Walder Wyss hat im Konkurs einer Papierfabrik einen Abtretungsgläubiger erfolgreich in einem komplexen Organhaftungsfall vertreten – Urteil des Bundesgerichts vom 17. Dezember 2024, 4A_62/2024 und 4A_76/2024

Der Fall betraf die Verantwortlichkeit der Organe der Papierfabrik für eine Dividendenausschüttung. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, inwieweit Rückstellungen für Sanierungsmassnahmen hätten gebildet werden müssen bzw. ob die vorgenommene Dividendenausschüttung pflichtwidrig war. Die Beklagten, insbesondere die ehemalige Verwaltungsrätin, und der weitere Beklagte, der als faktisches Organ fungierte, wurden für den finanziellen Schaden der Gesellschaft verantwortlich gemacht. Mit Urteil des Bundesgerichts vom 17. Dezember 2024, 4A_62/2024 und 4A_76/2024 bestätigte das Bundesgericht die Haftung der Beklagten und wies deren Beschwerden ab. Es stellte fest, dass die Beklagten ihre Pflichten verletzt haben, indem sie die notwendigen Rückstellungen nicht gebildet und stattdessen eine Ausschüttung vorgenommen haben.

Team von Walder Wyss

Der Abtretungsgläubiger wurde im Verfahren vertreten durch das Team von Walder Wyss bestehend Prof. Dr. Hans Rudolf TrüebOliver M. Kunz und Sophie Püschel-Arnold.

Schlüsselausführungen des Bundesgerichts im Urteil 4A_62/2024 und 4A_76/2024 vom 17. Dezember 2024

Hier sind einige der Schlüsselausführungen des Bundesgerichts im Urteil 4A_62/2024 und 4A_76/2024 vom 17. Dezember 2024:

«Nach Art. 717 Abs. 1 OR müssen die Mitglieder des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren. Die gesetzlich normierte Treuepflicht verlangt, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats ihr Verhalten am Gesellschaftsinteresse ausrichten. Für die Sorgfalt, die der Verwaltungsrat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft aufzuwenden hat, gilt ein objektiver Massstab. Die Verwaltungsräte sind zu aller Sorgfalt verpflichtet und nicht nur zur Vorsicht, die sie in eigenen Geschäften anzuwenden pflegen. Das Verhalten eines Verwaltungsratsmitglieds wird deshalb mit demjenigen verglichen, das billigerweise von einer abstrakt vorgestellten, ordnungsgemäss handelnden Person in einer vergleichbaren Situation erwartet werden kann. Die Sorgfalt richtet sich nach dem Recht, Wissensstand und den Massstäben im Zeitpunkt der fraglichen Handlung oder Unterlassung. Bei der Beurteilung von Sorgfaltspflichtverletzungen hat mithin eine ex ante Betrachtung stattzufinden (BGE 139 III 24 E. 3.2; Urteil 4A_642/2016 vom 27. Juni 2017 E. 2.1).» (E.6.1.1).

«Das Bundesgericht anerkennt, dass sich die Gerichte Zurückhaltung aufzuerlegen haben bei der nachträglichen Beurteilung von Geschäftsentscheiden, die in einem einwandfreien, auf einer angemessenen Informationsbasis beruhenden und von Interessenkonflikten freien Entscheidprozess zustande gekommen sind (BGE 139 III 24 E. 3.2). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, prüft das Gericht den Geschäftsentscheid in inhaltlicher Hinsicht lediglich darauf, ob er als vertretbar erscheint. Andernfalls rechtfertigt es sich dagegen nicht, bei der Prüfung der Sorgfaltspflichtverletzung besondere Zurückhaltung zu üben und nur zu prüfen, ob der Entscheid noch im Rahmen des Vertretbaren liegt. Vielmehr reicht es dann aus, dass ein Geschäftsentscheid in der gegebenen Situation bei freier bzw. umfassender Prüfung als fehlerbehaftet erscheint (Urteile 4A_642/2016 vom 27. Juni 2017 E. 2.1; 4A_219/2015 vom 8. September 2015 E. 4.2.1). Diese vom Bundesgericht verwendete Formulierung zur Einschränkung seiner Überprüfung und den diesbezüglichen Voraussetzungen bezieht sich auf Geschäftsentscheide. Die innere Begründung dieser Praxis ergibt sich daraus, dass sich das Gericht nicht anmasst, eigentliche unternehmerische Entscheide im Nachhinein besser beurteilen zu können als die damalig im konkreten Geschäft tätigen verantwortlichen Personen. Demgegenüber eignen sich andere Aufgaben des Verwaltungsrats, namentlich Kontroll- und Organisationsaufgaben, für eine justizmässige Nachkontrolle (Urteil 4A_623/2018 vom 31. Juli 2019 E. 3.1, nicht publ. in BGE 145 III 351).» (E.6.1.2).

«Wird ein Geschäftsentscheid getroffen, hinsichtlich dem ein Interessenskonflikt besteht, ist dies nicht per se pflichtwidrig, begründet aber eine dahingehende tatsächliche Vermutung. Eine solche betrifft die Beweiswürdigung und lässt die Beweislastverteilung unberührt; entsprechend trägt nach wie vor der Verantwortlichkeitskläger die Beweislast für die Pflichtwidrigkeit (Urteil 4A_642/2016 E. 2.1; 4A_259/2016, 4A_267/2016 vom 13. Dezember 2016 E. 5.2).» (E.6.1.3).

«Von der Organhaftung nach Art. 754 OR erfasst – und damit passivlegitimiert – sind nicht nur Mitglieder des Verwaltungsrats, sondern alle mit der Geschäftsführung betrauten Personen. Als solche gelten nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur Entscheidungsorgane, die ausdrücklich als solche ernannt worden sind, sondern auch faktische Organe, das heisst Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen (BGE 132 III 523 E. 4.1; 128 III 92 E. 3a; Urteil 4A_294/2020 vom 14. Juli 2021 E. 3.1). Dabei sind faktische Organe auch für pflichtwidrige Unterlassungen verantwortlich, wenn im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ein Tätigwerden erforderlich gewesen wäre (BGE 128 III 92 E. 3a; Urteil 4A_268/2018 vom 18. November 2019 E. 5). Damit eine Person als faktisches Organ anerkannt wird, ist es erforderlich, dass sie die dauernde Befugnis hat, über die Erledigung des Tagesgeschäfts hinausgehende Entscheide zu treffen, dass ihre Entscheidungskompetenz selbstständig und unabhängig erscheint und dass sie auch in der Lage gewesen ist, den Eintritt des Schadens zu verhindern (BGE 136 III 14 E. 2.4; 128 III 29 E. 3a; BGE 136 III 14 E. 4.5; Urteil 4A_268/2018 vom 18. November 2019 E. 5).» (E.7.1.1).

«Die Haftung gemäss Art. 754 Abs. 1 OR setzt ein Verschulden voraus, wobei leichte Fahrlässigkeit genügt (BGE 139 III 24 E. 3.5; Urteile 4A_133/2021 vom 26. Oktober 2021 E. 7.2.2; 4A_342/2020 vom 29. Juni 2021 E. 5.2.2; 4A_15/2013 vom 11. Juli 2013 E. 8.1). Dabei gilt nach allgemein anerkannter Auffassung ein objektiver Verschuldensmassstab. Ein Verschulden ist grundsätzlich immer gegeben, wenn der in Anspruch Genommene nicht so gehandelt hat, wie es von einem sachkundigen Organ in der konkreten Stellung objektiv verlangt werden darf (Urteile 4A_133/2021 E. 7.2.2; 4A_15/2013 E. 8.1). Nur ausserordentliche Umstände können zum Schluss führen, dass das Organmitglied, das seine Pflichten verletzt hat, kein Verschulden trifft. Dies kommt dann in Frage, wenn die betreffende Person im massgeblichen Moment urteilsunfähig war oder sich absolutem Zwang ausgesetzt sah oder einem unausweichlichen Fehlschluss, namentlich infolge Täuschung durch einen Dritten, unterlag. Hingegen kann sich ein Organmitglied nicht mit dem Hinweis exkulpieren, dass es den Instruktionen einer Drittperson oder eines übergeordneten Organ folgen musste (Urteile 4A_133/2021 E. 7.2.2; 4A_342/2020 E. 5.2.2). Sind im Bereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit mehrere Personen für einen Schaden ersatzpflichtig, so ist nach Art. 759 Abs. 1 OR jede von ihnen insoweit mit den anderen solidarisch haftbar, als ihr der Schaden aufgrund ihres eigenen Verschuldens und der Umstände persönlich zurechenbar ist. Die mit dieser Bestimmung eingeführte differenzierte Solidarität bedeutet, dass der Umfang der Ersatzpflicht eines solidarisch Haftenden auch im Aussenverhältnis individuell bestimmt wird. Der Haftpflichtige kann demnach auch im Aussenverhältnis, d.h. dem Geschädigten gegenüber, geltend machen, dass ihn kein oder nur ein geringes Verschulden treffe oder für ihn allenfalls ein anderer Herabsetzungsgrund nach Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 OR gelte (BGE 132 III 564 E. 7; Urteile 4A_133/2021 E. 10.3; 4A_19/2020 vom 19. August 2020 E. 3.1.3; 4A_468/2011 vom 4. Januar 2012 E. 1.3; 4C.358/2005 vom 12. Februar 2007 E. 5.5.1). Allerdings nimmt die Rechtsprechung eine Haftungsbeschränkung wegen mitwirkenden Drittverschuldens nur mit grosser Zurückhaltung an, da sonst der Schutz des Geschädigten, den die Solidarhaftung mehrerer Schuldner ihrem Wesen nach anstrebt, weitgehend illusorisch gemacht würde (Urteil 4C.358/2005 E. 5.5.1).» (E.7.3.1).

«Die Vorinstanz hielt fest, es seien keine ausserordentlichen Umstände ersichtlich, die das Verschulden entfallen liessen. Beide Beschwerdeführer hätten mehrere Pflichtverletzungen begangen und sich damit nicht so verhalten, wie sich vernünftige Organmitglieder verhalten würden. Ihr Verschulden sei daher zu bejahen. Als diplomierter Treuhandexperte habe der Beschwerdeführer die Bedeutung der Pflicht zur Rückstellungsbildung und die Voraussetzungen einer rechtmässigen Ausschüttung kennen müssen. Dennoch habe er die mangelhafte Ausschüttung verbucht und damit eine Verminderung der Aktiven bewirkt. Das Verschulden des Beschwerdeführers sei schwer. Dementsprechend rechtfertigt sich auch keine Reduktion der Ersatzpflicht des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 43 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 2 OR.» (E.7.3.2).

Kommentare (0)

Wir verwenden Cookies, um unsere Website und Ihr Navigationserlebnis zu verbessern. Wenn Sie Ihren Besuch auf der Website fortsetzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zum Datenschutz finden Sie hier.

Akzeptieren