Schweizerischer Anwaltsverband SAV/FSA verlangt von Bundesrat griffige Massnahmen im Justizbereich

Der Schweizer Anwaltsverband SAV/FSA verlangt mit heutigem Einschreibebrief vom Bundesrat griffige Massnahmen im Justizbereich. So habe es verschiedene Infektionsfälle in Anwaltskanzleien gegeben. Betroffen davon seien auch Anwältinnen und Anwälte von über 65 Jahren. Der SAV/FSA fordert die Vertagung von nicht besonders dringenden Terminen, wie Verhandlungen, Einvernahmen etc. Sämtliche hängigen Fristen seien zu sistieren.

Das ist der Wortlaut des Schreibens:

COVID-19: Dringende Massnahmen im Justizbereich
Sehr geehrte Frau Bundesrätin

Mit Beschluss vom 13. März 2020 hat der Bundesrat die Verordnung II über Massnahmen zur Bekämpfung des Corona Virus (COVID-19) verabschiedet.

Der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) vermisst darin griffige Massnahmen im Justizbereich. Aus Sicht des SAV sind sowohl auf Bundesebene als auch auf Stufe der Kantone dringend die notwendigen Massnahmen zur Eindämmung der absehbaren Folgen der raschen Verbreitung der Corona-Infektion im Justizapparat und zur Aufrechterhaltung eines gesamtschweizerisch funktionsfähigen Justizsystems einzuleiten.

Aus den Kantonen erhalten wir besorgniserregende Hinweise des in der Justizverwaltung tätigen Personals, über den täglichen, arbeitsbedingten und aus logistischen Gründen oft (zu) nahen Kontakt mit einer zahlreichen und täglich wachsenden, daher schwer zu kontrollierenden Benutzergruppe. Aber auch beim SAV sowie in den kantonalen Anwaltsverbänden sind in nie dagewesenem Ausmass Anfragen von nicht minderbesorgten Anwältinnen und Anwälten und in Anwaltskanzleien tätigem Personal festzustellen, welche von der Kantons- und Bundesregierung einschneidende Massnahmen verlangen. Infektionsfälle haben sich bereits in einigen Anwaltskanzleien ereignet; eine beachtliche Anzahl von Anwältinnen und Anwälten hat die für den Krankheitsverlauf heikle 65er Altersgrenze überschritten. Die Notwendigkeit, regelmässig persönlich an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen und die nicht mindernotwendige und selbstverständliche Pflicht zur Einhaltung prozessualer Fristen, können bereits heute von einigen Kanzleien nicht mehr wahrgenommen, bzw. gewährleistet werden. Um dieser Notlage und der Besorgnis seiner Mitglieder Rechnung zu tragen, ersucht Sie der Schweizerische Anwaltsverband stellvertretend auch für sämtliche kantonalen Anwaltsverbände, unverzüglich über Notrecht einschränkende und wirksame Massnahmen zu ergreifen. Wir beantragen insbesondere folgende Bereiche zu regeln:

1. Die Justizbehörden des Bundes und der Kantone (Gerichts- und Verwaltungsbehörden) sind anzuweisen, von Amtes wegen sämtliche Verhandlungstermine, Einvernahmen, Besprechungen und Augenscheine schweizweit zu vertagen, solange der bereits ausgerufene Ausnahmezustand besteht. Ausnahmen sind in dringenden Fällen punktuell zu prüfen und vorgängig mit den betroffenen Parteien bzw. Anwälten abzusprechen.

2. Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes und der Kantone sind anzuweisen, für die gesamte Dauer der beschlossenen Dringlichkeitsmassnahmen sämtliche hängige Verfahren und die diesbezüglichen von ihnen angesetzten Fristen zu sistieren.

3. Die Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Bundes und der Kantone sind unverzüglich anzuweisen, für die gesamte Dauer der beschlossenen Dringlichkeitsmassnahmen von Zustellung von Urteilen, Entscheiden und Verfügungen abzusehen. Bei dringenden und nicht aufschiebbaren Entscheiden soll die Zustellung soweit möglich vorangekündigt werden; generell soll in diesen Fällen die tatsächliche Zustellungsmöglichkeit beim Adressaten vorgängig geprüft werden.

4. Es soll via Notrecht in den Kantonen bei sämtlichen kantonalen, gesetzlichen Fristen auf Rechtsstillstand hingewirkt werden; analoge, dringliche Beschlüsse sind auf Bundesebene in Bezug auf die bundesrechtlichen Fristen zu erlassen.

Es ist vordringlich, in dieser unsicheren Pandemiesituation auf eine via Notrecht schweizweit einheitliche Massnahmenregelung hinzuwirken. Es ist nur eine Frage der (kurzen) Zeit bis das schweizerische Justizsystem und unser Berufsstand flächendeckend von den Problemen betroffen sein werden. Von den Folgen einer zu späten, angemessenen Reaktion des Bundesrates auf die sich abzeichnende Entwicklung wird letztlich die gesamte Bevölkerung betroffen sein. Diese soll sich weiterhin auf eine funktionierende, den besonderen Umständen angepasste Justiz verlassen können.

Der Schweizerische Anwaltsverband ist überzeugt, dass gesamtschweizerisch dringender Handlungsbedarf besteht und nur über den Bundesrat eingeleitete, einheitliche Massnahmen zum Ziel führen können. Wir bitten Sie daher, unserem Anliegen rasch Folge zu geben.

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