Ausstrahlung von Bundesratsansprachen zu Abstimmungen auf SRF zulässig

Die SRG hat mit der Ausstrahlung der Bundesratsansprache zur „Frontex-Vorlage“ auf Radio SRF vor der Abstimmung vom 15. Mai 2022 das Vielfaltsgebot nicht verletzt. Wegen des besonderen Charakters der Bundesratsansprachen sind weniger strenge Anforderungen an das Vielfaltsgebot zu stellen als bei anderen abstimmungsrelevanten Sendungen. Das Bundesgericht heisst im Urteil 2C_871/2022 vom 28. August 2024 die Beschwerde der SRG gegen den Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen gut.

Sachverhalt

Radio SRF strahlte am 25. April 2022 im ersten Programm am Mittag die Ansprache des damaligen Bundesrates Ueli Maurer zur eidgenössischen Volksabstimmung zur Übernahme der EU-Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache („Frontex-Vorlage“) aus, die am 15. Mai 2022 stattfand. Die Ansprache dauerte rund vier Minuten. Der Bundesrat hob dabei die Vorteile der Vorlage hervor, welche vom Bundesrat und vom Parlament zur Annahme empfohlen wurde. Die Vorlage wurde mit 71,5 Prozent Ja-Stimmen angenommen.

Instanzenzug

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hiess 2022 eine Beschwerde gegen die Sendung gut, weil das Vielfaltsgebot gemäss Artikel 4 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen verletzt worden sei.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_871/2022 vom 28. August 2024

Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) gut und hebt den Entscheid der UBI auf. Mit der Ausstrahlung der Bundesratsansprache wurde das Vielfaltsgebot nicht verletzt. Aufgrund des besonderen Charakters der Bundesratsansprachen rechtfertigt es sich nicht, das Vielfaltsgebot ebenso streng anzuwenden, wie auf andere abstimmungsrelevante Sendungen. Der Bundesrat ist gesetzlich ausdrücklich zur Information der Öffentlichkeit über anstehende eidgenössische Abstimmungen verpflichtet. Er muss bei seiner Informationstätigkeit die Grundsätze der Vollständigkeit, der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit beachten. Das schliesst allerdings nicht aus, dass er auch Position bezieht. Im konkreten Fall gab Bundesrat Maurer zwar überwiegend die Argumente des Bundesrates und der Bundesversammlung wieder. Die Ansprache war aber im Programm der SRG in eine breite und grundsätzlich vielfältige Berichterstattung zur „Frontex-Vorlage“ eingebettet. Ins Gewicht fällt weiter, dass das Publikum die Bundesratsansprachen ohne Weiteres als Teil der Informationsaktivitäten des Bundesrates erkennen und einordnen können dürfte. Die Stimmberechtigten sind es gewohnt, sich trotz des Positionsbezugs des Bundesrates eine eigene Meinung zu anstehenden Abstimmungen zu bilden. Eine Verweigerung der Ausstrahlung durch die SRG und die damit verbundene Einschränkung der Möglichkeiten des Bundesrates zur Information der Stimmbevölkerung wäre kaum wünschenswert. Die Ausstrahlung der Bundesratsansprachen entspricht sodann einer langjährigen Praxis. Sie stellen keine Abstimmungssendungen im klassischen Sinn dar und werden von der SRG weder produziert noch inhaltlich selber verantwortet. Insgesamt bestand kein Anlass, von der SRG zu verlangen, in der Anmoderation des fraglichen Radiobeitrags auf andere Sendungen zur Vorlage hinzuweisen.

Hier sind die Schlüsselausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_871/2022 vom 28. August 2024:

«Für die konkret zu beurteilende Fallkonstellation – die Ausstrahlung der Bundesratsansprache von Bundesrat Maurer zur Frontex-Vorlage – ergibt sich nach dem Gesagten Folgendes:» (E.7).

«Inhaltlich gab Bundesrat Maurer in seiner Ansprache zwar überwiegend bis einseitig die Argumente für die (befürwortende) Position des Bundesrats und der Bundesversammlung wieder, und erwähnte er das Hauptargument der Gegnerschaft nur in einem Satz. Demgegenüber war die Ausstrahlung aber auch klar als auf die Information der Öffentlichkeit über die Abstimmungsempfehlung von Bundesrat und Parlament (und die dafür ausschlaggebenden Gründe) ausgerichtete Bundesratsansprache erkennbar (vgl. zum Ganzen vorne A.b.). Ferner ergibt sich aus den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen (vgl. hierzu E. 5.5 des angefochtenen Entscheids) auch, dass die Sendung im Programm der Beschwerdeführerin in eine breite und soweit ersichtlich grundsätzlich vielfältige Berichterstattung zur Frontex-Vorlage eingebettet war. Im angefochtenen Entscheid werden diesbezüglich beispielhaft drei Beiträge der Sendung „Echo der Zeit“ (vom 2. März, 1. und 9. April 2022), ein Beitrag der Sendung „Rendez-vous“ vom 26. April 2022 sowie die Sendung „Forum“ vom 21. April 2022 aufgeführt. Auch die UBI macht nicht geltend, dass diese – von der Beschwerdeführerin inhaltlich verantworteten – Sendungen einzeln oder in ihrer Gesamtheit den Anforderungen des Vielfaltsgebots nicht entsprochen hätten.» (E.7.1).

«Unter diesen Umständen hat die Beschwerdeführerin das Vielfaltsgebot durch die Ausstrahlung der Ansprache von Bundesrat Maurer zur Frontex-Vorlage am 25. April 2022 nicht verletzt. Es bestand kein Anlass, von der Beschwerdeführerin zu verlangen, in der Anmoderation auf andere Sendungen zur Vorlage hinzuweisen, oder gar der Gegnerschaft einen gleichwertigen Sendeplatz zur Verfügung zu stellen. Insgesamt ist deshalb unter dem für die Bundesratsansprachen anwendbaren Massstab keine Verletzung des Vielfaltsgebots ersichtlich. Es bestand kein Anlass für ein aufsichtsrechtliches Eingreifen der UBI. Der Entscheid der Vorinstanz stellt unter diesen Umständen einen übermässigen Eingriff in die Programmautonomie der Beschwerdeführerin dar.» (E.7.2).

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