öffentliche Meinung, Politiker und Parlamentarier zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nachteil des öffentlichen Interesses desinformiere. Dies geschehe in einem heiklen Moment, stehe die politische Debatte um das Werbebeschränkungen vorsehende Tabakproduktegesetz doch unmittelbar bevor.

C. Mit Schreiben vom 25. Juli 2018 ergänzt der Beschwerdeführer, im Zusammenhang mit seiner Beschwerde kein Gerichtsverfahren eingeleitet zu haben.

D. Nach gutgeheissenem Gesuch um Fristerstreckung antwortet das anwaltlich vertretene Onlineportal «blick.ch» am 28. September 2018. Zunächst schreibt es, dass die vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellte Beilage – ein Bild des Teasers – völlig ungenügend sei, um als Beschwerdegegenstand dienen zu können. Im Mittelpunkt der Beschwerde stehe nämlich nicht der Teaser, der auf «blick.ch» während längstens 24 Stunden sichtbar sei, sondern der zugehörige Artikel; nur schon deshalb, weil sich nur da überhaupt die Frage nach der Trennung von Redaktion und Werbung stellen könne. Von sich aus reicht die Beschwerdegegnerin den Artikel ein.

Sie argumentiert, der Beitrag enthalte mehrere eindeutige Hinweise, die der Beschwerde die Grundlage entzögen. So sei der Artikel gar nicht auf der Hauptseite «blick.ch» abrufbar, sondern auf der gesonderten Webseite «sponsored.blick.ch», wie die URL klar mache. Zudem stehe am Ende des Beitrags in fetter Schrift, dass es sich um einen bezahlten Beitrag handle. Dieser «sowieso schon klare Hinweis» werde dann noch ergänzt mit der Erklärung, «in Kooperation mit…» bedeute, dass Inhalte im Auftrag eines Kunden erstellt und von diesem bezahlt würden, wobei dieser Sponsored Content vom Brand Studio produziert werde.

Zudem unterschieden sich die Typografien des Beitrags und des Teasers bezüglich Seitenfall, Aufmachung und Spaltenanordnung stark von Artikeln, wie sie im redaktionellen Teil von «blick.ch» zu finden seien. Ferner sei jedem vernünftigen Leser klar, dass ein derart einseitiger Beitrag, in dem nur gerade ein Gewährsmann – ein Mitarbeiter von Philip Morris – zu Wort komme, kein Beitrag nach klassischen journalistischen Kriterien sein könne.

Kurzum: «Der Artikel ist als bezahlte Werbung erkennbar und unmissverständlich auch noch so bezeichnet.» Auch der unbefangene Leser könne sich über den werblichen Charakter des Textes gar nicht irren.

Allein darum aber und nicht um allfällige gesundheitliche Bedenken gegenüber den neuartigen Tabakprodukten könne es bei der Beurteilung dieser medienethischen Beschwerde gehen, so das Onlineportal. «Es geht nicht darum, ob die neuen Tabakprodukte anstelle von Zigaretten sozusagen das Austreiben des Teufels mit [dem] Beelzebub sind, sondern ob der beanstandete Artikel als Werbung erkennbar ist.» Nichtsdestotrotz: Selbst in dieser werblichen Darstellung werde nicht verschwiegen, dass auch der Gebrauch von IQOS risikobehaftet sei; wiederholt und sogar bereits im Titel werde auf die grundsätzliche Schädlichkeit des Produkts hingewiesen, ferner stehe ganz am Ende des Beitrags in allen Schweizer Amtssprachen: «Dieses Tabakerzeugnis kann Ihre Gesundheit schädigen und macht abhängig.»

E. Der Presserat wies die Beschwerde seiner 1. Kammer zu, der Francesca Snider (Kammerpräsidentin), Dennis Bühler, Ursin Cadisch, Michael Herzka, Klaus Lange, Francesca Luvini und Casper Selg angehören.

F. Die 1. Kammer des Presserats beriet den Fall an ihrer Sitzung vom 11. Februar 2019 sowie auf dem Korrespondenzweg.

II. Erwägung

In der zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (nachfolgend: «Erklärung») gehörenden Richtlinie 10.1 wird postuliert, Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte seien gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar seien, müssten sie explizit als Werbung deklariert werden. Hat sich das Onlineportal «blick.ch» an diese Regelung gehalten? Zu unterscheiden ist zwischen dem von Philip Morris bezahlten Artikel «Ist IQOS weniger schädlich als eine Zigarette?» und dem darauf verlinkenden Teaser.

Zunächst zum auf der Hauptseite «blick.ch» publizierten Teaser. Der Presserat weist die Argumentation der Beschwerdegegnerin zurück, wonach sich diesbezüglich die Frage nach der Trennung von Redaktion und Werbung gar nicht stellen könne – selbstverständlich gilt die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» auch für Teaser; dies unabhängig von der Dauer, während der dieser für das Publikum sichtbar ist. In der linken oberen Ecke des auf der Hauptseite «blick.ch» publizierten Teaserbildes steht in kleiner Schrift «‹IQOS› – In Kooperation mit IQOS» (wobei immerhin das «IQOS»-Logo verwendet wird). Darüber hinaus unterscheidet sich der Teaser optisch und gestalterisch nicht von den übrigen auf der Seite auffindbaren, auf journalistische Artikel verlinkenden Teasern. Der erwähnte Hinweis genügt nicht, da der Durchschnittsleser kaum wissen wird, dass es sich bei einer solchen Kooperation um nichts anderes als Werbung handelt (d.h. eine Geschäftsbeziehung zwischen Werbetreibendem und Medium, bei der Geld fliesst). Richtlinie 10.1 der «Erklärung» ist sehr klar: Sie verlangt, dass werberische Inhalte, die nicht optisch eindeutig als Werbung erkennbar sind, explizit als «Werbung» deklariert werden müssen. «blick.ch» verletzt diese Richtlinie mit der Publikation des Teasers, der lediglich eine «Kooperation» ausweist.

Nicht verletzt hat «blick.ch» die «Erklärung» hingegen mit dem Artikel, auf den der Teaser verweist. Irrelevant ist dabei, dass der Beitrag nicht auf der Hauptseite «blick.ch», sondern auf einer gesonderten Webseite «sponsored.blick.ch» mit eigener URL abrufbar ist. In Betracht fallen vielmehr die folgenden vier Aspekte – die zwei ersten beziehen sich auf die optische Gestaltung und sind ausschlaggebend: Auf eine Werbung schliessen lässt erstens ein schwarzes Banner mit den beiden Markenlogos und dem Hinweis, IQOS sei ein Tabakprodukt ausschliesslich für erwachsene, eine Alternative suchende Raucher. Dieses Banner bleibt am oberen Bildschirmrand fixiert, wenn der oder die Leser/in nach unten scrollt. Zweitens unterscheidet sich die Aufmachung des Beitrags von gewöhnlichen Artikeln auf «blick.ch»: Die Schriftfarbe ist grau statt schwarz, die Spaltenbreite rund doppelt so gross. Drittens steht am Ende des Artikels in allen drei Schweizer Amtssprachen ein Satz, dessen Wortlaut an die einschlägige Werbung erinnert: «Dieses Tabakerzeugnis kann Ihre Gesundheit schädigen und macht abhängig.» Und viertens findet sich als Fussnote der folgende Hinweis, wobei der folgende erste Satz gefettet ist: «Dies ist ein bezahlter Beitrag. ‹In Kooperation mit…› bedeutet, dass Inhalte im Auftrag eines Kunden erstellt und von diesem bezahlt werden. Dieser Sponsored Content wird vom Brand Studio produziert.»

Der Presserat kommt zum Schluss, dass der Artikel aufgrund seiner Aufmachung optisch eindeutig als Werbung erkennbar ist. Gestützt auf Richtlinie 10.1 muss er deshalb nicht zusätzlich explizit als «Werbung» deklariert werden. Der Presserat weist jedoch darauf hin, dass der Hinweis «bezahlter Beitrag» für sich allein nicht genügt. Er empfiehlt «blick.ch», bei der Publikation von Native Advertisings künftig nicht bloss in Fussnoten kenntlich zu machen, dass es sich um bezahlte Beiträge handelt. Das die Geschäftsbeziehung verschleiernde Wortgebilde «In Kooperation mit…», welches das Vertrauen der Leserschaft in den Journalismus zu untergraben vermag, soll grundsätzlich ersetzt werden durch den unmissverständlichen Begriff «Werbung».

III. Feststellungen

1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Das Onlineportal «blick.ch» hat mit der Publikation eines zu einem Native Advertising von Philip Morris verlinkenden Teasers gegen Ziffer 10 (Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen.

2. Nicht gegen die «Erklärung» verstossen hat «blick.ch» hingegen mit der Publikation des Native Advertising-Beitrags «Ist IQOS weniger schädlich als eine Zigarette?», da dieser wenigstens in einer zugehörigen Fussnote erkennbar als Werbung deklariert ist.

Kommentare (0)

Wir verwenden Cookies, um unsere Website und Ihr Navigationserlebnis zu verbessern. Wenn Sie Ihren Besuch auf der Website fortsetzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie hier.

Akzeptieren