Bundesgericht äussert sich zu kantonalen Covid-19 Massnahmen

Das Bundesgericht äussert sich in den Urteilen 2C_793/2020, 2C_941/2020 sowie 2C_8/2021 vom 8. Juli 2021 zur Kompetenz von Kantonen zum Erlass von Massnahmen gegen das Coronavirus.

Die heute nicht mehr gültigen Verordnungsregelungen aus dem vergangenen Jahr zur Einschränkung von Veranstaltungen im Kanton Schwyz und zur Maskentragpflicht in Geschäften im Kanton Freiburg sind durch das Bundesgericht nicht zu beanstanden. Es besteht eine ausreichende gesetzliche Grundlage und die Massnahmen waren verhältnismässig. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz erliess am 14. Oktober 2020 die Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie. Der Staatsrat des Kantons Freiburg erliess am 25. August 2020 Artikel 5a der Verordnung zur Änderung der Verordnung über kantonale Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie an. Gegen die Schwyzer Verordnung wurden beim Bundesgericht zwei Beschwerden erhoben, gegen die Freiburger Verordnung eine. Die Verordnungen wurden mittlerweile geändert (Schwyz), beziehungsweise aufgehoben (Freiburg).

Das Bundesgericht hat die Beschwerden dennoch materiell behandelt, da bei rasch ändernden Verordnungen wie hier eine rechtzeitige gerichtliche Prüfung sonst kaum je möglich wäre.

Das Bundesgericht hat zunächst geprüft, ob für den Erlass der Verordnungen durch die Kantone eine ausreichende gesetzliche Grundlage bestand. Geprüft hat es weiter – soweit die einzelnen Rügen hinreichend begründet wurden – die Verhältnismässigkeit des der Schwyzer Verordnung enthaltenen Verbots von Veranstaltungen mit mehr als 10 bzw. 30 Teilnehmern und der Pflicht zum Maskentragen für Personen über 12 Jahren in Geschäften und Supermärkten im Kanton Freiburg (beide Regelungen heute nicht mehr in Kraft).

Nicht zu prüfen hatte das Bundesgericht die bundesrätliche „Covid-19-Verordnung besondere Lagen“.

Das Bundesgericht weist in Urteilen 2C_793/2020, 2C_941/2020 sowie 2C_8/2021 vom 8. Juli 2021 die Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.

Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Diese ist für die hier zu beurteilenden Massnahmen mit Artikel 40 des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG) gegeben. Gemäss Artikel 40 EpG ordnen die zuständigen kantonalen Behörden Massnahmen an, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung oder in bestimmten Personengruppen zu verhindern. Die fragliche Bestimmung ist zwar sehr unbestimmt formuliert. Die einzige Schranke liegt darin, dass die angeordneten Massnahmen dazu dienen müssen, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Die Aufzählung der konkret genannten Massnahmen ist sodann nicht abschliessend.

Nicht geregelt werden im EpG zudem die Voraussetzungen, die für den Erlass von Massnahmen erfüllt sein müssen. Diese unausweichliche Unbestimmtheit der gesetzlichen Grundlage muss kompensiert werden durch erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismässigkeit der einzelnen Massnahmen.

Zur Wahrung der Verhältnismässigkeit können nicht beliebig strenge Massnahmen ergriffen werden, um jegliche Krankheitsübertragung zu verhindern. Vielmehr ist nach dem akzeptablen Risiko zu fragen und eine Abwägung zwischen den involvierten Interessen vorzunehmen. Es ist nicht in erster Linie die Sache der Gerichte, sondern des Verordnungsgebers, das akzeptable Risiko festzulegen. Hinzu kommt, dass bezüglich der künftigen Wirkung einer Massnahme gegen neu auftretende Infektionskrankheiten der Natur der Sache nach eine gewisse Unsicherheit besteht. Massnahmen müssen insofern aufgrund des jeweils aktuellen Wissensstandes getroffen werden. Dies bedingt eine Anpassung der Massnahmen mit fortschreitendem Wissensstand. Eine Massnahme kann aber nicht schon deshalb als unrechtmässig betrachtet werden, weil sie rückblickend allenfalls nicht als optimal erscheint.

Insgesamt muss den politisch verantwortlichen Behörden deshalb beim Erlass von Corona-Massnahmen ein relativ bedeutender Beurteilungsspielraum zugestanden werden. Das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 10 bzw. 30 Teilnehmern gemäss der Schwyzer Verordnung ist verhältnismässig. Die Massnahme, welche eine schwere Einschränkung der Versammlungsfreiheit darstellt, ist grundsätzlich ein taugliches Mittel, um die Verbreitung einer Krankheit zu reduzieren. Nicht entscheidend ist der in einer Beschwerde angestellte Vergleich der Übersterblichkeit in Bezug auf manche Jahre mit starker Grippewelle oder der Einwand, dass die Schwyzer Spitäler und die Intensivpflegestationen nicht überbelegt gewesen seien. Entscheidend ist vielmehr, wie hoch die Übersterblichkeit oder die Auslastung der Spitäler ohne die getroffenen Massnahmen gewesen wäre. Es liegt auf der Hand, dass dieser hypothetische Nachweis nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit erbracht werden kann. Es ist jedoch plausibel, dass die Übersterblichkeit und die Belastung der Spitäler ohne die getroffenen Massnahmen höher gewesen wäre. Nicht hinreichend dargelegt wurde sodann, inwiefern die negativen Auswirkungen der Massnahmen höher gewesen sein sollen als ihr Nutzen. Hinzu kommt, dass die Geltungsdauer des Veranstaltungsverbots nur kurz war.

Ebenfalls als verhältnismässig erweist sich die Maskentragpflicht gemäss der aufgehobenen Freiburger Verordnung. Hier ist grundsätzlich von einer geringen Eingriffsintensität auszugehen. Sie betraf nur über 12 Jahre alte Personen beim Besuch von Geschäften oder Supermärkten und war damit pro Person auf wenige Stunden pro Woche beschränkt. Betroffenen hat es zudem freigestanden, auf Geschäftsbesuche zu verzichten und stattdessen übers Internet einzukaufen. Es trifft zwar zu, dass die Pflicht zum Maskentragen im EpG nicht erwähnt ist. Die Liste möglicher Massnahmen im EpG ist indessen nicht abschliessend. Im Vergleich mit der im EpG vorgesehenen Schliessung von Schulen und anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen ist die Maskentragpflicht weniger einschneidend und daher zulässig. Fehl geht auch hier der Vergleich mit Grippejahren. Auf jeden Fall aufgrund der aktuellen Faktenlage war es gerechtfertigt, zur Bekämpfung des Coronavirus andere Massnahmen zu ergreifen als bei einer saisonalen Grippe. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers muss das Maskentragen aufgrund des heutigen Wissensstandes auch als geeignet gelten, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die Maskentragpflicht ist schliesslich auch als erforderlich zu erachten; sie erlaubte vor allem den Verzicht auf einschneidendere Massnahmen wie etwa der Schliessung von Geschäften, die nicht den Bedarf an lebensnotwendigen Gütern decken.

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