In der Wohnung des spanischen Staatsangehörigen waren rund 590 Gramm Kokaingemisch gefunden worden, die zum Verkauf bestimmt waren. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn 2017 wegen qualifizierten Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten, wovon er 140 Tage in Haft beziehungsweise vorzeitigem Strafvollzug verbüsste. Der Rest der Strafe wurde bedingt ausgesprochen. Zudem ordnete das Bezirksgericht eine Landesverweisung für sieben Jahre an. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte den Entscheid im Jahr 2018.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde des Mannes ab. In seinem Entscheid befasst sich das Bundesgericht mit der Tragweite, die der im FZA enthaltenen Bestimmung zur Einschränkung der Personenfreizügigkeit im Bereich des Strafrechts zukommt. Gemäss dem massgeblichen Artikel 5 Absatz 1 Anhang I FZA dürfen die vom FZA eingeräumten Rechte nur durch Massnahmen eingeschränkt werden, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit und der Gesundheit gerechtfertigt sind.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) räumt den Vertragsstaaten bei der Auslegung und der Anwendung der fraglichen Bestimmung des FZA zwar eine prinzipielle Eigenständigkeit ein, beschränkt ihre Anwendung aber auf eine strikte Auslegung. Im Ausländerrecht geht die Rechtsprechung des Bundesgerichts ebenfalls davon aus, dass Einschränkungen der Personenfreizügigkeit eng auszulegen seien.
In seinem aktuellen Entscheid kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass Artikel 5 Absatz 1 Anhang I FZA im Bereich des Strafrechts nicht eng auszulegen ist, sondern dass der Sinn der Norm vielmehr ihrem Wortsinn entspricht. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sich beim FZA im Wesentlichen um ein wirtschaftsrechtliches und nicht um ein strafrechtliches Abkommen handelt. In einem Urteil vom vergangenen November hat das Bundesgericht bereits festgehalten, dass der Aufenthalt von EU-Bürgern in der Schweiz unter dem Vorbehalt eines rechtskonformen Verhaltens stehe (BGE 145 IV 55). Die einschränkende Auslegung der Vorbehalte von Artikel 5 Absatz 1 Anhang I FZA durch den EuGH ist auf seine integrativ wirkende, dynamische Rechtsanwendung zurückzuführen, welche auf die Harmonisierung und Vertiefung der EU abzielt. Diese Nuance der Rechtsprechung des EuGH hat die Schweiz für das Strafrecht nicht zu beachten.
Im Einzelfall haben die Gerichte gemäss dem Bundesgericht jeweils zu prüfen, ob das FZA eine strafrechtliche Landesverweisung hindern kann. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um die Prüfung der Verhältnismässigkeit staatlichen Handelns bei der Einschränkung der Freizügigkeit gemäss FZA. Wesentliches Kriterium für die Landesverweisung bildet die Intensität der Gefährdung der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit, der Gesundheit oder des Gemeinwohlinteresses durch den kriminellen Willen, wie er sich in den Taten realisiert, die gemäss Artikel 66a Absatz 1 des Strafgesetzbuches eine Ausweisung nach sich ziehen können. Vorliegend geht es um Drogenhandel mit einer Menge Kokain, welche die Grenze zum qualifizierten Fall um ein Vielfaches überschreitet. Der Beschwerdeführer liess ein Verhalten erkennen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der Gesundheit vieler Menschen darstellt. Es ist der gesetzgeberische Wille, dem Drogenhandel durch Ausländer einen Riegel zu schieben. Dies konnte auch dem Betroffenen angesichts der jahrelangen politischen Auseinandersetzung um die Ausschaffungsinitiative nicht unbekannt geblieben sein. Das FZA ermöglichte ihm die Einreise zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Mit dem beabsichtigten Kokainhandel ging er bewusst das Risiko ein, sein Aufenthaltsrecht zu verlieren.
Das Bundesgericht setzte sich in diesem Urteil auch ausführlich mit der Rechtsprechung zum FZA des Bundesgerichts sowie mit Leiturteilen des EuGH auseinander.
Besonders interessant sind die Ausführungen des Bundesgerichts in Ziff. 4.5: „Wesentliches Kriterium für die Landesverweisung bildet die Intensität der Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit oder des Gemeinwohlinteresses durch den kriminellen Willen, wie er sich in der konkreten Katalogtat des Art. 66a Abs. 1 StGB realisiert. In casu ist dieser Sachverhalt aus dem beabsichtigten Drogenhandel mit einer Menge Kokain, welche die Basismenge für den qualifizierten Fall um ein Vielfaches überschreitet (BGE 109 IV 143), zu erschliessen. Der Beschwerdeführer liess damit ein persönliches Verhalten erkennen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der Gesundheit vieler Menschen darstellt. Es ist der gesetzgeberische Wille, dem „Drogenhandel“ durch Ausländer einen Riegel zu schieben (Art. 121 Abs. 3 lit. a BV). Dies konnte dem Beschwerdeführer auch angesichts der jahrelangen politischen Auseinandersetzung um die Ausschaffungsinitiative nicht unbekannt geblieben sein. Das FZA ermöglichte ihm die Einreise zur selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit. Er erzielte ein „derzeitiges Einkommen“ von durchschnittlich zwischen 5’000 und 6’000 Franken (Urteil S. 11). Mit dem beabsichtigten Kokainhandel ging er bewusst das Risiko ein, sein Aufenthaltsrecht gemäss FZA zu verwirken. Er beruft sich unbehelflich im Nachhinein auf das FZA, das Drogendealern keinen Aufenthalt in der Schweiz gewährleistet. Die vorinstanzliche Entscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. „