Bundesgericht: Journalisten dürfen von Vergleichsgesprächen im Zivilprozess ausgeschlossen werden

Im Urteil vom 24. September 2019 (4A_179/2019) erklärt das Bundesgericht, dass Vergleichsgespräche im Zivilprozess nicht öffentlich sind. Journalisten dürfen zu Recht davon ausgeschlossen werden. Der Fall spielte sich vor dem Arbeitsgericht Zürich im Jahr 2018 ab. Im Rahmen eines Zivilprozesses geführte Vergleichsgespräche unterstehen nicht dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Justiz, da sie nicht Teil der rechtsprechenden Tätigkeit des Gerichts bilden. Eine Journalistin wurde deshalb zu Recht von der Teilnahme an Vergleichsgesprächen vor dem Arbeitsgericht Zürich ausgeschlossen.

Das Arbeitsgericht Zürich hatte 2018 eine akkreditierte Gerichtsberichterstatterin von der Teilnahme an Vergleichsgesprächen ausgeschlossen, die im Anschluss an eine Hauptverhandlung stattgefunden hatten. Den Beschluss des Arbeitsgerichts focht die Journalistin erfolglos beim Obergericht des Kantons Zürich an. Dessen Entscheid zog sie ans Bundesgericht weiter.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Gemäss Artikel 30 Absatz 3 Bundesverfassung (BV) sind Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung öffentlich. Laut Artikel 54 der Zivilprozessordnung (ZPO), der den verfassungsmässigen Grundsatz für das Zivilverfahren konkretisiert, sind Verhandlungen und eine allfällige mündliche Eröffnung des Entscheids öffentlich. Ausnahmen sind möglich. Ausserdem ist die Verhandlung im Schlichtungsverfahren nicht öffentlich (Art. 203 ZPO). Die Justizöffentlichkeit will die Rechtsprechung transparent machen und so das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit stärken. Die Medien übernehmen mit ihrer Gerichtsberichterstattung eine wichtige Brückenfunktion. Sie machen die richterliche Tätigkeit einem grösseren Publikum zugänglich.

Vom Grundsatz der Justizöffentlichkeit werden nicht alle Verfahrensabschnitte erfasst. Vielmehr bezieht sich der Begriff der Gerichtsverhandlung einzig auf die Verhandlung, in der die Parteien einander vor Gericht gegenüberstehen und Einvernahmen vorgenommen, Beweise abgenommen und Plädoyers gehalten werden. Erfasst sind ausschliesslich Verfahrensabschnitte, die Grundlage zur Erledigung der Streitsache durch ein Urteil bilden. Dazu gehören Vergleichsgespräche nicht. Sie haben die einvernehmliche Beilegung der Streitsache zum Ziel. Das Gericht vermittelt dabei zwischen den Parteien. Der Inhalt der Vergleichsgespräche wird nicht protokolliert und darf einem allfälligen Urteil nicht zugrunde gelegt werden. Vergleichsgespräche stellen somit keinen Schritt auf dem Weg zur gerichtlichen Entscheidung über den Streitgegenstand dar. Soweit sich die Vergleichsgespräche in diesem Rahmen halten, handelt es sich dabei nicht um rechtsprechende Tätigkeit des Gerichts, deren Transparenz von der BV und der ZPO gewährleistet ist.

Dazu das Bundesgericht:

Gemäss Art. 124 Abs. 3 ZPO kann das Gericht jederzeit versuchen, eine Einigung zwischen den Parteien herbeizuführen. Art. 226 Abs. 2 ZPO erwähnt den Versuch einer Einigung ausdrücklich als möglichen Inhalt der sogenannten Instruktionsverhandlung. Vergleichsgespräche sind aber auch ausserhalb einer Instruktionsverhandlung möglich, so etwa wie hier anlässlich der Hauptverhandlung.  Vergleichsgespräche haben die einvernehmliche Beilegung des Streits zum Ziel, der Gegenstand des Zivilprozesses bildet. Das Gericht vermittelt dabei zwischen den Parteien, wobei es mit Zurückhaltung und unter dem Vorbehalt der förmlichen Streitentscheidung eine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage zum Ausdruck bringen darf (BGE 134 I 238 E. 2.4; Urteile 4A_424/2012 vom 19. September 2012 E. 3.2.2; 4A_306/2011 vom 19. Januar 2012 E. 3.2; 5A_895/2010 vom 21. Februar 2011 E. 3). Sind die Vergleichsgespräche erfolgreich, wird das Verfahren ohne gerichtlichen Entscheid erledigt (siehe Art. 241 ZPO). Demnach stellen die Vergleichsgespräche keinen Schritt auf dem Weg zur gerichtlichen Entscheidung über den Streitgegenstand dar, zumal – wie die Vorinstanz zu Recht bemerkt hat – ihr Inhalt nicht protokolliert wird und einem allfälligen Entscheid des Gerichts nicht zugrunde gelegt werden darf (so etwa LEVI, Der Richter als Vermittler, SJZ 1967 S. 255; SCHMID, Vergleichsverhandlungen vor dem Zürcher Handelsgericht, in: Festschrift Handelsgericht Zürich 1866-2016, 2016, S. 248 und 250 f.; vgl. zur Handhabung an den kantonalen Gerichten SCHWEIZER, Praxis der Vergleichsverhandlung, in: «Justice – Justiz – Giustizia» 2018/4 Rz. 9 und 16). In diesem Sinne stehen sie ausserhalb des – auf die gerichtliche Streitentscheidung ausgerichteten – Erkenntnisverfahrens (siehe KÖLZ, Einzelgespräche an gerichtlichen Vergleichsverhandlungen im Zivilprozess, ZZZ 2016 S. 231 und 238). Dementsprechend setzen sie denn auch stets das Einverständnis der Parteien voraus (BGE 134 I 238 E. 2.4 S. 244), sind also freiwillig.  Soweit sich die Vergleichsgespräche in diesem Rahmen halten, handelt es sich dabei nicht um rechtsprechende Tätigkeit des Gerichts, deren Transparenz Art. 30 Abs. 3 BV und Art. 54 Abs. 1 ZPO gewährleisten. Die Bemühungen des Gerichts, zwischen den Parteien zu vermitteln, gelten nicht als Gerichtsverhandlung respektive Verhandlung und unterstehen nicht dem Grundsatz der Justizöffentlichkeit. Dass es für die Öffentlichkeit interessant sein könnte, die anlässlich der Vergleichsgespräche vom 15. November 2018 möglicherweise unpräjudiziell geäusserte Beurteilung durch die Gerichtsvorsitzende zu kennen, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, vermag den Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht auf diesen Verfahrensabschnitt zu erweitern, in dem von vornherein nicht über die Streitigkeit entschieden werden darf (vgl. MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 968). Somit ist es nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht keine auf den vorliegenden Fall bezogene Abwägung zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und denjenigen der Prozessparteien vorgenommen hat.“ E. 2.4).

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