Auskunft gegenüber Journalist über Eintrag im Schengener Informationssystem

fedpol muss Gesuch eines Journalisten vertieft prüfen Das Bundesgericht heisst im Urteil 1C_597/2020 vom 14. Juni 2021 die Beschwerde eines Journalisten teilweise gut, der beim Bundesamt für Polizei erfolglos um Auskunft über seine Ausschreibung im Schengener Informationssystem ersucht hatte. Das Bundesamt für Polizei darf sich für die Auskunftsverweigerung nicht mit der ablehnenden Stellungnahme des ausschreibenden Staates begnügen und muss weitere Informationen einholen. Das Bundesgericht äussert sich nicht zum ausschreibenden Staat, sondern erwähnt nur, dass dort eine Verschlechterung der Pressefreiheit stattfinde.

Der Journalist hatte das Bundesamt für Polizei (fedpol) 2019 sinngemäss um Auskunft darüber ersucht, ob er im Schengener Informationssystem (SIS) verzeichnet sei. Seit fast zwei Jahren werde er bei jeder Einreise in den Schengenraum angehalten und eingehend befragt. Nach Rücksprache mit den zuständigen Behörden des ausschreibenden Staates (das Bundesgericht äussert sich in seinem öffentlich zugänglichen Urteil nicht zum betroffenen Staat; entsprechende Passagen sind geschwärzt) verwehrte ihm das fedpol die Auskunft, weil deren Erteilung den Zweck einer Strafuntersuchung oder eines anderen Untersuchungsverfahrens in Frage stellen würde.

Das Bundesverwaltungsgericht wies 2020 die Beschwerde des Mannes in Bezug auf die Auskunft über Einträge im SIS ab.

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des Journalisten teilweise gut und weist die Sache zu weiteren Abklärungen und zu neuem Entscheid zurück ans fedpol. Die Erteilung von Auskunft über eine Ausschreibung im SIS richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem darum ersucht wird. Massgebend für die Auskunftserteilung durch die Schweizer Behörden ist das Datenschutzgesetz, das seinerseits auf die von der Schweiz zu beachtenden internationalen Verpflichtungen verweist. Eine Einschränkung des Auskunftsrechts kommt unter anderem in Betracht, wenn der Ablauf einer Untersuchung sonst erheblich gestört werden könnte. Bei der fraglichen Ausschreibung handelt es sich um einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Zudem liegt ein Eingriff in die Pressefreiheit vor. Solche Grundrechtseingriffe und Beschränkungen des Rechtsschutzes sind nur soweit zulässig, als sie in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, beziehungsweise zum Schutz überwiegender Interessen erforderlich und verhältnismässig sind. Die um Auskunft ersuchte Behörde muss sich daher vergewissern, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind; sie ist dabei nicht an die Stellungnahme des ausschreibenden Staates gebunden. Vorliegend ist unbekannt, welches Untersuchungsverfahren gegen den Journalisten geführt wird. Es fehlen nähere Angaben zum Gegenstand der Untersuchung, zu ihrer bisherigen Dauer und zur Erforderlichkeit ihrer Fortsetzung. Weitere Abklärungen durch das fedpol sind jedenfalls geboten, wenn Medienschaffende Gegenstand einer Ausschreibung sind und nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass das Schengen-System für eine Überwachung missbraucht wird. Zahlreiche Berichte heben eine Verschlechterung der Pressefreiheit im ausschreibenden Staat hervor. Unter diesen Umständen darf sich das fedpol nicht mit dessen ablehnender Stellungnahme begnügen. Es muss weitere Informationen über die Art und die Dauer der laufenden Untersuchungen einholen und überprüfen, ob sich eine Verweigerung der Auskunft rechtfertigen lässt. Diese Vorgehensweise entspricht dem Schengen-Übereinkommen und erscheint nicht geeignet, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit der Schweiz im Schengenraum und ihre Beziehungen zum ausschreibenden Staat oder zur ganzen Schengengemeinschaft ernsthaft zu gefährden.

Hier sind die Kernaussagen des Bundesgerichts im Urteil 1C_597/2020 vom 14. Juni 2021: «Unter diesen Umständen darf sich das fedpol nicht mit der negativen Stellungnahme des ausschreibenden Staates begnügen, sondern muss weitere Informationen über Art und Dauer der im ausschreibenden Staat laufenden Untersuchungen einholen und überprüfen, ob sie eine Auskunftsverweigerung rechtfertigen. Diese Vorgehensweise entspricht dem Übereinkommen und erscheint nicht geeignet, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit der Schweiz im Schengenraum und die Beziehungen der Schweiz zum ausschreibenden Staat und zur gesamten Schengen-Gemeinschaft ernsthaft zu gefährden, wie vom fedpol befürchtet.  Die Beschwerde ist daher im Eventualantrag gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu ergänzender Sachverhaltsfeststellung und neuem Entscheid an das fedpol zurückzuweisen.» (E.6.7)

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