Durchsetzungshaft während der Corona-Pandemie

Die Durchsetzungshaft gegen eine ausländische Person ist aufzuheben, wenn im konkreten Fall aufgrund der Corona-Pandemie eine Ausreise in absehbarer Zeit objektiv unmöglich ist, was das Bundesgericht im Urteil vom 21. Juli 2020 (2C_408/2020) erklärt hat. Nicht massgebend ist, ob die betroffene Person in der Durchsetzungshaft bei der Papierbeschaffung oder der Feststellung ihrer Identität kooperiert hat. Massgebend für eine Aufhebung von Durchsetzungshaft aufgrund der Corona-Pandemie ist das Kriterium, ob eine Ausreise letztlich in absehbarer Zeit objektiv möglich sein wird oder nicht. Dabei ist gemäss dem Bundesgericht jeder Einzelfall aufgrund seiner Umstände zu beurteilen.

Das Bundesgericht hebt im Urteil vom 21. Juli 2020 (2C_408/2020) die Durchsetzungshaft gegen einen malischen Staatsangehörigen auf. Das Migrationsamt des Kantons Zürich wies 2019 einen aus Mali stammenden Mann, auf dessen Asylgesuch nicht eingetreten worden war, weg und nahm ihn in Ausschaffungshaft. Nachdem diese verlängert worden war, wurde Durchsetzungshaft angeordnet, die mehrfach verlängert wurde. Gegen den Verlängerungsentscheid vom April 2020 erhob der Mann Beschwerde, die das Zürcher Verwaltungsgericht im vergangenen Mai in den wesentlichen Punkten abwies.

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Mannes gut und ordnet seine Entlassung aus der Durchsetzungshaft an. Sofern keine anderen Massnahmen zum Ziel führen, bildet die Durchsetzungshaft das letzte Mittel, um eine illegal anwesende ausländische Person auch gegen ihren Willen in ihre Heimat zu verbringen. Die Durchsetzungshaft ist auf eine Kooperation des Betroffenen mit den Behörden ausgerichtet (Papierbeschaffung, Klärung der Identität, Ausreise).

Massgebend für eine Aufhebung von Durchsetzungshaft aufgrund der Corona-Pandemie ist das Kriterium, ob eine Ausreise letztlich in absehbarer Zeit objektiv möglich sein wird oder nicht.

Wie das Bundesgericht jüngst im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Ausschaffung oder Landesverweisung im Hinblick auf die Corona-Pandemie festgehalten hat, ist dabei jeder Einzelfall gestützt auf die konkreten Umstände zu beurteilen.

Nicht entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang entgegen der Ansicht der Vorinstanz, ob die betroffene Person bei der Papierbeschaffung oder bei der Feststellung ihrer Identität kooperiert hat. Im konkreten Fall scheitert eine Ausreise des Betroffenen an der zeitlich nicht absehbaren, vorübergehenden Unmöglichkeit, nach Mali zurückzukehren.

Weil coronabedingt keine Flüge stattfinden, beziehungsweise Ein- oder Ausreisesperren bestehen, kann der Betroffene weder freiwillig in seine Heimat Mali reisen, noch können ihn die Behörden zwangsweise dorthin verbringen. Es liegen damit technische Hindernisse vor, die auch bei einer Kooperation des Mannes keine Rückkehr erlauben würden. Das Staatssekretariat für Migration hat in seinem Amtsbericht zwar festgehalten, dass erste afrikanische Länder inzwischen wieder Flüge aufgenommen hätten und davon auszugehen sei, dass weitere Länder – darunter Mali – folgen würden. Dabei handelt es sich indessen um blosse Vermutungen, die im vorliegenden Fall eine Aufrechterhaltung der Durchsetzungshaft nicht zu rechtfertigen vermögen.

Hier ist die zentrale Erwägung des Bundesgerichts:

«Nach dem Dargelegten bestanden im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids keine ernsthaften Aussichten darauf, dass sich der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers bzw. seine freiwillige Rückkehr innert einer vernünftigerweise absehbaren Frist technisch realisieren liessen. Die kantonalen Behörden hätten unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse die Durchsetzungshaft des Beschwerdeführers deshalb nicht verlängern dürfen. Ihr gegenteiliges Vorgehen verletzt das Übermassverbot (vgl. das Urteil 2C_323/2020 vom 18. Juni 2020 E. 3.2; BGE 140 II 409 E. 2.1 S. 411; je mit Hinweisen) sowie Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK und Art. 78 Abs. 6 lit. a AIG.» (E.5.4.3.)

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