David Rosenthal, Partner VISCHER, zur Revision des Datenschutzgesetzes (DSG)

Die Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) ist eines der wichtigsten aktuellen Gesetzgebungsprojekte und befindet sich auf der (längeren) Zielgerade. Wir haben uns zu diesem Thema mit David Rosenthal, Partner VISCHER, einem der führenden Schweizer Experten des Datenschutzrechts, hierüber unterhalten.

Sehr geehrter Herr Rosenthal, gestern haben im Parlament die wohl letzten Differenzbereinigungen zur Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) stattgefunden. Wie ist der Stand der Dinge?
Das hatten wir alle gehofft, aber dem war nicht so. Es bleiben kleine, aber hartnäckige Differenzen. Jetzt muss der Nationalrat nochmals ran, was die Sache verzögert. Knackpunkt ist noch immer die Legaldefinition des Profilings «mit hohem Risiko» – eigentlich ein kaum relevanter Streit um des Kaisers Bart, aber so ist die Politik eben. Und eine Einschränkung bei den Rohdaten zur Bonitätsprüfung, die relevant ist, ich persönlich aber für zu weitgehend halte: Sollen sie wirklich nur fünf Jahre zurückreichen dürfen?

Wann kann mit dem Inkrafttreten der Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) gerechnet werden?
Bis gestern dachten viele meiner Peers und ich, das könnte Mitte 2021 werden. Aber das scheint mir jetzt unrealistisch. Wartet der Nationalrat bis zur Herbstsession und wird dann im Winter verabschiedet – an ein Scheitern der Übung will niemand denken –, dann braucht es noch Zeit für die Referendumsfrist und die Verordnungen, für die eine Vernehmlassung geplant ist. Also vielleicht noch 2021.

Die Europäische Union (EU) entscheidet nächste Woche über die Anerkennung der Gleichwertigkeit der schweizerischen Datenschutzgesetzgebung. Welches Resultat erwarten Sie hier?
Nun ja, ich erwartete seit je her eine erneute Bestätigung der Angemessenheit und tue das immer noch; die EU hat auch ein Interesse am freien Datenfluss in die Schweiz daran, und das Datenschutzniveau in der Schweiz ist gut. Die noch offenen Punkte in der Revision sind nicht EU-relevant. Aber die Revision selbst ist noch nicht in trockenen Tüchern. Das weiss auch die Europäische Kommission. Ich würde da einen Vorbehalt machen, um Druck zu machen. Sie hat die Bekanntgabe ihres Entscheids jedenfalls schon mehrfach verschoben. Im Moment ist der 10. Juni anvisiert, hört man munkeln.

Welches sind die praktisch relevantesten Punkte der Revision des DSG?
Wie und wann Personendaten bearbeitet werden dürfen, ändert sich eigentlich nicht wirklich. In den meisten Fällen braucht es weiterhin keine Einwilligung um Daten zu bearbeiten, und auch Profiling ist weiterhin möglich. Was sich ändert ist das ganze Drumrum: Eine breite Pflicht zur Datenschutzerklärungen, eine Meldepflicht bei falsch versendeten, verlorenen gegangenen oder gehackten Personendaten, ausgebaute Pflichten zur Dokumentation der eigenen Datenbearbeitungen. Und was viele von uns wohl noch gar nicht richtig realisiert haben: Eine strafbewehrte Schweigepflicht, die jetzt grundsätzlich alle Berufe betrifft.

Welche Auswirkungen haben diese auf den anwaltlichen Beratungsbedarf?
Datenschutz ist nicht jedermanns Sache. Viele haben dafür kein Gefühl und wissen darum nicht, wie sie mit all den Grundsätzen, Interessenabwägungen und der ganzen Governance in der Praxis umzugehen haben, wo sie anfangen und mit welcher Flughöhe sie die diversen Vorgaben angehen sollen. Das Gesetz ist ja nicht sehr spezifisch. Hinzu kommt, dass sich das DSG weiterhin nicht immer und überall einhalten lässt, also brauchen Klienten Hilfe bei der Einschätzung der Risiken und Festlegung der Prioritäten. Kommt hinzu, dass wir nicht einfach die DSGVO der EU kopieren. Unternehmen wollen darum immer häufiger wissen, wo es möglich ist, weniger weit zu gehen als unter der DSGVO; in vielen Bereichen gilt sie in der Schweiz nicht. Wir haben hier ein eigenes Datenschutzrecht, das autonom und entsprechend unserer Rechtstradition ausgelegt werden muss, auch wenn es sich an die DSGVO anlehnt. Das hat auch das Parlament klargemacht. Ich bin derzeit an der Neufassung meines Kommentars zum DSG und kann zu dieser Diskussion damit hoffentlich etwas beitragen.

Bei den Sanktionen nimmt das DSG neu Entscheidungsträger von Unternehmen und, etwa im Gegensatz zur EU, nicht die Unternehmen selber mit umsatzabhängigen Bussen ins Visier. Wie beurteilen Sie den strafrechtlichen Schweizer Ansatz?
Es gibt Leute, die halten die Schweizer Strafen viel zu gering im Vergleich zu den horrenden Bussen in den EU. Das geht jedoch an der Sache vorbei, denn hierzulande können die Strafen den einzelnen Mitarbeiter treffen, und nicht nur die Chefs. Die Busse muss aus dem eigenen Sack bezahlt werden und lässt sich nicht versichern. Das wird seine Wirkung nicht verfehlen. Richtig finde ich das nicht, aber so war eben der Entscheid des Bundesrats, weil uns noch ein vernünftiges Verfahrensrecht für Bussen gegen Unternehmen fehlt. Ich glaube, es wird in der Praxis selten zu Bussen kommen. Es ist bei uns nicht der Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte, der sie aussprechen darf. Das ist Sache der Kantone, und die haben sicher keinen Drang, Datenschutzpolizei zu sein. Überdies ist der Deliktskatalog eingeschränkt und manches sind Vorsatz- und Antragsdelikte.

Sie hatten gestern, am 2. Juni 2020, ihren ersten Arbeitstag als Partner von VISCHER. Wie haben Sie diesen erlebt?
Ich bin natürlich kaum zum Arbeiten gekommen, auch wenn schon das erste neue Mandat gekommen ist. Das freute mich natürlich. Ich habe mich mit sehr vielen Freunden, Klienten und anderen Menschen ausgetauscht, jede Menge schöne Mails erhalten, auf die ich geantwortet habe. Und dann gab es die ganzen Fragen der Organisation und Informatik; da gibt es viel, was ein Neuer im Büro kennenlernen muss. Doch rund 19 Jahre bei einer top-organisierten Kanzlei wie Homburger waren da eine gute Schule. So glaube ich, dass ich mich rasch zurechtfinden werde. Ich war froh zu sehen, dass VISCHER manche derselben oder der ähnlichen IT-Tools einsetzt, das macht es einfacher. Ich freue mich jedenfalls sehr auf die Arbeit, auf die Klienten, ihre Sorgen und ihre Vorhaben, und vor allem darauf, wieder mit und in einem breit aufgestellten Team zusammenzuarbeiten. Jetzt muss ich mir nur noch die Namen zu den vielen neuen Gesichtern merken.

Hier geht es zu unserem Bericht über den Eintritt von David Rosenthal als Partner bei VISCHER.

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