Im September 2014 hatten Musiker im Internet ein Album veröffentlicht. Eines der Lieder hiess „Natalie Rikkli“. Der Liedtext enthielt an die Politikerin Natalie Rickli gerichtete Schimpfworte und Äusserungen sexuellen Inhalts. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte die fünf an dem Musikstück mitwirkenden Interpreten 2018 wegen Beschimpfung und übler Nachrede zu bedingten Geldstrafen. Vom Vorwurf der sexuellen Belästigung sprach das Obergericht die Betroffenen frei. In ihrer Beschwerde ans Bundesgericht beantragte die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern im Wesentlichen, die Interpreten zusätzlich der Verleumdung und der sexuellen Belästigung schuldig zu sprechen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Das Urteil wird zu neuem Entscheid ans Obergericht zurückgewiesen. Es wird ergänzend prüfen müssen, ob anstatt des Tatbestandes der üblen Nachrede derjenige der Verleumdung erfüllt ist. Der Freispruch vom Vorwurf der sexuellen Belästigung ist bundesrechtskonform und nicht zu beanstanden.
Der Tatbestand der sexuellen Belästigung (Artikel 198 Strafgesetzbuch) setzt unter anderem eine unmittelbare Wahrnehmung der Äusserungen durch das Opfer voraus. Eine gleichzeitige körperliche Präsenz des Täters und des Opfers ist allerdings nicht zwingend erforderlich. Im vorliegenden Fall stellt der Song inhaltlich zweifellos einen groben verbalen Angriff dar. Die Interpreten wandten sich mit der Veröffentlichung des Songs im Internet jedoch nicht direkt an Natalie Rickli, sondern an ein dieser gegenüber kritisch eingestelltes Publikum. Das Obergericht hat verbindlich festgestellt, dass die Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt Bemühungen unternommen hätten, Natalie Rickli den Song bzw. das Video zukommen zu lassen. Diese habe davon erst eineinhalb Jahre nach der Veröffentlichung Kenntnis erhalten. Damit fehlt es für eine Verurteilung wegen sexueller Belästigung am dazu erforderlichen Kriterium der unmittelbaren Wahrnehmung durch das Opfer.