Diskriminierung im Anstellungsverfahren aufgrund Rasse und Ethnie – Rechtslage im Schweizer Arbeitsrecht

Am 17. Juni 2020 – mitten in der Black Lives Matter Bewegung – schaltet 20min.ch eine Story mit der Überschrift „Schweizer Konzern fragt Bewerber, ob sie schwarz sind“ und deckt darin auf, dass das Online-Bewerbungsformular für eine Stelle beim Schweizer Konzern Alcon fragen nach Herkunft und Hautfarbe beinhaltet. So wird unter anderem gefragt „Are you Hispanic or Latino?“, „How would you best describe your race?“ (Antwortmöglichkeiten: Asian, Black or African American, Native American, Native Hawaiian or other Pacific Islander, White) oder „Are you Two or More Races“, wobei den Be-werbern jeweils auch die Antwort „I prefer not to identify“ zum Ankreuzen zur Verfügung steht. Laut Alcon-Sprecher sei die Bewerbung für eine Stelle in den USA eingegangen. Die Erhebung der Daten erfolge zur Weiterleitung an die US-Kommission für Chancengleichheit (EEOC). Die Beantwortung der Fragen sei optional. Man setze sich für Diversität ein und diskriminiere Menschen nicht aufgrund von Faktoren wie Hautfarbe oder Herkunft. Das Missbrauchspotential solcher Datenerhebungen im Bewerbungsprozess sticht ins Auge. Der Leser fragt sich umgehend, ist ein solches Vorgehen im Bewerbungsprozess in der Schweiz erlaubt? Wie sieht es um den Diskriminierungsschutz im Anstellungsverfahren in der Schweiz aus?

Als Ausfluss der allgemeinen Fürsorgepflicht nach Art. 328 OR trifft eine Arbeitgeberin die Pflicht, Ar-beitnehmer vor Diskriminierungen aufgrund ihrer Religion, Rasse oder Ethnie zu schützen. Die Lehre ist sich jedoch einig, dass der allgemeinen Fürsorgepflicht – mit Ausnahme der besonderen Daten-schutzbestimmung von Art. 328b OR – keine Vorwirkung zukommt. In der Schweiz fehlt mit Ausnahme von Art. 261bis StGB eine spezialgesetzliche Regelung zum Schutz vor Rassendiskriminierung – spezielle Diskriminierungsnormierungen bestehen hingegen beispielsweise bezüglich Geschlechterdiskri-minierung (Gleichstellungsgesetz, GlG, SR 151.1) oder der Behindertendiskriminierung (Behinderten-gleichstellungsgesetz, BehiG, SR 151.3). Mit Art. 261bis geniessen Betroffene zwar gegenüber derje-nigen Person, welche sie wegen Religion, Rasse oder Ethnie diskriminiert einen gewissen strafrechtli-chen Schutz, im privatrechtlichen Bewerbungsprozess ist ihnen damit jedoch wenig geholfen. Mangels ausdrücklicher privatrechtlicher Antirassismus-Norm sowie fehlender Vorwirkung von Art. 328 OR rich-tet sich der Persönlichkeitsschutz und damit Schutz vor Diskriminierung wegen Rasse oder Ethnie in der Bewerbungsphase nach Art. 27 ff. ZGB. Aus der Datenschutzgründen folgt, dass der Arbeitgeber nur Daten erheben darf, welche unbedingt notwendig sind.

Gerichtsurteile im Zusammenhang mit Diskriminierung aufgrund Rasse oder Ethnie sind äusserst selten und beschränken sich meist auf missbräuchlichen Kündigungsschutz. Immerhin zwei erstinstanzliche Urteile sind im Zusammenhang mit Anstellungsdiskriminierung ergangen. Diese mittlerweile schon etwas älteren Urteile gilt es für die Beantwortung der Eingangsfrage einer genaueren Betrachtung zu unterziehen:

Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 12. Januar 2006 (JAR 2007, S. 509 ff.)

Dem Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 12. Januar 2006 (JAR 2007, S. 509 ff.) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beklagte, eine Reinigungsfirma mit breit gefächertem Kundenprofil meldete im Juni 2004 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) eine offene Teilzeit-Reinigungsstelle mit dem Hinweis, wegen der Kundschaft und dem Firmenprofil wolle man keine „Leute aus dem Balkan“. Als ihr das RAV dessen ungeachtet eine Frau aus Mazedonien (Klägerin) vermittelte, kommentierte sie das in einer E-Mail – welche als Betreff den Namen der Klägerin in der Betreffzeile führte – mit: „Wir stellen keine Leute aus dem Balkan ein und meine Firma verträgt solche Leute nicht, wie wir in der ganzen Schweiz auch nicht! (…) Kopftücher, Moslems etc. gehören nicht hier her! (…) „Wir sind Eidgenossen und keine Auffangstation für die ganze Welt.“ (…) Bin Stinksauer, dass Sie nicht lesen können, dass wir keine Kopftücher einstellen (…).“ Die Klägerin forderte Schadenersatz und Genugtu-ung in Höhe von Fr. 5000.– aufgrund widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung. Die Beklagte verlang-te die Abweisung der Klage. Die E-Mail sei nicht an die Klägerin, sondern an das RAV gerichtet gewe-sen. Die Klägerin passe nicht ins Firmenprofil und wäre aufgrund ihrer Deutschkenntnisse ohnehin nicht für die Stelle in Frage gekommen. Das Gericht hiess die Klage vollumfänglich gut.

Entscheid des TPH Lausanne vom 10. Oktober 2005 (JAR 2006 S. 531 ff.)

Der Entscheid des TPH Lausanne vom 10. Oktober 2005 (JAR 2006 S. 531 ff.) betrifft eine dunkel-häutige Bewerberin (Klägerin) hinsichtlich einer Stelle als Nachtwache. Die Klägerin richtete eine schriftliche Spontanbewerbung für eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 30 Prozent als Nachtwache an die Beklagte, welche ein privates Alterspflegeheim führt. Anlässlich telefonischer Kontaktaufnahme zeigte sich die Beklagte an der Spontanbewerbung interessiert und es wurde ein Vorstellungsge-spräch vereinbart. Als die Beklagte anlässlich des Vorstellungsgesprächs von der Hautfarbe der Klä-gerin Kenntnis nahm, gab sie ihr unmissverständlich zu verstehen, dass eine Anstellung als Nachtwa-che wegen ihrer Hautfarbe nicht in Frage käme. Die Klägerin forderte, nebst Feststellung der Persön-lichkeitsverletzung, Schadenersatz und Genugtuung von Fr. 10’000.–. Vor Gericht war unbestritten, dass die Beklagte die Klägerin wegen ihrer Hautfarbe nicht angestellt hatte. Die Ablehnung der Anstel-lung wurde vergeblich damit begründet, dass ein Teil der pflegebedürftigen und teils verwirrten Patien-ten Pflegerinnen anderer Hautfarbe nicht akzeptieren würden. Das Gericht sprach der Beklagten eine Genugtuungssumme von Fr. 5000.- aus.

Fazit

Daraus ergibt sich folgendes Fazit: Gelingt es einer sich bewerbenden Person, eine rassendiskriminierende Stellenausschreibung oder eine Einstellungsverweigerung wegen der Rasse nachzuweisen, so stellt ein solches Vorgehen der potentiellen Arbeitgeberin eine Persönlichkeitsverletzung im Bewerbungsprozess dar, für welche diese aus Art. 27 ff. ZGB haftbar gemacht werden kann. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist zu bejahen. Mangels spezialgesetzlicher Normierungen bestehen dabei für die betroffene Person keine Beweiserleichterungen. Auch fehlt ein spezialgesetzliches Verbandsbeschwerderecht. In der Praxis dürfte der verlangte Nachweis wohl nur in Extremfällen gelingen. Zwar lässt sich die Persönlichkeitsverletzung feststellen und allenfalls Schadenersatz und Genugtuung erwirken, eine Anstellung kann hingegen auch nicht gerichtlich erzwungen werden. Die genannten Umständen dürften mit Grund für die geringe Anzahl Präzedenzfälle in Sachen Anstellungsdiskriminierung aufgrund Rasse und Ethnie sein. Es ist aber durchaus denkbar, dass der Schweizer Gesetzgeber hier aktiv wird.

Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., LL.M., www.jobanwalt.ch

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