Appellationsgericht Basel-Stadt äussert sich zum Berufungsurteil im Vergewaltigungsfall Elsässerstrasse

Das Berufungsurteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 30. Juli 2021 im Vergewaltigungsfall Elsässerstrasse hat in den Medien und in der Öffentlichkeit grosse Beachtung gefunden, insbesondere die mündliche Begründung der Gerichtspräsidentin Liselotte Henz. Aufgrund des grossen Echos, welches das Urteil sowie die mündliche Urteilsbegründung in den Medien erzeugt haben, wendet sich das Gericht heute selber an die Öffentlichkeit und legt Wert auf diverse Feststellungen zum Fall selber und zum Strafrecht im allgemeinen.

Das Appellationsgericht Basel-Stadt teilt zum Urteil vom 30. Juli 2021 im Vergewaltigungsfall Elsässerstrasse Folgendes mit:

Das Urteil wird eingehend schriftlich begründet und anonymisiert auf der Website des Appellationsgerichts (https://rechtsprechung.gerichte.bs.ch) veröffentlicht werden. Die schriftliche Urteilsbegründung ist abschliessend und vollständig. Aus diesem Grunde löst auch erst die schriftliche Urteilsbegründung die Rechtsmittelfrist für einen allfälligen Weiterzug an das Bundesgericht aus. Eine zusätzliche Kommentierung des Urteils gegenüber Medien und Öffentlichkeit wird durch das Appellationsgericht Basel-Stadt nicht erfolgen.

Da in der Öffentlichkeit offenbar zahlreiche Missverständnisse entstanden sind, wird diesen durch das Appellationsgericht Basel-Stadt bzw. den Appellationsgerichtspräsidenten lic. iur. Christian Hoenen, Vorsitzender der Abteilung Strafrecht, nun entgegengetreten.

Das Appellationsgericht Basel-Stadt legt Wert auf die folgenden Punkte:

  1. Das Urteil wurde von einem Dreiergericht und nicht von der dem Spruchkörper vorsitzenden Appellationsgerichtspräsidentin allein gefällt.
  2. Der Schuldspruch des Strafgerichts wegen Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung und sexueller Nötigung zum Nachteil des gleichen Opfers wurde vom Appellationsgericht bestätigt.
  3. Das Appellationsgericht hat die vom Strafgericht ausgefällte Strafe von 4 ¼ auf 3 Jahre reduziert.
  4. Bei Freiheitsstrafen über 2 bis zu 3 Jahren ist zwingend der teilbedingte Vollzug zu gewähren, sofern nicht aufgrund einschlägiger Vorstrafen oder sonstiger konkreter Umstände eine schlechte Rückfallprognose gestellt werden muss. Der unbedingte Anteil darf von Gesetzes wegen nicht länger sein als der bedingte (auf Bewährung) verhängte Anteil. Der im konkreten Fall ausgefällte unbedingte Strafanteil von 18 Monaten entspricht somit dem gesetzlich möglichen Maximum.
  5. Dass der Beschuldigte in wenigen Tagen aus der Haft entlassen wird, hat seinen Grund darin, dass er sich seit fast 18 Monaten in Untersuchungs-/Sicherheitshaft befindet, welche gesetzlich zwingend an die unbedingte Freiheitsstrafe anzurechnen ist.
  6. Das Gesetz sieht für jeden Straftatbestand einen sogenannten Strafrahmen vor. Innerhalb dieses Strafrahmens ist die Strafe nach dem konkreten Verschulden des Täters festzusetzen. Zu berücksichtigen sind die Schwere der Verletzung, die Verwerflichkeit des Handelns, die Beweggründe und Ziele des Täters und wie weit der Täter in der Lage war, die Verletzung zu vermeiden. Ferner sind das Vorleben des Täters, dessen persönliche Verhältnisse und die Auswirkungen der Strafe auf sein Leben zu berücksichtigen. Bemisst das Gericht die Strafe, so hat es jeweils die konkreten Tatumstände, die konkrete Situation des Täters, seinen konkreten Tatbeitrag und die konkreten Auswirkungen auf das Opfer zu berücksichtigen. Wenn dabei geprüft wird, wie der Beschuldigte die Situation interpretiert hat, geht es lediglich darum, das Verschulden des Täters zu bemessen und nicht darum, das Opfer zu disqualifizieren. Ferner muss sich das Gericht vergleichbare bereits entschiedene Fälle vor Augen halten. Die Strafe muss deshalb nach den Grundsätzen der Rechtsgleichheit ausgesprochen werden. Vergleichbares Verschulden soll vergleichbar geahndet werden.
  7. Die vorstehend geschilderten Strafzumessungsgrundsätze gelten ausnahmslos für alle Tatbestände des Strafgesetzbuches. Im Bereich des Sexualstrafrechts bestehen keine anderen gesetzlichen Regeln.
  8. Das Gericht fällt seine Urteile nach dem geltenden Gesetz und nach seiner bisherigen Rechtsprechung sowie derjenigen des Bundesgerichts. Es hat die dem konkreten Einzelfall angemessene Strafe auszusprechen.
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