Revision: Strafprozessordnung soll praxistauglicher werden

Der Bundesrat will die Praxistauglichkeit des Strafprozessrechts verbessern. Er hat an seiner Sitzung vom 28. August 2019 von den Vernehmlassungsergebnissen Kenntnis genommen und eine entsprechende Botschaft zu Handen des Parlaments verabschiedet. Weil sich die Strafprozessordnung im Wesentlichen bewährt hat, beschränkt sich die Revision auf punktuelle Änderungen.

Bereits kurz nach dem Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) am 1. Januar 2011 wiesen kritische Stimmen aus der Praxis auf problematische Aspekte einzelner Bestimmungen hin. Auch im Parlament wurden schon früh Vorstösse überwiesen, die punktuelle Änderungen der StPO verlangen. Mit der Überweisung der Motion 14.3383 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (Anpassung der Strafprozessordnung) entschied sich das Parlament schliesslich für eine Gesamtüberprüfung der StPO.

Die Auswertung der Vernehmlassungsantworten zeigt grundsätzliche Zustimmung. Der Bundesrat hält deshalb an den Grundzügen des Vorentwurfs fest. Entsprechend der Forderung der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden beschränkt sich die Revision aber auf diejenigen Punkte, die in der Praxis tatsächlich auf Schwierigkeiten stossen.

Massvolle Einschränkung der Teilnahmerechte

Im Zentrum der öffentlichen Diskussionen standen namentlich die so genannten Teilnahmerechte in Strafverfahren. Das geltende Recht erlaubt es beschuldigten Personen, an allen Beweiserhebungen teilzunehmen, insbesondere auch an Einvernahmen von mitbeschuldigten Personen. Dies ist problematisch, weil es der beschuldigten Person ermöglicht, ihre Aussagen an jene anderer Personen anzupassen. Das kann dazu führen, dass in einem Verfahren mit mehreren beschuldigten Personen einzelne bevorteilt werden.

In der Vernehmlassung war die vom Bundesrat vorgeschlagene neue Regelung umstritten. Die Kritik wurde berücksichtigt und die Regelung angepasst. Künftig soll das Teilnahmerecht einer beschuldigten Person so lange eingeschränkt werden können, bis sie sich selber zum Gegenstand der Einvernahme geäussert hat. Weil diese Teilnahmerechte einen wichtigen Ausgleich zur strukturell starken Stellung der Staatsanwaltschaft bilden, werden sie aber nicht auf das von der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Minimum reduziert, wie dies in der Vernehmlassung vereinzelt gefordert wurde.

DNA-Profile auch für vergangene oder künftige Taten

Eine Neuerung gibt es auch bei den Voraussetzungen für den Einsatz von DNA-Profilen. Nunmehr hält das Gesetz ausdrücklich fest, dass ein DNA-Profil nicht nur zur Aufklärung jener Straftat erhoben werden darf, die Gegenstand des Verfahrens bildet, sondern auch zur Aufklärung anderer mutmasslich begangener oder möglicher künftiger Taten – sofern dazu konkrete Anhaltspunkte bestehen. Ein DNA-Profil zur Aufklärung möglicher künftiger Delikte darf allerdings nur erstellt werden, wenn die beschuldigte Person für eine andere Tat verurteilt wird. Eine routinemässige Erstellung von DNA-Profilen soll somit auch weiterhin nicht möglich sein. Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung gleichzeitig den Entwurf für die Anpassung des DNA-Profilgesetzes in die Vernehmlassung geschickt.

Weitere Revisionspunkte

Der Bundesrat will zugleich die Stellung der Opfer und dessen Angehörigen im Strafverfahren stärken. Namentlich sollen Opfer künftig auch dann unentgeltliche Rechtspflege erhalten, wenn sie im Strafprozess ausschliesslich Strafklage erheben, ohne Zivilansprüche geltend zu machen. Zudem soll die Staatsanwaltschaft neu auch über Zivilforderungen entscheiden können. Bezüglich der Rückerstattungspflicht für die unentgeltliche Prozessführung möchte der Bundesrat, dass das Opfer und seine Angehörigen neu explizit davon befreit werden.

Weitere Revisionspunkte sind:

  • Die Staatsanwaltschaft muss die beschuldigte Person im Strafbefehlsverfahren zwingend einvernehmen, sofern sie eine unbedingte Freiheitsstrafe ausspricht.
  • Bei Entscheiden des Zwangsmassnahmengerichts über die Untersuchungs- und Sicherheitshaft soll die Staatsanwaltschaft Beschwerde erheben können.
  • Die Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungs- und Sicherheitshaft wegen Wiederholungsgefahr werden gelockert. Sie soll auch bei Ersttätern möglich sein.

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