Der Grosse Rat des Kantons Bern hatte im März 2018 eine Totalrevision des kantonalen Polizeigesetzes (PolG/BE) beschlossen. Das neue PolG/BE wurde in der Volksabstimmung vom 10. Februar 2019 angenommen. Mehrere Organisationen und Privatpersonen erhoben gegen den Erwahrungsbeschluss Beschwerde ans Bundesgericht. Sie beantragen die Aufhebung der Bestimmungen zur Kostentragung bei Veranstaltungen mit Gewalttätigkeiten und von Bestimmungen zur Wegweisung und Fernhaltung sowie zur Observation.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde an seiner öffentlichen Beratung vom Mittwoch teilweise gut und hebt Artikel 83 Absatz 1 litera h, Artikel 84 Absätze 1 und 4 und Artikel 118 Absatz 2 PolG/BE auf. Artikel 83 Absatz 1 litera h PolG/BE betrifft die Wegweisung oder Fernhaltung von Personen, wenn auf einem Grundstück des Gemeinwesens oder einem privaten Grundstück ohne Erlaubnis des Eigentümers oder des Besitzers campiert wird. Die Bestimmung steht in Verbindung mit Artikel 84 Absatz 4 PolG/BE, wonach entsprechende Wegweisungen schriftlich vor Ort verfügt werden; befolgen Betroffene die Wegweisung nicht innerhalb von 24 Stunden, kann die Kantonspolizei das Gelände räumen, sofern ein Transitplatz zur Verfügung steht. Aus der Entstehungsgeschichte und den Debatten im Grossen Rat ergibt sich, dass die beiden Bestimmungen ausschliesslich für die Fahrenden und zwecks Beschleunigung von deren Wegweisung erlassen wurden. Eine Prüfung anhand verschiedener Fallgruppen ergibt, dass die Bestimmungen sowohl für schweizerische und ausländische Fahrende, die länger an einem Ort verweilen, als auch für Fahrende auf der Durchreise – meist ausländische – einen unverhältnismässigen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben bedeuten. Die Regelungen sind deshalb aufzuheben.
Der ebenfalls aufzuhebende Artikel 84 Absatz 1 PolG/BE sieht vor, dass jegliche Massnahme zur Wegweisung und Fernhaltung automatisch und obligatorisch unter der Strafdrohung von Artikel 292 des Strafgesetzbuches ergeht. Dies ist in nicht schwerwiegenden Fällen weder erforderlich, um den Schutz der Öffentlichkeit zu gewährleisten, noch für die Betroffenen zumutbar. Betroffene müssten selbst in leichten Fällen zwangsläufig ein Strafverfahren durchlaufen oder wenn sie die Massnahme unverschuldet nicht respektiert haben.
Nicht zu beanstanden sind die Bestimmungen zur Kostentragung bei Veranstaltungen mit Gewalttätigkeiten (Artikel 54 bis 57 PolG/BE), die weitgehend denen im Luzerner Polizeigesetz entsprechen (BGE 143 I 147). Sowohl die Kostenregelung für Veranstalter, als auch diejenige für an Gewalttaten beteiligte Personen lassen sich verhältnismässig anwenden und sind mit der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit vereinbar. Sie bewirken keinen unzulässigen Abschreckungseffekt und wahren die abgaberechtlichen Prinzipien sowie die verfahrensrechtlichen Garantien.