Kriterien konkretisiert Kriterien für Härtefall-Beurteilung bei Landesverweisung

Das Bundesgericht konkretisiert im Urteil vom 23. November 2018 (6B_209/2018) die Kriterien für die Beurteilung, ob ein „Härtefall“ vorliegt, der zum Verzicht auf die strafrechtliche Landesverweisung führt. Bei einem in der Schweiz geborenen spanischen Staatsangehörigen aus dem Kanton Waadt ist aufgrund der konkreten Umstände von einem solchen Härtefall auszugehen.

Damit das in der Verfassung garantierte Verhältnismässigkeitsprinzip gewahrt wird, muss der Richter auf eine Landesverweisung verzichten, wenn die Voraussetzungen eines Härtefalls erfüllt sind. Im Gesetz wird indessen nicht ausgeführt, was unter einem persönlichen Härtefall zu verstehen ist und welche Kriterien bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. Aus der parlametarischen Debatte kann dazu nichts Konkretes abgeleitet werden. Allerdings geht daraus hervor, dass der Gesetzgeber Ausnahmen von der obligatorischen Landesverweisung restriktiv regeln und das richterliche Ermessen im Einzelfall so weit wie möglich einschränken wollte. Es ist gerechtfertigt, sich für die Anwendung der Härtefallklausel allgemein an den Kriterien zu orientieren, die im Ausländerrecht für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in einem schwerwiegenden persönlichen Härtefall gelten. Zu berücksichtigen sind demnach die Integration, die Respektierung der Rechtsordnung, die Familienverhältnisse – insbesondere der Zeitpunkt der Einschulung und die Dauer des Schulbesuchs der Kinder –, die finanziellen Verhältnisse sowie der Wille zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung, die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz, der Gesundheitszustand und die Möglichkeiten der Wiedereingliederung im Herkunftsstaat. Zusätzlich hat der Strafrichter die Aussichten auf soziale Wiedereingliederung des Verurteilten zu berücksichtigen. Zur Beurteilung der Situation von Ausländern, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind, können als Leitlinie die Kriterien herangezogen werden, die für den Entzug der Aufenthaltsbewilligung von Ausländern der zweiten Generation entwickelt wurden. Allerdings ist dabei im Auge zu behalten, dass mit der strafrechtlichen Landesverweisung das ausländerrechtliche Ausweisungsregime deutlich verschärft werden sollte.

Beim Beschwerdeführer ist aufgrund der konkreten Umständen von einem Härtefall aus – zugehen, bei dem das öffentliche Interesse an einem Landesverweis das private Interesse an einem Verbleib nicht überwiegt. Der Betroffene ist hier geboren und hat immer in der Schweiz gelebt. In der Schweiz leben auch alle seine Angehörigen (Grossmutter, Mutter), insbesondere seine beiden vier und sieben Jahre alten Kinder, zu denen er eine enge Beziehung unterhält. Er spricht wohl spanisch, hat aber keine familiären oder sozialen Beziehungen zu seinem Heimatland. Seine berufliche und finanzielle Integration ist nicht mustergültig, kann aber auch nicht als vernachlässigbar erachtet werden. Zwar weist er Vorstrafen auf; er wurde aber bis auf die Verurteilung von 2017 noch nie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Bei den beiden massgeblichen Raubtaten (Raub von Mobiltelefonen) hat er als Mittäter seines Cousins gehandelt, selber aber weder die Initiative ergriffen, noch Gewalt angewendet. Bis auf eine kurze Phase nach dem Verlust seiner Stelle im August 2016 bis zu seiner Inhaftierung im darauffolgenden Februar hat er immer gearbeitet und ist für seinen Lebensbedarf selber aufgekommen. Es bestehen somit realistische Aussichten auf eine Wiedereingliederung in der Schweiz nach der Strafverbüssung.

 

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