Falls am Tatort biologisches Spurenmaterial sichergestellt werden kann (Blut, Haare, usw.), lässt sich daraus ein DNA-Profil erstellen. Mit der sogenannten Phänotypisierung ist es heute möglich, aus einer DNA-Spur äusserlich sichtbare Merkmale einer Person herauszulesen. Diese neuen Möglichkeiten sollen die Strafverfolgungsbehörden künftig nutzen können. Damit wird eine ermittlungstechnische Lücke gefüllt.
Heute darf aus einer DNA-Spur nur das Geschlecht als persönliches Merkmal bestimmt werden. Neu sollen auch die Augen-, Haar- und Hautfarbe, die biogeografische Herkunft sowie das Alter eruiert werden können. Die Wahrscheinlichkeiten bei der Bestimmung der verschiedenen Merkmale sind unterschiedlich. Aus der Phänotypisierung gewonnene Informationen können der Polizei wertvolle Hinweise für die Ermittlungs- und Fahndungsarbeit liefern und ergeben beispielsweise zusammen mit Zeugenaussagen oder Auswertungen digitaler Daten ein schärferes Bild der Person, nach der gefahndet wird. Ermittlungen und Fahndung können so besser fokussiert, der potentielle Täterkreis eingegrenzt und gleichzeitig Unbeteiligte ausgeschlossen werden.
Die Methode soll nur bei Verbrechen angewendet werden, also bei Straftatbeständen, welche mit Freiheitsstrafen von 3 Jahren oder mehr bestraft werden – wie beispielsweise Vergewaltigung, Mord, schwerer Raub oder Geiselnahme. Bei Vergehen wie etwa Sachbeschädigung steht das Verfahren nicht zur Verfügung. Die Phänotypisierung muss durch die Staatsanwaltschaft angeordnet werden.
Das Analyseergebnis der Phänotypisierung darf nur für die Ermittlungen in einem konkreten, aktuellen Fall verwendet werden und wird nicht in der DNA-Datenbank gespeichert.
Wissenschaftlichen Fortschritt nutzen
Das DNA-Profilgesetz wurde im Jahr 2005 in Kraft gesetzt. Die Phänotypisierung war damals erst in Ansätzen praktisch anwendbar. Heute ist das Verfahren für die Strafverfolgung nutzbar. Mit der Gesetzesänderung erfüllt der Bundesrat die Motion Vitali 15.4150 („Kein Täterschutz für Mörder und Vergewaltiger“). Der Vorstoss wurde vor dem Hintergrund der Vergewaltigung einer jungen Frau in Emmen im Sommer 2015 eingereicht und vom Bundesrat zur Annahme empfohlen sowie vom Parlament angenommen.
Vereinfachung der Löschregelung von DNA-Profilen
Die Revision des DNA-Profilgesetzes will der Bundesrat gleichzeitig nutzen, um weitere Aspekte im Bereich der DNA-Analyse zu regeln, bei denen sich in den vergangenen Jahren Anpassungsbedarf gezeigt hat. Dabei geht es unter anderem um die Löschfristen von DNA-Profilen in der entsprechenden Datenbank. Die Rechtskommission des Nationalrates hat in einem Postulat den Bundesrat aufgefordert, die geltende Regelung zu evaluieren. Die heute geltende Löschregelung von DNA-Profilen ist mit hohem administrativen Aufwand verbunden und zum Beispiel abhängig vom Verlauf des Strafvollzugs. Ändert sich zum Beispiel die Länge einer Haftstrafe, so muss die Löschfrist eines DNA-Profils in der DNA-Datenbank nachträglich angepasst werden. Künftig soll die Aufbewahrungsdauer der DNA-Profile in der DNA-Datenbank einmalig im Urteil festgelegt werden.
Gesetzliche Regelung der Recherche mit Verwandtschaftsbezug
Zudem soll die Durchführung des sogenannten erweiterten Suchlaufs mit Verwandtschaftsbezug explizit im Gesetz geregelt werden. Ergibt der reguläre Suchlauf mit dem DNA-Profil aus einer Tatortspur keinen exakten Treffer im Informationssystem, wird mit einem zweiten, erweiterten Suchlauf geprüft, ob sich im Informationssystem allenfalls Profile finden, die jenem des Spurenprofils ähnlich sind – konkret: Ob im Informationssystem nahe Verwandte verzeichnet sind. Damit kann die Polizei neue Ansätze für die Ermittlungen erhalten. Das Bundesstrafgericht hat bereits im Oktober 2015 entschieden, dass solche Recherchen gestützt auf das geltende DNA-Profil-Gesetz angeordnet werden können. Der Bundesrat will sie nun im Gesetz ausdrücklich verankern. Angeordnet wird die Recherche mit Verwandtschaftsbezug von der Staatsanwaltschaft.
Gleichzeitig schlägt der Bundesrat ebenfalls eine ausdrückliche Regelung für die Erstellung derjenigen DNA-Profile vor, die für die Aufklärung der aktuellen Tat nicht erforderlich sind, die aber zur Aufklärung anderer begangener oder zukünftiger Straftaten gebraucht werden könnten. Diese Regelung ist Gegenstand der Botschaft zur Revision des Strafprozessrechts zuhanden des Parlaments, die der Bundesrat ebenfalls an seiner Sitzung vom 28. August 2019 verabschiedet hat.