Bestätigung von Freispruch von Facebook-Kontoinhaber für rassistische Kommentare von Dritten auf Pinnwand

Das Bundesgericht weist im Urteil 6B_1360/2021 vom 7. April 2022 eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft des Kantons Neuenburg ab. Sie beantragte die Verurteilung des Inhabers eines Facebook-Kontos wegen Rassendiskriminierung, auf dessen „Pinnwand“ Dritte rassistische Kommentare gepostet hatten. Da der Inhaber des Facebook-Kontos von den fraglichen Beiträgen keine Kenntnis hatte, ist seine strafrechtliche Verantwortlichkeit mangels einer spezifischen Rechtsgrundlage ausgeschlossen.

Sachverhalt

Eine in der Politik aktive Persönlichkeit hatte auf ihrem öffentlich zugänglichen Facebook-Konto einen Zeitungsartikel veröffentlicht, der zu unangemessenen Kommentaren auf der Pinnwand des Kontos führte. Eine Vereinigung erhob in diesem Zusammenhang Anzeige. Mehrere Personen wurden von der Polizei als Urheber der fraglichen Beiträge identifiziert und wegen Rassendiskriminierung bestraft (Artikel 261bis Strafgesetzbuch, StGB). Der Inhaber des Facebook-Kontos selber wurde von diesem Vorwurf vom Polizeigericht der Bezirke Littoral und Val-de-Travers (NE) freigesprochen.

Instanzenzug

Das Kantonsgericht des Kantons Neuenburg bestätigte den Freispruch 2021. Die Neuenburger Staatsanwaltschaft gelangte dagegen ans Bundesgericht.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 6B_1360/2021 vom 7. April 2022

Das Bundesgericht weist im Urteil 6B_1360/2021 vom 7. April 2022 die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt und bestätigt den Entscheid des Kantonsgerichts. Das Verfahren betrifft die Frage, ob sich der Inhaber des Facebook-Kontos wegen Rassendiskriminierung strafbar macht, weil er die Kommentare Dritter auf der virtuellen Pinnwand seines Kontos nicht gelöscht hat, mit denen zu Hass und Gewalt gegenüber einer Personengruppe aufgrund ihrer Religion aufgerufen wurde.

Das geltende Schweizer Recht enthält gemäss dem Bundesgericht keine Norm, die spezifisch die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internetdienstleistern wie Facebook oder der Nutzer dieser Netzwerke regelt. Die Staatsanwaltschaft macht jedoch geltend, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Kontoinhabers aus den bestehenden Grundsätzen des Strafrechts ergebe.

Das Bundesgericht stellt zunächst fest, dass der Betroffene seine Facebook-Seite als Diskussionsforum betreibt. Indem der Kontoinhaber seine Pinnwand öffentlich gemacht und politische Themen angesprochen hat, die darüber hinaus heikel und anfällig für Unsachlichkeit waren, hat er ein Risiko für die Hinterlegung rechtswidriger Beiträge geschaffen. Diese Gefahr übersteigt das gesellschaftlich Erlaubte allerdings nur dann, wenn der Betroffene Kenntnis vom Inhalt der problematischen Inhalte hatte, die seiner Pinnwand hinzugefügt wurden. Bis zur Eröffnung des Strafverfahrens wusste der Kontoinhaber indessen nicht, dass dort rechtswidrige Inhalte Dritter zu finden waren. Dem Inhaber des Facebook-Kontos kann im Übrigen auch nicht vorgeworfen werden, in strafbarer Weise pflichtwidrig untätig geblieben zu sein (Artikel 11 StGB), indem er die Inhalte auf seiner Pinnwand nicht betreut hat. Eine solche Pflicht zur Überwachung und Betreuung eines Social-Media-Kontos durch seinen Kontoinhaber kann auch nicht von den diesbezüglich von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Kriterien abhängig gemacht werden, namentlich der Brisanz der fraglichen Themen, dem Kreis der potentiellen Empfänger der Beiträge oder der Anzahl und der Auffälligkeit der Kommentare, die als Reaktion auf den ursprünglichen Beitrag gepostet wurden. Eine entsprechende Überwachungspflicht würde gänzlich auf einer heiklen, schwer vorhersehbaren und offenkundig subjektiven Beurteilung beruhen. Daraus ergäbe sich überdies eine nahezu permanente, umfassende und damit äusserst weitgehende Sorgfaltspflicht. Da keine gesetzliche Norm dies ausdrücklich vorsieht, würde das Legalitätsprinzip („keine Strafe ohne Gesetz“) verletzt.

Hier ist die Schlüsselausführung des Bundesgerichts im Urteil 6B_1360/2021 vom 7. April 2022: «A supposer que le libre accès au “ mur “ de son compte Facebook constitue une prestation positive de l’intimé en faveur de tiers, dans la mesure où il leur est ainsi offert une plateforme publique sur laquelle exprimer leur avis personnel, le comportement de l’intimé pourrait être appréhendé comme une action. Il conviendrait alors d’examiner dans quelle mesure le prénommé en répond au titre d’une participation aux infractions commises par les auteurs des publications litigieuses (cf. arrêt 6B_645/2007 précité consid. 7.3.4.4.2).  

La coactivité suppose une collaboration intentionnelle et déterminante à la décision de commettre une infraction. Il n’est pas nécessaire que le coauteur participe à la conception du projet, auquel il peut adhérer ultérieurement. Il n’est pas non plus nécessaire que l’acte soit prémédité; le coauteur peut s’y associer en cours d’exécution. Ce qui est déterminant, c’est que le coauteur se soit associé à la décision dont est issue l’infraction ou à la réalisation de cette dernière, dans des conditions ou dans une mesure qui le font apparaître comme un participant non pas secondaire, mais principal (ATF 135 IV 152 consid. 2.3.1 p. 155; 130 IV 58 consid. 9.2.1 p. 66; 125 IV 134 consid. 3a p. 136). De même, le complice doit avoir l’intention de favoriser la commission de l’infraction, même si le dol éventuel suffit (art. 25 CP; ATF 121 IV 109 consid. 3a p. 119 s.; 118 IV 309 consid. 1a p. 312 et les arrêts cités). Il doit à la fois savoir ou se rendre compte qu’il apporte son concours à un acte délictueux déterminé et le vouloir ou l’accepter; il suffit qu’il connaisse les principaux traits de l’activité délictueuse qu’aura l’auteur, lequel doit donc déjà avoir pris la décision de commettre l’acte (ATF 132 IV 49 consid. 1.1 p. 52 et les références citées). 

Dans l’arrêt 6B_645/2007 précité, il a été retenu que l’intention du prévenu, tout au moins dès qu’il a eu connaissance de la présence de la vidéo illicite sur son site, portait sur la publication de ce document, de sorte qu’en exploitant le forum sur lequel se trouvait la vidéo, ce qu’il savait, il avait intentionnellement collaboré à l’exécution de l’infraction (consid. 7.3.4.5). En l’espèce, puisque l’intimé ignorait la présence de contenu litigieux publié par des tiers sur sa page virtuelle, on ne voit pas comment, faute d’un accord des volontés entre les auteurs principaux et l’intimé, celui-ci aurait pu participer aux infractions commises par ceux-là, que ce soit à titre principal ou accessoire. 

Partant, sous cet angle également, une responsabilité pénale en qualité de titulaire d’un compte Facebook pour des propos publiés par des tiers ne peut s’envisager aussi longtemps que l’intéressé n’avait pas connaissance du contenu illicite publié sur son “ mur „.» (E.3.6)

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