Keine persönliche Assistenz für behinderten ETH-Studenten

Ein Student des Masterstudiums in Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich erhält keine persönliche Assistenz für technisch-administrative Arbeiten zum Ausgleich seiner kognitiven Einschränkungen. Die Gewährung der Assistenz würde zu einer unzulässigen Herabsetzung der fachlichen Anforderungen an das Studium führen, zu denen die Beschaffung von Daten und Informationen sowie administrative Fähigkeiten gehören entschied das Bundesgericht im Urteil 2C_248/2023 vom 20. September 2024.

Der Mann verunfallte 1995 und leidet seither unter kognitiven Einschränkungen. 2018 schloss er ein Biologiestudium an der Universität Bern ab. 2019 wurde er zu einem Masterstudium in Umweltnaturwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich zugelassen. Er stellte in der Folge ein Gesuch um Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile und beantragte die Bestellung und Finanzierung einer persönlichen Assistenz in einem 20-Prozent-Pensum für technisch-administrative Arbeiten. Dabei gehe es nicht unmittelbar um Wissenserwerb oder das Erlernen des Prüfungsstoffs, sondern um Tätigkeiten wie das Zusammensuchen, Organisieren und Ausdrucken von Unterlagen der Lehrveranstaltungen und das Anmelden zu diesen. Die ETH wies das Gesuch 2019 ab, dagegen erhobene Beschwerden an die ETH-Beschwerdekommission und an das Bundesverwaltungsgericht blieben erfolglos.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_248/2023 vom 20. September 2024

Das Bundesgericht weist die Beschwerde des Mannes im Urteil im 2C_248/2023 vom 20. September 2024 ab. Unter Berücksichtigung des verfassungs- und menschenrechtlichen Umfelds (Diskriminierungsverbot von Artikel 8 der Bundesverfassung, Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Europäische Menschenrechtskonvention, Behindertenrechtskonvention) ist das Behindertengleichstellungsgesetz (Artikel 2 BehiG) dahingehend zu interpretieren, dass das Gemeinwesen auch verpflichtet ist, aktiv auf chancengleiche Bedingungen der Teil habe von behinderten Personen an Bildung hinzuwirken. Daraus kann sich unter gewissen Voraussetzungen ein gesetzlicher Anspruch auf Bestellung und Bezahlung einer Assistenz ableiten. Entsprechende Massnahmen müssen verhältnismässig sein. Unzulässig wäre eine Massnahme, wenn sie mit einer Privilegierung der betroffenen Person einhergeht. Im konkreten Fall ist ausschlaggebend, dass die Gewährung einer Assistenz zu einer unzulässigen Herabsetzung der fachlichen Anforderungen an das Studium führen würde. Das fragliche Masterstudium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich soll die Studierenden gemäss Studienreglement zu selbständigem Arbeiten nach wissenschaftlichen Methoden befähigen. Konkretisiert wird dies durch den sogenannten Kompetenzraster der ETH. Zu den verlangten Kompetenzen gehören demnach insbesondere die Fähigkeit, Informationen und Daten zu sammeln, um Probleme zu verstehen, sowie die allgemeine Kompetenz, mit Informationen umzugehen. Das Studienreglement für Umweltnaturwissenschaften stellt weiter klar, dass gerade auch administrative Fähigkeiten eingefordert werden. Für den Studienerfolg sind somit entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch Arbeiten relevant, die nicht unmittelbar dem Wissenserwerb dienen. Es stellt eine wesentliche Kompetenz von Hochschulabsolventinnen und -absolventen dar, sich innerhalb eines gegebenen Studienprogramms zurechtzufinden. Aus diesen Gründen wurde ein Anspruch auf Bestellung und Bezahlung einer Assistenz zu Recht verneint.

Hier ist die Schlüsselausführung des Bundesgerichts im Urteil 2C_248/2023 vom 20. September 2024:

«Vor diesem Hintergrund erweisen sich die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts und die Vorbringen der ETH Zürich als zutreffend. Der Beschwerdeführer ist unstrittig studierfähig (vgl. dazu den Zulassungsentscheid der ETH-Beschwerdekommission vom 27. August 2019). Er ist daher im Grundsatz im Stand, administrative Arbeiten im Rahmen eines Studiums – wie das Vorbereiten von Vorlesungen oder das Ausdrucken von Studienunterlagen – selbst wahrzunehmen. Die Suche und die Identifikation der für das Erreichen der Lernziele wesentlichen Informationen bilden einen Aspekt der methodenspezifischen Kompetenz der ETH (vgl. dazu das Kompetenzraster). Das Studienreglement stellt weiter klar, dass gerade auch administrative Fähigkeiten (z.B. im Hinblick auf konkrete Projekte) von Studierenden eingefordert werden. Anders als der Beschwerdeführer annimmt, sind somit auch nicht unmittelbar dem Wissenserwerb dienende Arbeiten für den Studienerfolg relevant. Sich innerhalb eines gegebenen Curriculums zurechtzufinden, ist eine für Hochschulabsolventinnen und -absolventen wesentliche Kapazität. Die Vorinstanz hat aus diesen Gründen zutreffend einen Anspruch auf Bestellung und Bezahlung einer Assistenz verneint.» (E.5.4.4).

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