Bundesgericht schützt Entzug der Assistenzbewilligung eines Zürcher Zahnarztes wegen fehlender Vertrauenswürdigkeit

Im Urteil 2C_236/2020 vom 28. August 2020 hatte das Bundesgericht über den Entzug einer Assistenzbewilligung eines Zahnarztes durch den Kanton Zürich zu beurteilen. Diese wurde ihm aufgrund des Fehlens des personenbezogenen Kriteriums der Vertrauenswürdigkeit entzogen. Der Kanton Zürich verlangt sowohl für die Assistenzbewilligung als auch für die Berufsausübungsbewilligung das Vorliegen der Vertrauenswürdigkeit (anders etwa als der Kanton Bern). Das Bundesgericht schützte das Vorgehen der Zürcher Gesundheitsbehörden und sah auch keine Beanstandungen bei den betreffenden Normen des Gesundheitsgesetzes des Kantons Zürich (GesG ZH).

Sachverhalt

Mit Verfügung vom 9. Februar 2018 entzog der Kantonszahnärztliche Dienst Zürich der A. AG für B. DDS am 20. Dezember 2013 ausgestellte Assistenzbewilligung. Die dagegen von der A. AG und B. erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben erfolglos. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 16. März 2020 beantragen die A. AG (Beschwerdeführerin 1) und B. DDS (Beschwerdeführer 2) die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Die Gesundheitsdirektion, der Kantonszahnärztliche Dienst und die Vorinstanz beantragen in ihren Vernehmlassungen jeweils die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen des Bundesgerichts

Rechtlich ist dieses Urteil des Bundesgerichts aus verschiedenen Gründen sehr interessant. Es behandelt zentrale Themen wie die Vereinbarkeit von kantonalem Gesundheitsrecht mit dem verfassungsmässigen Willkürverbot (Art. 9 BV) sowie dem einschlägigen, übergeordneten Recht (vgl. Art. 49 Abs. 1 BV). Das Bundesgericht setzte sich weiter ausführlich mit der Abgrenzung der Kompetenzen im Gesundheitsbereich zwischen Bund und Kantonen, insbesondere dem MedBG, sowie verschiedenen Aspekten der Gesundheitsgesetzgebung des Kantons Zürich auseinander. Weiter ging es um den verfassungsmässigen Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Hier werden nur ausgewählte Punkte aufgegriffen. Eine umfassende akademische Diskussion des Urteils würde hier den Rahmen sprengen.

Auszüge aus dem Curriculum des Zahnarztes

Unbestritten waren vor Bundesgericht die folgenden Aspekte aus dem Curriculum des Zahnarztes: Letzterem werden vier Strafregistereinträge vorgehalten, nämlich wegen (1) Verletzung von Verkehrsregeln und Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit (Motorfahrzeugführer), (2) Fahrens in fahrunfähigem Zustand, (3) Hinderung einer Amtshandlung, Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit sowie Fahrens ohne Führerausweis trotz Entzug, und (4) einfacher Körperverletzung, Beschimpfung sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. In Bezug auf letztgenanntes, strafrechtliches Vorkommnis reichte der Beschwerdeführer 2 im Rahmen des Gesuchs um Bewilligung einer selbständigen Berufsausübung als Zahnarzt vom 7. Mai 2015 trotz mehrmaliger Aufforderung nicht den vollständigen, ungeschwärzten Strafbefehl beim Kantonszahnärztlichen Dienst ein. Ein weiteres Strafverfahren gegen den [Zahnarzt] wegen Pfandverheimlichung und Pfändungsbetrug wurde eingestellt, weil ersterer sich um die zeitnahe Deckung der ausstehenden Pfändungsbeträge bemühte. Schliesslich ergibt sich aus einem Polizeirapport der Kantonspolizei Zürich vom 13. Januar 2017, dass der [Zahnarzt] seit 2015 sporadisch Marihuana und Mitte Dezember 2016 Kokain konsumiert hatte. Im Weiteren war der [Zahnarzt] trotz fehlender Bewilligung für die betroffenen Standorte (sowohl für die unselbständige wie die selbständige Berufsausübung) in den Jahren 2014 bis 2017 für die Zahnarztpraxen [X. und Y.] als Zahnarzt tätig und rechnete diesbezüglich gar als selbständig Erwerbender ab. Zudem führte der [Zahnarzt], obwohl der Kantonszahnärztliche Dienst ihm dies untersagt hatte, den Titel „Dr. med. dent.» (E.3.1).

Kanton Zürich verlangt auch bei Assistenzbewilligung Prüfung der Vertrauenswürdigkeit des Zahnarztes (Unterschied zur Regelung im Kanton Bern)

Der Beschwerdeführer beanstandet, dass der Kanton Zürich auch bei unter fachlicher Aufsicht tätigen universitären Medizinalpersonen, d.h. für die Ausstellung einer Assistenzbewilligung nach kantonalem Recht, neben anderen (fachlichen) Voraussetzungen auch das personenbezogene Kriterium der Vertrauenswürdigkeit voraussetzt. Für Zahnärztinnen und Zahnärzte sind deshalb im Kanton Zürich die die personenbezogenen Bewilligungsvoraussetzungen für fachlich eigenverantwortliche und unter fachlicher Aufsicht tätige Personen dieselben. Der Kanton Bern hat diesbezüglich eine andere Lösung gewählt. Gemäss dessen Bestimmungen müssen Gesundheits­fachpersonen (z. B. Zahnärzte), welche unter fachlicher Aufsicht und Verantwortung einer Gesundheitsfachperson mit Berufsausübungsbewilligung tätig sind, zwar fachlich ausgebildet sein, aber nicht das Element der Vertrauenswürdigkeit erfüllen; sie benötigen im Gegensatz zu fachlich eigen­verantwortlich tätigen Gesundheitsfachpersonen keine Berufsaus­übungs­bewilligung. Der Unterschied zwischen den Regelungen der Kantone Zürich und Bern besteht darin, dass es im Kanton Bern dem fachlich eigenverantwortlich tätigen Zahnarzt überlassen wird, allenfalls einzuschreiten, wenn unabhängig von der fachlichen Ausbildung bei einem Assistenzzahnarzt persönliche Defizite, auch solche, die nicht in direktem Zusammenhang mit der fachlichen Tätigkeit stehen, auftreten, welche die Patienten und/oder das Vertrauen in die medizinische Versorgung gefährden. Der Kanton Zürich überlässt dies nicht der fachlich eigenverantwortlich tätigen Medizinalperson, sondern möchte eine diesbezügliche Aufsicht durch den Staat bzw. den Kantonszahnärztlichen Dienst sichergestellt wissen. (E.4.1).

Das Bundesgericht hebt hervor: Letztlich geht es bei alledem damit um die Frage, wie weit und wie streng die Qualitätssicherung ausgestaltet sein soll. Der Kanton Zürich legt hier einen strengeren Massstab an. Potentiell negative Auswirkungen, insbesondere von strafrechtlichen Verfehlungen bzw. dem dahinter stehenden Verhalten auf das Wohl der Patienten, sollen möglichst verhindert werden, auch wenn das Risiko „nur“ von einer unter fachlicher Aufsicht tätigen Medizinalperson ausgeht. Diesbezüglich ist durchaus festzuhalten, dass es einer fachlich eigenverantwortlich tätigen Medizinalperson bzw. Gesundheitsfachperson schwer fallen dürfte, ohne Einblick in den Strafregisterauszug einer beaufsichtigten Medizinalperson auf ausserberufliche, strafrechtliche Verfehlungen aufmerksam zu werden, welche durchaus das Patientenwohl gefährden können (z. B. mehrfache Verurteilungen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand, was auf Alkoholsucht deutet und eine Gefahr für Patienten darstellt). Dass der Kanton Zürich auch für im Rahmen einer Assistenzbewilligung tätige (universitäre) Medizinalpersonen bzw. Zahnärzte den Nachweis der Vertrauenswürdigkeit verlangt, stützt sich vor diesem Hintergrund durchaus auf ernsthafte, sachliche Gründe und erscheint auch nicht als sinn- und zwecklos, krass unverhältnismässig oder in stossender Weise ungerecht. Die entsprechende Regelung ist gemäss dem Bundegericht auch nicht widersprüchlich. Für das Bundesgericht gibt es plausible Gründe, dass sowohl fachlich eigenverantwortlich wie nichteigenverantwortlich tätige Medizinalpersonen bezüglich des Kriteriums der Vertrauenswürdigkeit gleich behandelt werden. Dass der Kanton Bern diesbezüglich eine andere Regelung vorsieht und die entsprechende Aufsicht der fachlich eigenverantwortlichen Medizinalperson überlässt, führt nicht dazu, dass die Regelung des Kantons Zürich willkürlich ist. Vielmehr ist der Gestaltungsspielraum des Kantons Zürich, der sich für eine andere Lösung als der Kanton Bern entschieden hat, zu respektieren. (E.4.1).

Weiter erläurte das Bundesgericht, dass die Regelung des Kantons Zürich weder gegen das Medizinalberufegesetz (MedBG) verstösst (E.5) noch das verfassungsmässig garantierte Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt (E.6.).

Das Bundesgericht erklärt im Sinne einer Konklusion, dass die im Urteil behandelten Bestimmungen des GesG ZH verfassungskonform und bundesrechtskonform sind und weist die Beschwerde ab (E.7.1.).

Kommentar zum Urteil

Das Urteil des Bundesgerichts 2C_236/2020 vom 28. August 2020 basiert auf sehr detaillierten Ausführungen des Bundesgerichts, welches auf die Rügen der Beschwerdeführer im Detail und teilweise in akademisch hochstehender Art und Weise eingeht.

Die Take-Home-Message ist, dass gewisse Kantone bei Assistenzbewilligungen nur fachliche Voraussetzungen prüfen, andere – wie der Kanton Zürich – auch personenbezogene Voraussetzungen, wie die Vertrauenswürdigkeit. Diese Unterschiede in der Gesetzgebung liegen im zulässigen Ermessen der kantonalen Gesetzgeber. Mithin ist die strengere Praxis der Gesundheitsdirektion Zürich rechtmässig. Das Bundesgericht lässt wohl zwischen den Zeilen auch durchblicken, dass es die Zürcher Regelung angemessen und im Sinne des Schutzes der Patienten findet.

Von: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.etterlegal.ch

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