Keine ambulante Therapie im Mordfall Rupperswil – Urteil des Bundsgerichts vom 21. Mai 2019 (6B_237/2019)

Gegen den Täter des Vierfachmordes von Rupperswil/AG kann die von ihm beantragte vollzugsbegleitende ambulante therapeutische Massnahme nicht angeordnet werden, da mit der unangefochten gebliebenen Verwahrung von seiner langfristigen Untherapierbarkeit auszugehen ist. Das Bundesgericht weist im Urteil vom 21. Mai 2019 (6B_237/2019) seine Beschwerde, welche durch die Rechtsanwältin Renate Senn eingelegt worden ist, gegen den Entscheid des Aargauer Obergerichts ab.

Der Mann hatte 2015 in Rupperswil AG vier Personen getötet und in diesem Zusammenhang andere schwere Straftaten begangen. Das Bezirksgericht Lenzburg sprach ihn 2018 des mehrfachen Mordes sowie weiterer Delikte schuldig und verurteilte ihn zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Gleichzeitig ordnete es die ordentliche Verwahrung sowie eine vollzugsbegleitende ambulante therapeutische Massnahme zur Behandlung der psychischen Störungen des Betroffenen an. In teilweiser Gutheissung der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hob das Obergericht des Kantons Aargau die vollzugsbegleitende ambulante Massnahme auf

Das Bundesgericht weist die Beschwerde des Mannes ab, mit der er einzig den Verzicht auf die vollzugsbegleitende ambulante therapeutische Massnahme rügte. Die Anordnung einer therapeutischen Massnahme erfordert eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb von fünf Jahren eine wesentliche Verbesserung des für die Delikte relevanten schweren psychischen Störungsbildes bewirkt werden kann. Gegen den Betroffenen wurde eine lebenslange Freiheitsstrafe kombiniert mit einer ordentlichen Verwahrung ausgesprochen. Die Anordnung einer Verwahrung setzt die Unbehandelbarkeit beziehungsweise eine langfristige Nichttherapierbarkeit des psychisch gestörten Täters voraus. Die Verwahrung bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die für die Verwahrung vorausgesetzte Unbehandelbarkeit und die Aussichtslosigkeit einer therapeutischen Massnahme stehen somit fest, weshalb die Eingangsbedingungen für eine vollzugsbegleitende ambulante therapeutische Massnahme nicht erfüllt sind. Hierzu das Bundesgericht: „Die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme setzt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass sich durch eine solche Massnahme über die Dauer von fünf Jahren die Gefahr weiterer mit der psychischen Störung im Zusammenhang stehender Straftaten deutlich verringern bzw. eine tatsächliche Reduktion des Rückfallrisikos erreichen lässt. Eine lediglich vage, bloss theoretische Erfolgsaussicht genügt für die Anordnung therapeutischen Massnahme nicht […]. Nicht erforderlich ist hingegen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass über einen Behandlungszeitraum von fünf Jahren ein Zustand erreicht wird, der es rechtfertigt, dem Betroffenen Gelegenheit für eine Bewährung in Freiheit zu geben […]“ (E.2.2.1).

Mit deren Verweigerung ist das Obergericht im Übrigen auch nicht von den Gutachten der beiden Sachverständigen abgewichen. Diese haben vor Obergericht bestätigt, dass innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre keine deutliche Verbesserung der Rückfall – gefahr zu erreichen sei. Dass von der Anordnung einer therapeutischen Massnahme abgesehen wird, bedeutet nicht, dass der Betroffene nicht die nötige Unterstützung erhalten könnte. Die Vorinstanz hat auf die im Rahmen des Strafvollzugs angebotenen Möglichkeiten verwiesen, namentlich auf die freiwillige psychiatrische Versorgung. Es wird zudem von Gesetzes wegen regelmässig zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen für einen Übertritt in eine stationäre therapeutische Behandlung erfüllt sind.

Interessant sind weiter auch die folgenden Ausführungen des Bundesgerichts: „Ausgangspunkt für die Beurteilung des vorliegenden Falles bildet der Umstand, dass die Vorinstanz eine lebenslängliche Freiheitsstrafe ausgesprochen und diese mit einer ordentlichen Verwahrung gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB kombiniert hat. Die Anordnung einer Verwahrung setzt […] Behandlungsunfähigkeit bzw. Unbehandelbarkeit des gefährlichen, psychisch gestörten Täters voraus. Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde in Strafsachen nicht gegen die Anordnung der Verwahrung. Damit bildet die Frage, ob die Anordnung einer Verwahrung neben der lebenslänglichen Freiheitsstrafe im zu beurteilenden Fall vor Bundesgericht standhält, mangels entsprechender Rüge nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, zumal das Bundesgericht grundsätzlich nur die erhobenen Rügen überprüft […]. Davon umfasst ist auch die für die Verwahrung vorausgesetzte Unbehandelbarkeit des Beschwerdeführers und damit der Aussichtslosigkeit einer therapeutischen Massnahme. Soweit bei dieser Sachlage davon auszugehen ist, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für eine therapeutische Massnahme nicht erfüllt sind, bleibt im vorliegenden Fall grundsätzlich auch kein Raum für die Anordnung einer ambulanten Massnahme. Das angefochtene Urteil ist insofern nicht zu beanstanden. Die beiden Massnahmen schliessen sich im Übrigen auch in rechtlicher Hinsicht aus […]“ (E. 4.1).

Spannend ist, warum der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsanwältin Renate Senn nicht sich in der Berufung nicht gegen die Anordnung einer Verwahrung wandte bzw. die entsprechende Rüge anbrachte.

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