Rückzug der Heiratsstrafe-Initiative zulässig

Die eidgenössische Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ durfte vom Initiativkomitee zurückgezogen werden, nachdem das Bundesgericht 2019 die Abstimmung über das Volksbegehren aufgehoben hatte, wie das Bundesgericht im Urteil vom 7. Oktober 2020 (1C_105/2020, 1C_129/2020) feststellt. Die Abstimmungsfreiheit der Stimmberechtigten wird durch den Rückzug nicht verletzt.

Das Bundesgericht weist die von mehreren Personen erhobenen Beschwerden ab. Die eidgenössische Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ wurde in der Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 abgelehnt. 2019 hiess das Bundesgericht mehrere Beschwerden gut und hob die Abstimmung auf (BGE 145 I 207 und Urteil 1C_315/2018, Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 10. April 2019). Es war im Wesentlichen zum Schluss gekommen, dass die Stimmbevölkerung im Vorfeld der Abstimmung von den Behörden in Bezug auf die Anzahl der von der steuerlichen Ungleichbehandlung betroffenen Ehepaare mangelhaft informiert worden sei.

Der Bundesrat hob in der Folge den Erwahrungsbeschluss zur Abstimmung auf. Im Februar 2020 wurde bekannt, dass das Initiativkomitee seine Volksinitiative zurück – gezogen habe und der Bundesrat von der Durchführung einer zweiten Abstimmung Umgang nehme. Ein Verein und mehrere Privatpersonen erhoben dagegen Beschwerden ans Bundesgericht.

Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt. Der Rückzug einer eidgenössischen Initiative durch das Initiativkomitee ist gemäss Artikel 73 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte zulässig, bis der Bundesrat die Volksabstimmung festsetzt. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass diese Bestimmung auch nach Aufhebung einer Abstimmung bis zur Festsetzung eines neuen Abstimmungstermins anwendbar ist. Der Wortlaut der Norm bietet keine Anhaltspunkte für eine andere Interpretation. Die Bestimmung bezweckt eine zeitliche Begrenzung. Ansonsten bestünden bis kurz vor der Abstimmung Zweifel, ob diese überhaupt stattfinden kann. Dieser Zweck steht einer erneuten Gewährung des Rückzugsrechts nicht entgegen. Das Initiativkomitee hatte deshalb das Recht, seine Volksinitiative zurückzuziehen. Der Rückzug verstiess auch nicht gegen die Abstimmungsfreiheit. Gemäss Bundesverfassung besteht ein Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Das Bundesgericht hat diesem verfassungsmässigen Anspruch mit der Aufhebung der Abstimmung Nachachtung verschafft. Es ist nicht ersichtlich, weshalb darüber hinaus eine Wiederholung der Abstimmung notwendig wäre, um das Vertrauen der Stimmberechtigten in die demokratischen Prozesse wiederherzustellen. Weil es für den Rückzug keinen besonderen Grund braucht, ist dem Initiativkomitee schliesslich auch kein Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorzuwerfen.

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