Bundesgericht entscheidet im Urteil vom 5. März 2020 (6B_1311/2019) über Anwendung von Tatbestand der „Kindestötung“

Das Bundesgericht weist Urteil vom 5. März 2020 (6B_1311/2019) die Beschwerde der Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis gegen die Verurteilung einer Frau zu einer zweijährigen bedingten Freiheitsstrafe wegen Kindestötung ab. Das Kantonsgericht Wallis hat den privilegierten Tatbestand der „Kindestötung“ zu Recht angewendet, mit dem der besonderen Situation einer Mutter während der Geburt, oder solange sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges steht, Rechnung getragen wird.

Eine Frau aus dem Kanton Wallis hatte im Dezember 2015 ihr Neugeborenes getötet, das sie rund zweieinhalb Stunden zuvor zu Hause alleine zur Welt gebracht hatte. Das Kantonsgericht Wallis verurteilte sie wegen Kindestötung (Artikel 116 des Strafgesetzbuches, StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Der fragliche Tatbestand lautet: „Tötet eine Mutter ihr Kind während der Geburt oder solange sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges steht, so wird sie mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“

Gegen das Urteil erhob die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis Beschwerde ans Bundesgericht; sie beantragte im Wesentlichen einen Schuldspruch wegen Mordes und eine Verurteilung der Betroffenen zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren. Zur Begründung stützt sie sich auf ein psychiatrisches Gutachten. Das Kantonsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der psychische Zustand der Frau gemäss Gutachter keinen Einfluss auf ihre Tat gehabt habe, auch wenn sie sich dabei noch in der Phase des Geburtsvorganges befunden habe. Eine eigentliche psychische Störung habe bei der Betroffenen nicht vorgelegen.

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Beim Tatbestand der „Kindestötung“ handelt es sich um einen privilegierten Tatbestand, insbesondere hinsichtlich der maximalen Strafdauer. Der Gesetzestext setzt für eine Anwendung dieser privilegierten Strafbestimmung voraus, dass die Tat von der Mutter „während der Geburt“ oder „solange sie unter dem Einfluss des Geburtsvorganges steht“ begangen wurde. Nicht vorausgesetzt wird für eine Anwendung der privilegierten Strafnorm der „Kindestötung“, dass die Mutter bei der Tat an einer psychischen Störung gelitten hat. Vielmehr stellt das Gesetz die unwiderlegbare Vermutung auf, dass die Verantwortlichkeit der Mutter während des Geburtsvorganges sowie während einer gewissen Zeit danach verringert ist. Bei einer Interpretation im Sinne der Staatsanwaltschaft würde die Strafnorm der „Kindestötung“ jeglicher Bedeutung entleert, wie sie ihr der Gesetzgeber beimessen wollte.

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