«Digital only»-Pflicht für Parteivertreter im Verkehr mit Zürcher Behörden und Gerichten ist zulässig

Der Kanton Zürich darf von Anwältinnen und Anwälten sowie von anderen berufsmässigen Parteivertretern verlangen, ab 2026 Verfahrenshandlungen mit kantonalen Verwaltungsbehörden und Gerichten ausschliesslich auf elektronischem Weg vorzunehmen. Der damit verbundene leichte Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit liegt gemäss dem Urteil 2C_113/2024 vom 3. Dezember 2024 des Bundesgerichts (zur amtl. Publ. vorgesehen) im öffentlichen Interesse und ist verhältnismässig.

Sachverhalt

Der Zürcher Kantonsrat verabschiedete 2023 eine Teilrevision des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege. Anwältinnen und Anwälte sowie andere berufsmässige Parteivertreter werden verpflichtet, ab dem 1. Januar 2026 Verfahrenshandlungen mit Verwaltungsbehörden und Gerichten ausschliesslich auf elektronischem Weg vorzunehmen.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_113/2024 vom 3. Dezember 2024

Zusammenfassung

Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde eines Anwaltsbüros aus dem Kanton Zürich und eines Anwalts aus dem Kanton Aargau ab. Unter «elektronische Verfahrenshandlungen» fallen die Nutzung der von den Behörden zu bestimmenden elektronischen Übermittlungskanäle sowie das Versehen unterschriftsbedürftiger Eingaben mit einer qualifizierten elektronischen Signatur eines anerkannten Zertifizierungsdienstes.

Die fragliche Regelung ist gemäss dem Bundesgericht mit der Wirtschaftsfreiheit gemäss Artikel 27 der Bundesverfassung vereinbar. Die Pflicht, Verfahrenshandlungen elektronisch vorzunehmen, stellt nur eine leichte Einschränkung dieses Grundrechts dar. Die Vereinfachung und die Beschleunigung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bilden ein öffentliches Interesse und der elektronische Rechtsverkehr ist ein grundsätzlich geeignetes Mittel, um diese Ziele zu erreichen. Die Zürcher «digital only»-Pflicht erweist sich auch als verhältnismässig. Eine qualifizierte elektronische Unterschrift kostet derzeit bei Einzelabrechnung höchstens 2.50 Franken, im Abonnement je nach Anbieter teilweise deutlich weniger. Die Kosten für physische Behördeneingaben liegen dagegen bei 5.80 Franken pro Einschreiben. Kaum ins Gewicht fällt der Aufwand für die Registrierung bei einem Anbieter elektronischer Signaturen. Unproblematisch ist weiter, dass keine Übergangsfrist vorgesehen wurde. Die Umstellung auf die «digital only»-Pflicht erweist sich somit auch in zeitlicher Hinsicht als zumutbar. Schliesslich ist das Obligatorium mit dem Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vereinbar.

Einzelne Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 2C_113/2024 vom 3. Dezember 2024 im Detail

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens vor Bundesgericht sind Bestimmungen des am 30. Oktober 2023 revidierten VRG/ZH, die vorsehen, dass Personen, die berufsmässig Parteien vor Verwaltungsbehörden oder Gerichten vertreten bzw. gestützt auf die Anwaltsgesetzgebung zur Parteivertretung befugt sind (ebenso wie die mit diesen Personen verkehrenden Behörden), zur Vornahme elektronischer Verfahrenshandlungen verpflichtet sind. Eine Legaldefinition des Begriffs der elektronischen Verfahrenshandlungen enthält die VRG/ZH-Novelle nicht; aus den §§ 4e und 4f nVRG/ZH geht jedoch hervor, dass damit die Verwendung von durch die Behörden zu bestimmenden elektronischen (Übermittlungs-) Kanälen (vgl. dazu die §§ 2-4 der Verordnung über elektronische Verfahrenshandlungen im Verwaltungsverfahren [nVEVV/ZH; siehe Sachverhalt, B.]) sowie das Versehen unterschriftsbedürftiger Behördeneingaben mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss dem Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz über die elektronische Signatur, ZertES; SR 943.03) gemeint sind (E.3.1).

Das Bundesgericht führt im Urteil 2C_113/2024 vom 3. Dezember 2024 aus:

«Eine qualifizierte elektronische Signatur ist ein auf einem qualifizierten digitalen Zertifikat beruhendes Instrument zur Bestätigung der Echtheit elektronischer Daten, das einer natürlichen Person zugeordnet ist und deren Identifikation ermöglicht (vgl. zu den technischen Grundlagen des elektronischen Rechtsverkehrs MARKUS WINKLER, in: Digitaler Geschäftsverkehr, 2022, S. 1 ff.). Unternehmen, welche die entsprechende Infrastruktur bereitstellen bzw. digitale Zertifikate herausgeben (Anbieterinnen von Zertifizierungsdiensten; vgl. Art. 2 lit. k ZertES), bedürfen der Anerkennung durch eine akkreditierte Anerkennungsstelle (vgl. Art. 2 lit. l ZertES) und werden durch diese überwacht (vgl. dazu die Art. 3-5 ZertES; vgl. auch https://www.sas.admin.ch > Wer ist akkreditiert? > Suche akkreditierte Stellen SAS > Elektronische Signatur [besucht am 20. November 2024]). Qualifizierte elektronische Signaturen im Sinn des ZertES werden mittlerweile von mehreren Unternehmen aus dem In- und Ausland angeboten (vgl. die am 1. September 2023 unter https://www.netzwoche.ch/news/2023-08-28/so-sieht-der-schweizer-markt-fuer-digitale-signaturloesungen-aus/0lt0 veröffentlichte Marktübersicht [besucht am 20. November 2024]).» (E.3.2).

«Ausgangspunkt der Revision des VRG/ZH vom 30. Oktober 2023 ist der neu ins Gesetz eingefügte § 4b, der klarstellt, dass „schriftliche“ Verfahrenshandlungen nicht nur in Papierform, sondern auch elektronisch erfolgen können (Abs. 1) und teilweise elektronisch erfolgen müssen (vgl. Abs. 2 i.V.m. § 4d). Diese grundlegende Neuausrichtung der Modalitäten des Verwaltungs- und Verwaltungsrechtspflegeverfahrens im Kanton Zürich hatte sodann die Aufnahme bzw. Anpassung mehrerer weiterer Bestimmungen ins bzw. des VRG/ZH zur Konsequenz, namentlich von § 4c (behördliche Aktenführung), § 8 (Ausübung des Akteneinsichtsrechts), § 10a (Mitteilung von Anordnungen) sowie der §§ 11 und 12 (Verfahrensfristen).» (E.3.3).

«Die Beschwerdeführer rügen, § 4d Abs. 1 lit. b und Abs. 2 nVRG/ZH bewirke eine Verletzung ihrer in Art. 27 BV garantierten Wirtschaftsfreiheit. Sie sind der Ansicht, die Pflicht von Anwältinnen und Anwälten und weiterer berufsmässiger Parteivertreter zur Vornahme elektronischer Verfahrenshandlungen stelle einen Eingriff in das besagte Grundrecht dar und sei weder durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt noch verhältnismässig.» (E.4).

«Nach Art. 27 Abs. 1 BV ist die Wirtschaftsfreiheit gewährleistet. Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufs, den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung (Art. 27 Abs. 2 BV; vgl. BGE 147 V 423 E. 5.1.3). Mit Blick auf die Freiheit der Berufsausübung umfasst der Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit u.a. die freie Wahl der Organisationsform (vgl. BGE 138 II 440 E. 16 und 18) und weitere Aspekte der betrieblichen Organisation (vgl. BGE 138 II 42 E. 3.1; Urteil 5A_198/2023 vom 8. März 2024 E. 7.4; vgl. zur Organisationsfreiheit auch MARC M. WINISTÖRFER, Die Wirtschaftsfreiheit als Grundlage der Wirtschaftsverfassung, 2021, S. 145 f. und 146 f.), die Vertragsfreiheit (vgl. BGE 146 I 70 E. 6.1; 143 I 395 E. 4.1), die Werbefreiheit (vgl. BGE 144 I 281 E. 7.2; vgl. dazu WINISTÖRFER, a.a.O., S. 148 f.) sowie die Freiheit der Ein- und Ausfuhr von Produkten (vgl. BGE 124 III 321 E. 2g; vgl. zum Ganzen auch GIOVANNI BIAGGINI, Kommentar zur Bundesverfassung, 2. Aufl. 2017, N. 9 f. zu Art. 27 BV).» (E.4.1).

«Das in Art. 27 BV verbürgte Grundrecht auf Wirtschaftsfreiheit ist in Zusammenhang mit Art. 94 Abs. 1 (und Abs. 4) BV zu sehen (Urteil 2C_659/2020 vom 23. Dezember 2021 E. 5.2; vgl. auch BGE 147 V 423 E. 5.1.3; Urteil 2C_791/2022 vom 22. März 2024 E. 8.2). Danach dürfen Bund und Kantone prinzipiell nur solche Vorschriften erlassen, die mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit in Einklang stehen (sog. grundsatzkonforme Massnahmen; vgl. VALLENDER / HETTICH, in: St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, 4. Aufl. 2023, N. 5 zu Art. 94 BV). Als grundsatzkonform gelten Massnahmen, die dem Polizeigüterschutz dienen, sowie sozialpolitische Vorschriften und andere Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit, die nicht wirtschaftspolitisch motiviert sind (BGE 147 V 423 E. 5.1.3; vgl. auch BGE 143 I 403 E. 5.2 mit Hinweisen). Sofern die Grundsatzkonformität eines Eingriffs in die Wirtschaftsfreiheit zu bejahen ist, bleibt zu prüfen, ob er vor der allgemeinen Schrankenordnung von Art. 36 BV standhält (vgl. Urteile 2C_659/2020 vom 23. Dezember 2021 E. 5.2; 2C_940/2010 vom 17. Mai 2011 E. 3.1). Nach dieser bedürfen Einschränkungen von Grundrechten einer gesetzlichen Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV). Zudem müssen sie sich durch ein öffentliches Interesse rechtfertigen lassen (Art. 36 Abs. 2 BV) und verhältnismässig, d.h. für das Erreichen des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich sowie in Anbetracht der Eingriffsschwere für die Betroffenen zumutbar, sein (Art. 36 Abs. 3 BV; vgl. BGE 146 I 70 E. 6.4 mit Hinweisen). Der Kerngehalt ist unantastbar (Art. 36 Abs. 4 BV).» (E.4.2).

«Vorliegend ist mit den Beschwerdeführern insoweit einig zu gehen, als die gesetzliche Pflicht, unterschriftsbedürftige Eingaben mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, einen Eingriff in die freie Wahl der betrieblichen Sachmittel und Verfahren bzw. in die unternehmerische Organisationsautonomie berufsmässiger Parteivertreter bewirkt und damit den Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung berührt. Dies wird seitens des Beschwerdegegners denn auch nicht bestritten. Nicht zu folgen ist den Beschwerdeführern hingegen, wenn sie ausführen, die Schwere der Freiheitsbeschränkung sei unerheblich, da die angefochtenen Bestimmungen in einem formellen Gesetz enthalten sind (vgl. Art. 36 Abs. 1 BV). Wie in E. 4.2 hiervor dargelegt, beurteilt sich die Zumutbarkeit eines Eingriffs in den Schutzbereich eines Grundrechts für die Betroffenen nach Massgabe seiner Intensität. Hierzu ist festzuhalten, dass die Pflicht, Behördeneingaben elektronisch zu signieren und zu übermitteln, die Tätigkeit berufsmässiger Parteivertreter im Allgemeinen nur geringfügig beeinflusst. Zwar wird die Umstellung auf das Obligatorium kurzfristig zu einem gewissen betrieblichen Mehraufwand führen; unter dem Blickwinkel von Art. 27 BV ist dieses jedoch vor allem deshalb nicht als schwerwiegender Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung zu qualifizieren, weil es einzig das Signieren und Versenden von Eingaben und damit nicht die Kernaufgaben berufsmässiger Parteivertreter (Beratung der Klienten, Beurteilung der Sachverhalts- und Rechtslage, Verfassen von Rechtsschriften), sondern einen rein administrativen Nebenaspekt ihrer Tätigkeit betrifft (vgl. in diesem Kontext Urteil 2C_283/2009 vom 23. November 2009 E. 3.2). Auf den mit dem vorliegend strittigen Obligatorium konkret verbundenen Aufwand wird im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung näher einzugehen sein (vgl. E. 6.5.1-6.5.3 hiernach).» (E.4.3.3).

«Nach dem Gesagten stellt die in § 4d nVRG/ZH vorgesehene Pflicht berufsmässiger Parteivertreter, Verfahrenshandlungen elektronisch vorzunehmen, eine als leicht einzustufende Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit dar.» (E.4.3.4).

«Die Beschwerdeführer halten in ihrer Replik fest, dass sich die seitens des Beschwerdegegners namhaft gemachten Effizienzsteigerungen nur erreichen liessen, wenn die Pflicht zur digitalen Einreichung von Eingaben auf sämtliche Privatpersonen ausgedehnt würde, was indes zu Recht nicht erfolgt sei und zudem politisch nicht mehrheitsfähig wäre. Sodann sei klarzustellen, dass der Zürcher Anwaltsverband den „Digitalisierungszwang“ nicht begrüsst, sondern betont habe, die Einführung einer Pflicht berufsmässiger Parteivertreter zur Vornahme elektronischer Verfahrenshandlungen erfolge angesichts der bundesrechtlichen Entwicklungen in diesem Bereich verfrüht. Schliesslich lasse sich weder aus den deutlichen Mehrheitsverhältnissen im Kantonsrat noch aus dem hochgradig allgemein gehaltenen Art. 70 Abs. 2 KV/ZH ein öffentliches Interesse an möglichst viel Digitalisierung ableiten.» (E.5.3).

«Der Begriff des öffentlichen Interesses ist zeitlich und örtlich variabel und umfasst zunächst den Schutz der Polizeigüter (öffentliche Ordnung und Sicherheit, öffentliche Gesundheit, öffentliche Ruhe, Treu und Glauben im Geschäftsverkehr), aber auch kulturelle, ökologische sowie soziale Werte wie sie namentlich in den Staatsaufgaben zum Ausdruck kommen (BGE 142 I 49 E. 8.1; Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 1 ff., S. 195). Die öffentlichen Interessen konkretisieren sich in der Regel im politischen Prozess der demokratischen Rechtsetzung, die indessen nicht in einer politischen Beliebigkeit erfolgt, sondern im Lichte des Wertesystems der Gesamtrechtsordnung (BGE 142 I 49 E. 8.1; vgl. auch BGE 138 I 378 E. 8.3; MOOR / FLÜCKIGER / MARTENET, Droit administratif, Bd. I, 3. Aufl. 2012, S. 756 f.; ferner MARTIN PHILIPP WYSS, Öffentliche Interessen – Interessen der Öffentlichkeit?, 2001, S. 202). Demnach kommt dem Verfassungs- und Gesetzgeber bei der Umschreibung und Gewichtung der öffentlichen Interessen ein erheblicher Spielraum zu (BGE 119 Ia 197 E. 3c; vgl. auch BGE 138 IV 13 E. 3.4.2 und 7.3; BIAGGINI, a.a.O., N. 18 zu Art. 5 BV; JACQUES DUBEY, in: Commentaire romand, 2021, N. 79 zu Art. 5 BV; BENJAMIN SCHINDLER, in: St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung, 4. Aufl. 2023, N. 50 zu Art. 5 BV). Der Gesetzgeber kann im Rahmen des verfassungsrechtlich Vorgegebenen auch neue Ziele verfolgen (vgl. BGE 138 I 378 E. 8.3; PETER KARLEN, Schweizerisches Verwaltungsrecht, 2018, S. 56) oder die Modalitäten der Zielerreichung den gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen anpassen (vgl. zur Wandelbarkeit der öffentlichen Interessen HÄFELIN / MÜLLER / UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2020, N. 465 ff.; TSCHANNEN / MÜLLER / KERN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2022, N. 445).» (E.5.4.1).

«Führt die Verfolgung eines öffentlichen Interesses zu einem Grundrechtseingriff, muss dieses Interesse ein zulässiges Eingriffsmotiv bilden; darf das betroffene Grundrecht nicht aus dem vom Gemeinwesen angeführten Grund eingeschränkt werden, fällt dieser nicht als (hinreichend bedeutsames) öffentliches Interesse („intérêt public pertinent“; vgl. BGE 148 I 160 E. 7.9; 144 I 50 E. 6.4; 131 I 333 E. 2.1) in Betracht (BGE 142 I 49 E. 8.1; vgl. auch HÄFELIN / HALLER / KELLER/ THURNHERR, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 11. Aufl. 2024, N. 332; THIERRY TANQUEREL, Manuel de droit administratif, 2. Aufl. 2018, N. 542). Ob eine bestimmte staatliche Massnahme im öffentlichen Interesse liegt und ob dieses Interesse bedeutsam genug ist, um eine Einschränkung des von der Massnahme betroffenen Grundrechts zu rechtfertigen, ist durch Auslegung der Grundrechtsnorm und der einschlägigen Ziel- bzw. Aufgabennormen zu ermitteln (vgl. DUBEY, a.a.O., N. 80 f. zu Art. 5 BV; SCHINDLER, a.a.O., N. 51 zu Art. 5 BV).» (E.5.4.2).

«Gemäss Art. 70 Abs. 2 KV/ZH sorgt der Regierungsrat dafür, dass die Verwaltung rechtmässig, effizient, kooperativ, sparsam und bürgerfreundlich handelt. Nach Art. 95 Abs. 3 KV/ZH haben Kanton und Gemeinden sicherzustellen, dass die öffentlichen Aufgaben wirkungsvoll, wirtschaftlich, nachhaltig und von der geeigneten Trägerschaft erfüllt werden. Damit hat der kantonale Verfassungsgeber (u.a.) den Maximen der Effizienz und Wirtschaftlichkeit des staatlichen Handelns explizit Verfassungsrang zuerkannt. Er bringt damit zum Ausdruck, dass die behördliche Aufgabenerfüllung mit einem möglichst geringen Mitteleinsatz erfolgen soll (ISABELLE HÄNER, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 8 zu Art. 70 KV/ZH). Sodann gewährleistet Art. 18 Abs. 1 KV/ZH einen grundrechtlichen Anspruch auf rasche und wohlfeile Verfahrenserledigung vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen und verpflichtet Art. 74 Abs. 1 KV/ZH den kantonalen Gesetzgeber und die kantonalen Gerichte dazu, für eine verlässliche und rasche Rechtsprechung zu sorgen. Im Sinne dieser Verfassungsvorgaben sowie des in Art. 29 Abs. 1 BV (und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) verankerten Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist hält § 4a VRG/ZH („Beschleunigungsgebot“) fest, dass die Verwaltungsbehörden die bei ihnen eingeleiteten Verfahren beförderlich behandeln und ohne Verzug für deren Erledigung sorgen. Im Rahmen der Auslegung von § 4a VRG/ZH ist zu beachten, dass der Anspruch auf rasche Verfahrenserledigung gemäss Art. 18 Abs. 1 KV/ZH nach dem Willen des kantonalen Verfassungsgebers weiter geht als jener gemäss Art. 29 Abs. 1 BV (vgl. GIOVANNI BIAGGINI, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 15 zu Art. 18 KV/ZH; KASPAR PLÜSS, in: Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 3. Aufl. 2014, N. 5 zu § 4a VRG/ZH). Vor diesem Hintergrund besteht im Kanton Zürich zweifellos ein beträchtliches öffentliches Interesse an möglichst effizienten bzw. raschen Verwaltungs- und Justizverfahren.» (E.5.5).

«Das in Art. 29 Abs. 1 BV statuierte und im Kanton Zürich in Richtung eines Beschleunigungsgebots konkretisierte Rechtsverzögerungsverbot steht gemäss dem Schrifttum in einem engen Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verfahrens- bzw. Prozessökonomie (vgl. insbesondere CHRISTOPH BÜRKI, Verwaltungsjustizbezogene Legalität und Prozessökonomie, 2011, S. 128 ff.; vgl. ferner KIENER / RÜTSCHE / KUHN, Öffentliches Verfahrensrecht, 2. Aufl. 2021, N. 103; KÖLZ / HÄNER / BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, N. 260 ff.; WIEDERKEHR / MEYER / BÖHME, Prozessökonomie als Verfahrensgrundsatz, recht 2021 S. 131 f.). Dieser allgemeine und übergreifende Grundsatz, der zahlreiche positiv- sowie richterrechtliche Ausprägungen erfahren hat (vgl. WIEDERKEHR / PLÜSS, Praxis des öffentlichen Verfahrensrechts, 2020, N. 1522 ff.), verlangt von den Verwaltungsbehörden und Gerichten, die bei ihnen anhängig gemachten Verfahren in möglichst kurzer Zeit und mit für alle Beteiligten möglichst geringem Kostenaufwand zum Abschluss zu bringen (vgl. BEAT BRÄNDLI, Prozessökonomie im schweizerischen Recht, 2013, N. 577; DANIELA THURNHERR, Verfahrensgrundrechte und Verwaltungshandeln, 2013, N. 223 und 225; vgl. auch WIEDERKEHR / MEYER / BÖHME, Grundsätze rechtsstaatlichen Verfahrenshandelns, AJP 2023 S. 54). Die Verfahrensökonomie weist ihrerseits derart enge Bezüge zum grundlegenden öffentlichen Interesse an funktionsfähigen staatlichen Institutionen im Allgemeinen (vgl. dazu WYSS, a.a.O., S. 329 f.) sowie an einer wirksamen Rechtspflege im Besonderen auf, dass an ihr ein eigenständiges öffentliches Interesse besteht (vgl. die ausführliche Herleitung von BÜRKI, a.a.O., S. 115 ff.). Zur Verwirklichung dieses Interesses hat neben der Rechtsanwendung auch die Gesetzgebung beizutragen, indem die Verfahrensordnungen so ausgestaltet und laufend optimiert werden, dass die Verwaltungs- und Justizbehörden möglichst effizient agieren können (vgl. KAUFMANN / STÖCKLI, Öffentliches Verfahrensrecht, 2023, S. 56). Welcher Instrumente sich die Legislativorgane aller Staatsebenen dabei bedienen, liegt – gerade auch mit Blick auf die Digitalisierung – im Rahmen der Vorgaben des übergeordneten Rechts weitgehend in ihrem Ermessen. Zu beachten ist hier allerdings insbesondere, dass sich die Verfolgung der Ziele der Beschleunigung und Kostensenkung nicht zulasten der Funktionsfähigkeit von Verwaltung und Justiz auswirken darf (vgl. REGINA KIENER, Zugang zur Justiz, ZSR 2019 II S. 75; MATTHIAS KRADOLFER, in: Onlinekommentar Bundesverfassung, 2023, N. 53 zu Art. 29a BV; Urteil des EGMR Xavier Lucas gegen Frankreich vom 9. Juni 2022 [15567/20], § 42 ff.). Der Massstab der Effizienz und Beschleunigung behördlicher Aufgabenerfüllung ist kein reines Sparsamkeitsprinzip, sondern ein übergreifendes, dem Ausgleich widerstreitender rechtsstaatlicher Interessen verpflichtetes Optimierungsgebot (vgl. STEFFEN AUGSBERG, in: Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 3. Aufl. 2022, § 8 N. 49 f. und 51; vgl. daselbst – spezifisch mit Blick auf das Verhältnis zwischen Digitalisierung und Verfahrensrechten – auch BRITZ / EIFERT, § 26 N. 31; vgl. in Bezug auf das Rechtsverzögerungsverbot ferner KÖLZ / HÄNER / BERTSCHI, a.a.O., N. 262; BENJAMIN SCHINDLER, Beschleunigungspotentiale im öffentlichen Verfahrensrecht, AJP 2012 S. 15). Der Paradigmenwechsel hin zu einem vermehrt digital handelnden Staat muss mithin unter Berücksichtigung weiterer (und zum Teil gegenläufiger) Interessen und Vorgaben – wie namentlich des Gebots der Wirksamkeit und Allgemeinzugänglichkeit des Individualrechtsschutzes (Art. 29a BV, Art. 13 EMRK) – erfolgen.» (E.5.6).

«Die Feststellung, dass der elektronische Verkehr zwischen Behörden und Parteien zur Vereinfachung und Beschleunigung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren beitragen kann und damit ein grundsätzlich geeignetes Mittel zur Erreichung dieses im öffentlichen Interesse liegenden Ziels darstellt, lag bereits seiner Einführung im Rahmen der Totalrevision der Bundesrechtspflege per 1. Januar 2007 zugrunde (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4202 ff., S. 4474). Die besagte Revision schuf die gesetzlichen Grundlagen für die elektronische Eröffnung von Verfügungen und Entscheiden (vgl. Art. 34 Abs. 1bis VwVG und Art. 60 Abs. 3 BGG), die Einreichung elektronischer Eingaben (vgl. Art. 21a VwVG und Art. 42 Abs. 4 BGG) und die elektronische Akteneinsicht (vgl. Art. 26 Abs. 1bis VwVG). Anlässlich der gesamtschweizerischen Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozessrechts per 1. Januar 2011 fanden entsprechende Bestimmungen Eingang in die ZPO, die StPO und das SchKG (vgl. zum Ganzen CHRISTIAN MEYER, Eine Auslegeordnung der elektronischen Verfahrensinstitute des VwVG des Bundes, SJZ 2021 S. 837 f.). Parallel dazu wurde mit dem im Dezember 2003 verabschiedeten ersten ZertES die elektronische Signatur und die Gleichstellung der qualifizierten elektronischen Signatur mit der eigenhändigen Unterschrift im Privatrechtsverkehr (vgl. Art. 14 Abs. 2bis OR) eingeführt.» (E.5.7).

«Mit einem Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ) strebt der Bund im Rahmen des Projekts „Justitia 4.0“ die Weiterentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs im Bereich der Zivil-, Straf- und Verwaltungsrechtspflege („E-Justice“) an. Zu diesem Zweck sollen insbesondere die rechtlichen Grundlagen für Up- und Download-Plattformen geschaffen werden, über welche Behörden, Gerichte, Anwaltschaft sowie Parteien und weitere Verfahrensbeteiligte Dokumente zustellen und empfangen können. Ausserdem sollen die Behörden und Gerichte sowie die professionellen Benutzerinnen und Benutzer (Anwältinnen und Anwälte und andere berufsmässige Parteivertreterinnen und -vertreter) in den Prozessgesetzen (VwVG, BGG, ZPO, StPO) dazu verpflichtet werden, elektronisch miteinander zu kommunizieren. Um die elektronische Kommunikation der Behörden und Gerichte mit der Anwaltschaft zu ermöglichen, soll die Eintragung im kantonalen Anwaltsregister zusätzlich von der Bezeichnung einer elektronischen Adresse auf der E-Justice-Plattform abhängig gemacht werden (vgl. Botschaft vom 15. Februar 2023 zum Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz [Botschaft BEKJ], BBl 2023 679, S. 7 f., 13 f. und 64). Als Ziele des Ausbaus des elektronischen Rechtsverkehrs nennt der Bundesrat die Effizienzsteigerung der Geschäftsprozesse und Verfahren durch Vereinheitlichung und Steigerung der Zusammenarbeitsfähigkeit zwischen Behörden, Gerichten und professionellen Benutzerinnen und Benutzern, den erleichterten Zugriff auf Verfahrensakten und deren erleichtertes Durchsuchen, die Verfahrensbeschleunigung, die Vereinfachung der Akteneinsicht, die Reduktion von Versand- und Zustellzeiten und Portokosten sowie die Einsparung von Büro- bzw. Archivraum durch den Verzicht auf Papierablagen (Botschaft BEKJ, a.a.O., S. 7 f.). Allein mit Blick auf den Versand von Gerichtsurkunden, Prozesseingaben und Akten an Anwältinnen und Anwälte rechnet der Bundesrat – basierend auf Zahlen aus Österreich für das Jahr 2016 – mit einem jährlichen Einsparungspotenzial im zweistelligen Millionenbereich (vgl. Botschaft BEKJ, a.a.O., S. 17).» (E.5.8).

«In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kann festgehalten werden, dass nicht nur am elektronischen Rechtsverkehr als solchem, sondern auch an einem Obligatorium für berufsmässige Parteivertreter ein bedeutsames öffentliches Interesse besteht. Es ist notorisch, dass die Digitalisierung und insbesondere die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel und -kanäle den gesellschaftlichen Alltag in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert hat und somit auch die staatliche Aufgabenerfüllung in vielfältiger Weise beeinflusst. Die staatlichen Stellen sind demgemäss dazu berufen, dieser fortschreitenden Entwicklung Rechnung zu tragen und – im Rahmen der ihnen zustehenden Spielräume sowie unter Wahrung des grundlegenden Interesses an einem funktionierenden Staatswesen (vgl. dazu E. 5.6 hiervor) – das mit der Digitalisierung einhergehende erhebliche Potenzial zur Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung auszuschöpfen. Indem der Gesetzgeber des Kantons Zürich dies mit der vorliegend strittigen Gesetzesrevision anstrebt, trägt er zudem zur Verwirklichung des in der KV/ZH grundrechtlich verbürgten Beschleunigungsgebots (vgl. E. 5.5 hiervor) bei, was ebenfalls im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zum öffentlichen Interesse an der Verwirklichung der Grundrechte ASTRID EPINEY, in: Basler Kommentar, 2015, N. 65 zu Art. 5 BV; WYSS, a.a.O., S. 259 ff.; vgl. ferner JÖRG PAUL MÜLLER, Entstehung und Entwicklung der Grundrechte in der Schweiz, in: Verfassungsrecht der Schweiz, Bd. II, 2020, N. 43). Dass er hierbei auch eine Verpflichtung berufsmässiger Parteivertreter zur Vornahme elektronischer Verfahrenshandlungen einführt, ist unter dem Blickwinkel des Erfordernisses eines öffentlichen Interesses für Grundrechtseingriffe (Art. 36 Abs. 2 BV) nicht zu beanstanden. Auch wenn mit dem Obligatorium, wie die Beschwerdeführer vorbringen, vorab nur ein kleiner Teil aller Verfahrenshandlungen erfasst wird, weil sich Privatpersonen vor allem im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren kaum vertreten lassen, leistet diese Massnahme einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Regelungsziels, die Digitalisierung in der Verwaltung und im Justizwesen voranzutreiben (in diesem Sinn auch ANDREAS GLASER, Der elektronisch handelnde Staat, ZSR 2015 II S. 329 f.). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass freiberuflich tätige Anwältinnen und Anwälte nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zwar keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen, aber dennoch als „Mitarbeiter der Rechtspflege“ gegenüber dieser in einer besonderen Verantwortung stehen (vgl. BGE 123 I 12 E. 2c; 119 Ia 35 E. 4; 106 Ia 100 E. 6b; vgl. auch BGE 144 II 473 E. 4.3 [„serviteur du droit“]; BOHNET /MARTENET, Droit de la profession d’avocat, 2009, N. 3158 ff.; CHAPPUIS / GURTNER, La profession d’avocat, 2021, N. 23; WYSS, a.a.O., N. 368 f.). Diese Verantwortung kann auch darin bestehen, die staatlichen Organe dabei zu unterstützen, dass Verfahren – im kollektiven Interesse der Rechtsuchenden – einfach und rasch abgewickelt werden können (vgl. zur Rolle des Rechtsvertreters aus der Optik der Maxime der Verfahrensökonomie BRÄNDLI, a.a.O., N. 383 ff.). Dass der Beschwerdegegner zur Realisierung des öffentlichen Interesses an einer möglichst zeit- und kostensparenden Verwaltungs- und Justiztätigkeit, bei dessen Umschreibung und Priorisierung ihm ein erheblicher politischer Spielraum zukommt (vgl. E. 5.4.1 hiervor), die berufsmässigen Parteivertreter spezifisch in die Pflicht nimmt, ist folglich – unter dem Vorbehalt der Verhältnismässigkeit – mit der Wirtschaftsfreiheit vereinbar. Inwiefern das vorliegend strittige Obligatorium die Funktionsfähigkeit von Verwaltung und Justiz beeinträchtigen könnte, legen die Beschwerdeführer im Übrigen nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.» (E.5.10).

«Speziell in Bezug auf die „digital only“-Pflicht von Anwälten und weiteren berufsmässigen Parteivertretern kommt hinzu, dass sich nicht nur der Zürcher Anwaltsverband in seiner Vernehmlassungsantwort zur VRG/ZH-Teilrevision, sondern auch der Schweizerische Anwaltsverband (SAV) in seiner Stellungnahme vom 26. Februar 2021 zum BEKJ-Entwurf (abrufbar unter https://digital.sav-fsa.ch > Elektronischer Rechtsverkehr > Stand heute [besucht am 20. November 2024]; vgl. zum BEKJ E. 5.8 hiervor) klar positiv zur Einführung einer solchen Pflicht äusserte. Der SAV hielt dazu u.a. Folgendes fest (S. 2): „Der SAV begrüsst diesen Grundsatz, ohne den der Erfolg der digitalen Transformation im Bereich der Justiz mit Sicherheit gefährdet wäre. Ist nämlich die Nutzung der Plattform nur fakultativ, werden die Verfahren besonders komplex sein, insbesondere wenn eine Partei den analogen und die andere den digitalen Weg wählt, ein Problem, mit dem die Gerichte derzeit bei der elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen konfrontiert sind. Der SAV begrüsst das Gesetzesprojekt auch deshalb, weil auf europäischer Ebene gleiche Bestrebungen im Gang sind. (…) Der SAV bemängelt jedoch, dass aufgrund einer fehlenden Regelung im SchKG, das Betreibungs- und Konkursverfahren vor dem Betreibungs- und Konkursamt und das SchKG-Verfahren sowie das Verfahren der SchKG-Beschwerde nicht in den Anwendungsbereich des Obligatoriums fallen. (…) Der Erfolg der digitalen Transformation hängt indes von einer breiten Anwendung des Obligatoriums ab.“ Der Zürcher Anwaltsverband (ZAV) nahm zur VRG/ZH-Teilrevision dahingehend Stellung, dass die behördlichen Digitalisierungsbestrebungen zu begrüssen und ein klares Bedürfnis der Verbandsmitglieder seien. Gerade die pandemische Situation mit Homeoffice und (möglichen) Quarantänen hätten diesen Bedarf deutlich hervorgehoben. Demgemäss bestehe auch Regelungsbedarf im kantonalen Recht und habe der Vorstand des ZAV die Vernehmlassungsantwort des SAV zum BEKJ-Entwurf unterstützt (vgl. Bericht der Staatskanzlei des Kantons Zürich vom 13. Juli 2022 über die Ergebnisse der Vernehmlassung „Rechtliche Grundlagen für elektronischen Geschäftsverkehr“, S. 8). Das Obligatorium werde grundsätzlich begrüsst, weil es nötig sei, damit alle Anwendenden den Umstieg auch tatsächlich vollziehen. Allerdings scheine es zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht und erst mit dem Inkrafttreten des BEKJ angezeigt (vgl. a.a.O., S. 25). Damit steht fest, dass selbst innerhalb der von der vorliegend strittigen Regelung unmittelbar betroffenen Branche ein ausgewiesenes Bedürfnis nach einer gezielten Weiterentwicklung des digitalen Behördenverkehrs in Richtung eines Obligatoriums besteht.» (E.5.13).

«Die mit der in § 4d nVRG/ZH verankerten Verpflichtung berufsmässiger Parteivertreter, Verfahrenshandlungen elektronisch vorzunehmen, verbundene Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit liegt im öffentlichen Interesse.» (E.5.14).

«Dass die Pflicht von Anwälten und weiteren berufsmässigen Parteivertretern, Verfahrenshandlungen elektronisch vorzunehmen, zur Erreichung des im öffentlichen Interesse liegenden Ziels der Verfahrensökonomie geeignet ist, ist offenkundig. Entgegen der Einschätzung der Beschwerdeführer geht es dabei nicht bloss um die Reduktion des Papieraufwands für Private und Behörden, sondern um die Beschleunigung und Vereinfachung bzw. Steigerung der Effizienz von Verwaltungs- und Justizverfahren im Allgemeinen. Auch wenn es hierfür wohl durchaus noch zielführender wäre, wenn das Obligatorium auf alle Privatpersonen ausgedehnt würde, vermag bereits die auf berufsmässige Parteivertreter beschränkte „digital only“-Verpflichtung ohne weiteres zur Förderung rascher und wirtschaftlicher Verfahren beizutragen. Damit eine Massnahme als geeignet gilt, reicht es nach der Praxis des Bundesgerichts aus, wenn sie mit Blick auf den angestrebten Zweck Wirkungen zu entfalten vermag und nicht gänzlich daran vorbeizielt (BGE 144 I 126 E. 8.1 mit Hinweisen; Urteil 1C_583/2021 vom 31. August 2023 E. 6.1.1). Die Eingriffsvoraussetzung der Eignung ist demnach erfüllt.» (E.6.3).

«Der Beschluss des Zürcher Kantonsrats, den elektronischen Behördenverkehr für berufsmässige Parteivertreter für obligatorisch zu erklären, hält vor dem Verhältnismässigkeitsgebot stand.» (E.6.6).

«Die Rüge, die in § 4d nVRG/ZH verankerte Verpflichtung von Anwälten und anderen berufsmässigen Parteivertretern, Verfahrenshandlungen elektronisch vorzunehmen, verletze die Wirtschaftsfreiheit, ist nach dem Ausgeführten unbegründet.» (E.7).

Die Beschwerdeführer bringen vor Bundesgericht weiter vor, § 4d Abs. 2 lit. b und c nVRG/ZH verstosse gegen das BGFA, indem die daselbst abschliessend geregelten anwaltlichen Berufspflichten auf unzulässige Weise erweitert würden. Darin sei folglich zugleich eine Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) zu erblicken. Der Beschwerdegegner hält dem entgegen, dass mit den angefochtenen Formvorschriften für einzelne Berufsgruppen ein Element unter vielen adressiert werde, das zur digitalen Transformation beitrage und auch schon in anderen Kantonen eingeführt worden sei, und nicht etwa eine Berufspflicht im Sinn des BGFA (E.8).

Das Bundesgericht äussert sich hierzu im Urteil 2C_113/2024 vom 3. Dezember 2024 wie folgt:

«Das BGFA stützt sich auf Art. 95 Abs. 1 und 2 BV. Art. 95 Abs. 1 BV räumt dem Bund die Kompetenz ein, Vorschriften über die privatwirtschaftliche Tätigkeit zu erlassen. Dabei handelt es sich um eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Verhältnis zu den Kantonen. Bereiche oder Teilbereiche, die bundesrechtlich nicht geregelt sind, fallen weiterhin in die kantonale Kompetenz (Urteil 2C_164/2023 vom 25. März 2024 [zur Publikation vorgesehen] E. 7.2 mit Hinweis; vgl. auch BIAGGINI, a.a.O., N. 3 zu Art. 95 BV). Für die Regelung des kantonalen Verwaltungsverfahrens und der kantonalen Staats- und Verwaltungsrechtspflege sind die Kantone zuständig, da dem Bund in diesen Rechtsbereichen keine Rechtsetzungskompetenzen zugewiesen sind (vgl. Art. 3 und Art. 42 BV). Dabei haben sie gewisse dem Schutz der Verfahrensgrundrechte und der Einheit des Verfahrens dienende bundesrechtliche Mindestvorgaben zu beachten (vgl. insbesondere die Art. 29-30, 191b und 191c BV, Art. 1 Abs. 3 VwVG sowie die Art. 110-112 BGG; zum Ganzen KIENER / RÜTSCHE / KUHN, a.a.O., N. 68 ff.).» (E.8.2).

«Das BGFA regelt die anwaltlichen Berufspflichten abschliessend (BGE 144 II 473 E. 4.4; 142 II 307 E. 4.3.1 mit Hinweisen; 131 I 223 E. 3.4; vgl. auch BOHNET / MARTENET, a.a.O., N. 1103 und 1115; WALTER FELLMANN, in: Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 3 zu Art. 12 BGFA). Für zusätzliche kantonale Berufsregeln für Anwälte bleibt demgemäss kein Raum. In BGE 131 I 223 hielt das Bundesgericht fest, dass es sich bei einer Verhaltensnorm in einem kantonalen Anwaltsgesetz selbst dann nicht zwingend um eine – mit Art. 12 BGFA kollidierende – Berufsregel für Anwälte handeln muss, wenn ihr im Rahmen der anwaltlichen Berufstätigkeit eine besondere rechtliche Bedeutung zukommt (E. 3.6) und sie hauptsächlich mit dem Anliegen begründet wird, die Unabhängigkeit des Anwalts zu schützen (E. 3.7). In BGE 131 II 270 erwog das Bundesgericht ferner, dass sich die in Art. 12 BGFA statuierten Berufspflichten des Rechtsanwalts auf dessen gesamte Berufstätigkeit, d.h. dessen sämtliche beruflichen Handlungen, beziehen (E. 3.2; vgl. auch BGE 144 II 473 E. 4.1; Urteil 2C_164/2023 vom 25. März 2024 [zur Publikation vorgesehen] E. 4.5.1; BOHNET / MARTENET, a.a.O., N. 1116 f.). Aus dieser Rechtsprechung erhellt, dass die Anwaltstätigkeit nicht lediglich in umfassender Weise den Berufsregeln gemäss BGFA, sondern auch – und dies zum Teil bloss punktuell – weiteren rechtlichen Regeln (z.B. dem Auftragsrecht, dem Wettbewerbsrecht oder dem Strafrecht) unterworfen ist, denen nicht der Charakter anwaltsrechtlicher Berufspflichten eignet. Sofern mit einer die anwaltliche Berufstätigkeit betreffenden kantonalrechtlichen Verhaltenspflicht ein anderer Zweck verfolgt wird als mit den Berufsregeln gemäss BGFA und sie überdies nicht gegen deren Sinn und Geist verstösst, ist sie mit dem Bundesrecht bzw. mit Art. 49 Abs. 1 BV vereinbar (vgl. E. 8.1 hiervor).» (E.8.3).

«Das BGFA gewährleistet die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte und legt Grundsätze für die Ausübung des Anwaltsberufs in der Schweiz fest (Art. 1 BGFA). Mit einem abschliessenden Katalog der anwaltlichen Berufspflichten auf Bundesebene wird sichergestellt, dass sich in der Schweiz tätige Anwälte in diesem Bereich nicht um kantonale Besonderheiten kümmern müssen (vgl. Botschaft vom 28. April 1999 zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, BBl 1999 6013 ff., S. 6039). Inhaltlich zielen die BGFA-Berufsregeln darauf ab, die anwaltliche Berufsausübung im öffentlichen Interesse an die Grundsätze der Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit (vgl. vor allem Art. 12 Abs. 1 lit. a BGFA) sowie der Unabhängigkeit (vgl. Art. 12 Abs. 1 lit. b, c und e und Art. 13 BGFA) zu binden (vgl. BOHNET / MARTENET, a.a.O., N. 1104-1106 und 1109). Die Berufsregeln dienen mithin der Wahrung von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr (vgl. BGE 139 II 173 E. 5.1 mit Hinweisen; Urteil 2C_505/2019 vom 13. September 2019 E. 5.2.2) und damit letztlich dem Polizeigüterschutz (vgl. E. 5.4.1 hiervor). Demgegenüber besteht der Zweck des vorliegend strittigen Obligatoriums darin, das aufgrund der Digitalisierung bestehende erhebliche Potenzial zur Steigerung der Effizienz von Verwaltungs- und Justizverfahren besser auszuschöpfen (vgl. E. 5.10 hiervor). Die in § 4d Abs. 2 nVRG/ZH verankerte Verpflichtung der Anwaltschaft, Verfahrenshandlungen elektronisch vorzunehmen, verfolgt somit eindeutig ein anderes Ziel als die anwaltsrechtlichen Berufsregeln gemäss BGFA. Sie vermag sich daher auf die kantonale Kompetenz zur Regelung des kantonalen öffentlichen Verfahrensrechts (vgl. E. 8.2 hiervor) abzustützen. Der Bundesrat hält in der Botschaft zum BEKJ-Entwurf denn auch zutreffend fest, dass es den Kantonen überlassen ist, ob sie ein Obligatorium für den elektronischen Rechtsverkehr einführen möchten oder nicht (Botschaft BEKJ, a.a.O., S. 74).» (E.8.4).

«Nicht erkennbar ist im Übrigen, inwiefern die besagte Verpflichtung dem Sinn des Bundesrechts zuwiderlaufen soll: Zum einen bringt es die verfassungsmässige Zuständigkeitsordnung mit sich, dass in den Kantonen zwar weitgehend ähnliche, aber doch in vielerlei Hinsicht unterschiedliche Verwaltungsverfahrensordnungen gelten. Anwältinnen und Anwälte, die in mehreren Kantonen in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Mandate übernehmen, müssen entsprechend je nachdem, in welchem Kanton sie prozessieren, unterschiedliche Verfahrensregeln beachten. Zum anderen plant der Bund im Rahmen seiner Zuständigkeiten ebenfalls, die Anwaltschaft – in den Verfahrenserlassen (VwVG, BGG, ZPO, StPO), d.h. nicht durch Änderung des BGFA – zur elektronischen Kommunikation mit den Behörden und Gerichten zu verpflichten (vgl. E. 5.8 hiervor).» (E.8.5).

«Das Obligatorium gemäss § 4d Abs. 2 lit. b und c nVRG/ZH verstösst nicht gegen das BGFA bzw. den Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts.» (E.8.6).

Das Bundesgericht weist im Urteil 2C_113/2024 vom 3. Dezember 2024 die Beschwerde ab (E.9).

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