Nach einer Trennung stellt sich jeweils die Frage, ob eine Person der anderen und den gemeinsamen Kindern zur Deckung des täglichen Bedarfs Unterhaltsbeiträge leisten muss. Diese Beiträge können in einer Vereinbarung oder schliesslich vom Gericht festgelegt werden. Erhält die berechtige Person die Unterhaltsbeiträge nicht regelmässig oder rechtzeitig, hat der Gesetzgeber im Zivilgesetzbuch das Gemeinwesen verpflichtet, Kindern und Ehegatten beim Inkasso der Unterhaltsbeiträge zu helfen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Inkassohilfe wird bis anhin den Kantonen überlassen. Da sie den Vollzug aber sehr unterschiedlich handhaben, führt dies nicht nur zu einer ungleichen Behandlung, sondern auch zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit.
Einheitlicher Mindestkatalog für Leistungen
Mit der nun verabschiedeten Inkassohilfeverordnung will der Bundesrat eine schweizweite Gleichbehandlung erreichen. Sie wird Grundlage für die Tätigkeit der Fachstellen, die in den Kantonen Inkassohilfe leisten müssen. Die Fachstelle wird auf Gesuch der unterhaltsberechtigen Person tätig und soll die nach ihrem Ermessen im Einzelfall notwendigen Leistungen erbringen. Die Verordnung enthält dazu einen Mindestkatalog von Leistungen, die jede Fachstelle anbieten muss. Dazu gehören ein persönliches Beratungsgespräch mit der unterhaltsberechtigten Person und eine schriftliche Kontaktaufnahme mit der unterhaltspflichtigen Person bis hin zur Einleitung eines Betreibungsverfahrens, der Einreichung eines Schuldneranweisungsgesuchs oder der Erstattung eines Strafantrags wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten.
Zu den vorgesehenen Leistungen der Inkassohilfe gehört auch die Meldung an die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung. So wird es künftig nicht mehr möglich sein, dass sich jemand Vorsorgekapital der 2. Säule (berufliche Vorsorge) auszahlen lässt und gleichzeitig seine Unterhaltspflichten vernachlässigt. Die Fachstellen werden den Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtungen Personen melden können, die ihre Unterhaltspflicht nicht erfüllen. Die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen werden ihrerseits verpflichtet, die Inkassohilfestellen umgehend zu informieren, wenn Vorsorgekapital ausbezahlt werden soll.
Entlastung für das Gemeinwesen
Die angestrebte Professionalisierung und Stärkung der Inkassohilfestellen soll dazu beitragen, dass das Gemeinwesen bei der Alimentenbevorschussung und Sozialhilfe entlastet wird.
Im Rahmen der Vernehmlassung zur neuen Inkassohilfeverordnung wurde die Einführung eines bundesrechtlichen Rahmens mit einheitlichen Mindestanforderungen für Leistungen der Inkassohilfe ausdrücklich positiv bewertet.
Für die notwendigen Anpassungen erhalten die Kantone zwei Jahre Zeit. Die Verordnung tritt per 1. Januar 2022 in Kraft. Innerhalb der gleichen Frist werden sich auch die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen auf die neuen gegenseitigen Melderechte und -pflichten vorbereiten können. Gleichzeitig mit der Inkassohilfeverordnung hat der Bundesrat auch die Bestimmungen der Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Kindesunterhalt) vom 20. März 2015, die bislang noch nicht in Kraft gesetzt worden sind (AS 2015 4299 5017), per 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt.