Ausschluss des Öffentlichkeitsgesetzes durch Notrecht

In der Notverordnung vom 16. März 2023 über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken hat der Bundesrat u.a. festgehalten, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten nach Öffentlichkeitsgesetz ausgeschlossen ist. Der Ausschluss der vom Öffentlichkeitsgesetz garantierten Zugangsrechte der Bürgerinnen und Bürger  über den Weg einer notrechtlichen Verordnung wirft grundsätzliche Rechtsfragen auf.

Nach der von notrechtlichen Entscheiden geprägten Phase der Pandemie und dem Rettungsschirm für die Stromwirtschaft hat der Bundesrat mit der erwähnten Verordnung vom 16. März 2023 innert kurzer Zeit ein weiteres Mal Tätigkeiten, die er seiner Verwaltung mittels Notrechts übertrug, mit dem gleichen Notrecht dem Öffentlichkeitsgesetz entzogen. Beide Fälle können den Einsatz von Steuergeldern in der Grössenordnung von Milliarden von Franken nach sich ziehen.

Das Vorgehen des Bundesrates wirft grundsätzliche Rechtsfragen auf: Aus der Begründung für den Erlass des unmittelbar auf die Bundesverfassung gestützten Notrechts zur Stützung der Elektrizitäts- oder Finanzwirtschaft lässt sich aufgrund der dem EDÖB zurzeit vorliegenden Informationen in keinem dieser Fälle eine Notwendigkeit ableiten, über den Weg des Notrechts auch noch den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger aufzuheben, das notrechtliche Wirken der Verwaltung nachvollziehen zu können. Wenn sich keine Notwendigkeit zur notrechtlichen Einschränkung der Bürgerrechte nach dem Öffentlichkeitsgesetz ergibt, stellt sich die Frage, woraus der Bundesrat das Recht ableitet, dieses Bundesgesetz auf dem Verordnungsweg aufzuheben.

Im Falle der Fortgeltung des Öffentlichkeitsgesetzes wäre der Bundesverwaltung in beiden Fällen offen gestanden, den Zugang zu amtlichen Dokumenten nach diesem Gesetz unter Anrufung des Schutzes öffentlicher und privater Interessen einzuschränken oder zumindest solange aufzuschieben, bis die Bundesversammlung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren über den Ausschluss der Verwaltungstransparenz befinden und – sofern sie einen solchen für nötig erachtet – im formellen Gesetz verankern kann.

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