Interview mit Stefan Oesterhelt und Andrea Opel zum Kommentar Amtshilfe, Helbing Lichtenhahn Verlag (ISBN 978-3-7190-4036-9)

Zur Erscheinung des Kommentars Amtshilfe haben wir ein Interview mit dem Mit-Herausgeber Stefan Oesterhelt (Partner Homburger) und der Autorin Prof. Dr. Andrea Opel (Universität Luzern und Konsulentin in einer Wirtschaftsanwaltskanzlei) geführt. Das Werk Amtshilfe, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, herausgegeben von Martin Zweifel, Michael Beusch und Stefan Oesterhelt, im Helbing Lichtenhahn Verlag (ISBN 978-3-7190-4036-9) ist seit letzter Woche erhältlich. Hier geht es zum LAWSTYLE-Bericht zur Erscheinung des Buches.

Wie fühlen Sie sich nun, als der Amtshilfe-Kommentar erschienen ist?
Oesterhelt: Auch im digitalen Zeitalter habe ich immer wieder Freude daran, in einem physischen Buch blättern zu können.
Opel: Es ist in der Tat ein schönes Gefühl, die Früchte intensiver Arbeit in Händen zu halten.

Wie entstand die Idee einen eigenen Band zur Amtshilfe in der sehr renommierten Reihe Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht aus dem Helbing Lichtenhahn Verlag zu schreiben?
Oesterhelt: Die Steueramtshilfe hat in den letzten Jahren grosse Bedeutung erlangt und Politiker, Gerichte, Anwälte, Banken und Berater stark beschäftigt. Leider sind die einschlägigen Rechtsquellen nicht einfach zugänglich. Da bot sich eine umfassende Kommentierung dieses komplexen Rechtsgebiets nachgerade an. Die Reihe „Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht“ war für mich die natürliche Wahl, nachdem ich als hauptverantwortlicher Herausgeber dort bereits den Band „Umstrukturierungen“ herausgebracht habe.

Im Vorwort erwähnen Sie, dass die Staatsamtshilfe sich zu einem sehr dynamischen Gebiet entwickelt hat und der Schweiz dabei weltweit eine Schlüsselrolle zukomme. Können Sie uns das bitte näher erläutern?
Opel: Seit rund 10 Jahren erst bietet die Schweiz Hand zum OECD-konformen Informationsaustausch. Die Entwicklungen haben sich in den letzten Jahren überschlagen: Am Anfang ging es noch um Amtshilfe auf Ersuchen, seit ein paar Jahren werden Informationen spontan und automatisch ausgetauscht. Als zentraler Finanzplatz steht die Schweiz ganz besonders im Fokus ausländischen Anfragen.

Als Autorinnen und Autoren des Werks figurieren viele Damen und Herren aus der Wissenschaft, Justiz, Verwaltung sowie der Welt der Anwaltskanzleien. Wie lief die Koordination der Autorenschaft?
Opel: Das Gesamtwerk steht und fällt mit jedem einzelnen Beitrag. Daher mein grosses Kompliment an die Herausgeberschaft, welche die drei curae in eligendo, instruendo und custodiendo, d.h. bei der Auswahl der «Erfüllungsgehilfen», deren Anleitung und Überwachung vorbildlich umgesetzt hat.

Das Werk handelt die Themen in sehr übersichtlich gegliederten Teilen und Kapiteln und nicht in der klassischen Kommentarform ab. War die Wahl dieser Gliederung für die Herausgeber von vornherein gegeben? Sind Sie mit der Gewichtung der einzelnen Teile bzw. Themenschwerpunkte zufrieden?
Oesterhelt: Nein, das war am Anfang alles andere als klar. Am Anfang sind wir in der Tat von der klassischen Kommentarform gestartet. Das Zusammenspiel zwischen Staatsvertragsrecht und nationalem Recht bei der Amtshilfe erwies sich aber als deart komplex, dass wir diesen Plan aufgegeben und das Werk nach Themen gegliedert haben. Bis jetzt bin ich mit der Gewichtung der einzelnen Themenschwerpunkte sehr zufrieden. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir nicht bloss die klassischen Amtshilfethemen abdecken, sondern über den Tellerrand hinausblicken und z.B. auch Datenschutz, Strafrecht (Art. 271 StGB) als auch Verständigungsverfahren und Advance Pricing Agreements (APA) abdecken.

Dem Automatischen Informationsaustausch ist ein eigener Teil mit sechs Kapiteln, darunter auch ein Kapitel über Pflichten der Finanzinstitute, und einem Umfang von deutlich über 400 Seiten gewidmet. Was können Sie uns hierzu verraten?
Oesterhelt: Der Automatische Informationsaustausch (AIA) ist wohl für die meisten Anwälte und Steuerberater ein Buch mit sieben Siegeln. Ich hoffe, dass der Zugang zu dieser sowohl wichtigen als auch komplexen Materie durch unseren Kommentar einfacher wird. Petrit Ismajli, Leiter Steuern der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) hat mich hier ganz hervorragend unterstützt, indem er das Autorenteam – die AIA-Spezialisten der wichtigsten Banken, Versicherungen und Beratungsunternehmen sowie Vertreter der ESTV – zusammengestellt und wöchentlich einen Koordinationscall mit den Autoren abgehalten hat. Dies trug nicht nur wesentlich zu einer homogenen Kommentierung bei, sondern letztlich auch zu einer einheitlichen Handhabung des AIA auf dem Finanzplatz Schweiz.

Welche Kernaussagen können Sie uns in wenigen Sätzen zum aktuellen Stand vom Automatischen Informationsaustausch machen?
Opel: Mit dem automatischen Informationsaustausch ist die Steuerwelt transparent geworden. Das war ein wichtiger und richtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Steuerehrlichkeit. Kehrseite der Medaille sind Datenschutz- und Rechtsschutzbedenken, denen kaum Rechnung getragen wird.

Welche Kapitel bzw. Themenbereiche aus dem Kommentar dürften in der derzeit besonders aktuell sein?
Opel: Ich gehe davon aus, dass Amtshilfe auf Ersuchen ein grosses Thema bleibt – trotz der Austauschmechanismen. Immer mehr stellen auch die Schweizer Steuerbehörden basierend auf automatisch ausgetauschten Informationen Zusatzanfragen ans Ausland. Von Bedeutung sind heute und in Zukunft sicherlich auch Datenschutzaspekte.

In welchen Themengebieten erhoffen Sie sich Zitate durch das Bundesgericht?
Opel: Das Bundesgericht hat bislang äusserst amtshilfefreudig entschieden – in zentralen Punkten fast immer anders als das Bundesverwaltungsgericht als Vorinstanz. In der Lehre ist dieser Rechtsprechung einige Kritik erwachsen. Meine Hoffnung wäre, dass das Bundesgericht die im Kommentar geäusserten Literaturstimmen ernst nimmt und reflektiert.

Gibt es im Kommentar auch Ausführungen zu COVID-19? Und wie hat sich die Pandemie auf die Fertigstellung des Werkes ausgewirkt?
Opel: Auf das Werk selbst nicht. Nicht auszuschliessen ist aber, dass sich die Coronakrise als Katalysator für die Amtshilfe entpuppt. Der Finanzbedarf der Staaten hat sich sprunghaft erhöht, was die Anstrengungen der Steuerbehörden zusätzlich befeuern dürfte.
Oesterhelt: COVID-19 führt auch im Bereich des Steuerrechts zu einigen neuen Fragestellungen. Deshalb haben Andrea Opel und ich als Herausgeber der Steuer Revue die Juni-Nummer zum „Corona-Spezial“ gemacht und bringen dort ausschliesslich Beiträge im Zusammenhang mit COVID-19.

Herr Oesterhelt, wie beurteilen Sie als Partner einer grossen Wirtschaftsanwaltskanzlei die Unterschiede der Herangehensweise an Steuerthemen zwischen Advokatur, Verwaltung und Justiz?
Die Herangehensweise unterscheidet sich fundamental. Während Justiz und Verwaltung einen gegebenen Sachverhalt beurteilen müssen, kann man in der Steuerberatung in der Regel noch Einfluss auf die Gestaltung des Sachverhalts nehmen und diesen optimal strukturieren. In diesen Fällen kommt man als Steuerberater zwar in Kontakt mit der Verwaltung, aber nicht mit der Steuerjustiz. Anders verhält es sich nur, wenn man zu spät beigezogen wird und man keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung nehmen kann. Dann kann es durchaus geschehen, dass man sich zusammen mit der Verwaltung vor den Gerichten wieder sieht.

Frau Prof. Opel, was können Sie uns über die Gewichtung des Steuerrechts bei den Studierenden der Universität Luzern erzählen? Wie machen Sie das Thema an der Uni den Studierenden beliebt?
Steuerrechtliche Vorlesungen werden überwiegend von ambitionierten Studierenden besucht, die eine Tätigkeit in Bereich des Wirtschaftsrechts anstreben. Das sind immer mehr auch Frauen. Das Steuerrecht ist eine spannende, herausfordernde Materie und pflegt enge Querbezüge zu anderen Rechtsgebieten – der Funken springt erfahrungsgemäss immer dann auf die Studierenden über, wenn mich selbst fasziniert, was ich vortrage.

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