Bundesgericht bejaht Markenschutz für Schokoladenhasen von Lindt & Sprüngli (vertreten durch MLL) gegenüber Konkurrenzprodukt von Lidl

Der in Folie verpackte Schokoladenhase von Lindt & Sprüngli (gold- oder andersfarbig) kann gegenüber dem Konkurrenzprodukt von Lidl Markenschutz beanspruchen. Lidl darf seinen Hasen wegen Verwechslungsgefahr nicht mehr verkaufen und muss noch vorhandene Exemplare zerstören. Das Bundesgericht heisst im Urteil 4A_587/2021 vom 30. August 2022 die Beschwerde von Lindt & Sprüngli gut. MLL vertrat Lindt & Sprüngli in diesem Verfahren.

Die Lindt & Sprüngli AG reichte Ende 2018 beim Handelsgericht des Kantons Aargau Klage gegen die Lidl Schweiz AG und die Lidl Schweiz DL AG ein. Gefordert wurde im Wesentlichen ein Verbot für Lidl, seinen in Goldfolie (oder andersfarbig) verpackten Schokoladenhasen zu bewerben, anzubieten oder zu verkaufen; noch vorhandene Lidl-Hasen seien zu zerstören. Zur Begründung führte Lindt & Sprüngli an, dass sich der von Lidl vertriebene Schokoladenhase in Form und Ausstattung stark an ihren Schokoladenhasen anlehne und mit diesem verwechselbar sei. Dies verletze die Markenrechte von Lindt & Sprüngli.

Das Handelsgericht wies die Klage 2021 ab, soweit es darauf eintrat.

Ausführungen des Bundesgerichts im Urteil 4A_587/2021 vom 30. August 2022

Das Bundesgericht heisst im Urteil 4A_587/2021 vom 30. August 2022 die dagegen erhobene Beschwerde von Lindt & Sprüngli gut und hebt das Urteil des Handelsgerichts auf.

Lindt & Sprüngli hat für ihren Hasen zwei dreidimensionale Formmarken eingetragen. Das Bundesgericht untersuchte zuerst, ob solche Formmarken unter den Schutz des Markenschutzgesetzes fallen. Dies ist der Fall, wenn diese Marken sich auf dem Markt durchgesetzt haben. Aufgrund der sehr deutlichen Ergebnisse der von Lindt & Sprüngli eingereichten demoskopischen Umfragen ist erwiesen, dass der Lindt-Hase beim Publikum allgemeine Bekanntheit erlangt hat, und sich die hinterlegten Formmarken somit im Verkehr durchgesetzt haben.

Als diesbezüglicher Beweis geeignet ist gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts und entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch eine von einer Prozesspartei selber in Auftrag gegebene Umfrage, sofern diese wissenschaftlich konzipiert und korrekt durchgeführt wurde. Ohnehin darf als offenkundig gelten, dass die von Lindt & Sprüngli markenrechtlich geschützten Formen von einem ganz erheblichen Teil des Publikums dem Unternehmen Lindt & Sprüngli zugeordnet werden.

Sodann prüfte das Bundesgericht, ob aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Produkte eine Verwechslungsgefahr besteht. Es kam zum Schluss, dass eine Verwechslungsgefahr besteht, auch wenn die beiden Produkte einige Unterschiede aufweisen. Aufgrund ihres Gesamteindrucks lösen die Lidl-Hasen naheliegend Assoziationen zur Form des Lindt-Hasen aus; in der Erinnerung des Publikums können sie nicht auseinandergehalten werden. Dem von Lindt & Sprüngli gegenüber Lidl geforderten Verbot wird deshalb stattgegeben. Das gilt auch für die Anordnung zur Zerstörung noch vorhandener Lidl-Hasen; die Zerstörung ist verhältnismässig, zumal dies nicht zwingend bedeutet, dass die Schokolade als solche zu vernichten wäre.

Hier sind einige Ausführungen des Bundesgerichts im Detail:

«Festzuhalten ist ferner, dass die klägerischen Marken – mögen sie auch ursprünglich kennzeichnungsschwach gewesen sein – infolge der (notorischen) Verkehrsdurchsetzung (Erwägung 4) im Laufe der Jahre zu starken Zeichen geworden sind, denen angesichts ihrer Bekanntheit eine erhebliche Individualisierungskraft eignet. Damit ist von einem weiten geschützten Ähnlichkeitsbereich auszugehen und sind an die Unterscheidbarkeit der jüngeren Zeichen der Beschwerdegegnerinnen unter dem Gesichtspunkt des Schutzbereichs der klägerischen Marken hohe Anforderungen zu stellen. Dies wird von der Beschwerdeführerin zu Recht hervorgehoben. Hinzu kommt, dass die angegriffenen Formen der Beschwerdegegnerinnen und die Marken der Beschwerdeführerin für die gleiche Ware (Schokolade) bestimmt sind. Es besteht Warenidentität. Auch dies führt zu einem strengen Massstab bei der Beurteilung der Unterscheidbarkeit (vgl. Urteil 4A_123/2015 vom 25. August 2015 E. 5.2.2).» (E.8.2).

«Die Vorinstanz bestimmte, welches die „den Gesamteindruck prägenden kennzeichnungskräftigen zwei- und dreidimensionalen Elemente“ der klägerischen Marken sind. Sodann prüfte sie, ob „diese Elemente beim Lidl-Hasen übernommen worden sind und ob daraus ein ähnlicher Gesamteindruck resultiert“. Es trifft zu, dass sich die Zeichen in verschiedenen Details unterscheiden: Plisseefalten am Halsband des Lindt-Hasen; Form der Anhänger (Glöckchen; Herzchen); etwas schmalere Postur des Lidl-Hasen; anderer Neigungswinkel der Ohren; leicht unterschiedliche Bemalung; soweit mit Farbanspruch: etwas andere Goldfarbe, andere Farbe der Maschen und der Anhänger, weisse Färbung von Pfoten-, Schwanz-, Innenohr- und Brustpartie des Lidl-Hasen. Mit Blick auf diese unterschiedlichen Details mögen die Zeichen bei aufmerksamem Vergleich unterscheidbar sein. Für die markenrechtliche Verwechselbarkeit ist indes der Gesamteindruck massgebend, den sie im Gedächtnis der Adressaten hinterlassen (BGE 128 III 441 E. 3.1). Im gesamten Erinnerungsbild des durchschnittlichen Abnehmers bleibt nicht jede gestalterische Einzelheit haften, sondern die grossen Züge der Hasen: im Wesentlichen ein stilisierter, kompakter, auf allen vier Pfoten sitzender Hase mit Band und Anhänger, eher gestrengem Blick und schlichter Gesichtszeichnung, breiten, leicht schräg abstehenden Ohren sowie glatten, geschwungenen Oberflächen; soweit die farbigen Zeichen zu vergleichen sind, wird dem Publikum auch die goldene Farbe in Erinnerung bleiben. Die Proportionen der Hasen sind alles in allem ähnlich und sie entsprechen sich in der Art und Weise, wie die äussere Ausstattung angelegt ist.  Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die klägerischen Marken nicht aufgrund ihrer Originalität kennzeichnungskräftig sind, sondern kraft Verkehrsdurchsetzung. Es ist daher (anders als in anderen Fällen von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG) nicht zu prüfen, ob den angegriffenen Zeichen durch die Übernahme gestalterischer Elemente die „originär auffällige Eigenart“ der klägerischen Marken zu eigen gemacht wurde, denn eine solche auffällige Eigenart gibt es gerade nicht. Vielmehr ist die Verwechslungsgefahr in erster Linie anhand der durch Verkehrsdurchsetzung erlangten Kennzeichnungskraft zu beurteilen (vgl. BGE 126 III 315 E. 6c). Zu entscheiden ist mithin, ob der durch die Verkehrsdurchsetzung erworbene Schutzumfang tangiert ist. Vor diesem Hintergrund hätte das Handelsgericht den Schluss ziehen müssen, dass die Marken der Beschwerdeführerin als im Verkehr durchgesetzte, besonders kennzeichnungskräftige Zeichen prägende Erinnerungsvorstellungen hinterlassen, an die sich die von den Beschwerdegegnerinnen vertriebenen Hasen stark und in irreführender Weise anlehnen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Lidl-Hasen nach dem Gesamteindruck Assoziationen zur markenrechtlich geschützten Form der Beschwerdeführerin auslösen, und die Hasen in der Erinnerung des massgebenden Publikums nicht auseinandergehalten werden können, zumal mit Blick auf die Warenidentität ein strenger Beurteilungsmassstab anzulegen ist (Erwägung 8.2). Die Vorinstanz hat dies bundesrechtswidrig gegenteilig beurteilt.» (E.8.3)

«Daran ändert auch das auf den Lidl-Hasen aufgedruckte Etikett „FAVORINA“ nichts. Die Beschwerdeführerin möchte dieses Etikett bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit gänzlich ausser Acht lassen, da „allein die Formgestaltungen miteinander zu vergleichen“ seien. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Denn bei kombinierten Formmarken können auch aufgedruckte Elemente den Gesamteindruck prägen, worauf die Beschwerdegegnerinnen zu Recht hinweisen. Die Beschwerdeführerin stellt denn auch nicht in Abrede, dass die aufgedruckten Augen, Schnurrhaare, Innenohren etc. in die Beurteilung miteinzubeziehen sind.  Nach der Rechtsprechung kann mit einer Etikettierung unter Umständen eine hinreichende Abgrenzung gegenüber ähnlich ausgestatteten anderen Produkten herbeigeführt werden. Entscheidend ist, ob das Etikett beim Käufer den Eindruck beseitigt, es handle sich um das von ihm gesuchte Produkt, und es so eine ansonsten zu bejahende Verwechslungsgefahr bannt (im Einzelnen: Urteil 4C.169/2004 vom 8. September 2004 E. 2.4). Das trifft im vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Zwar grenzt das Etikett „FAVORINA“ die Lidl-Hasen vom Hasen der Beschwerdeführerin ab; es schafft ein (zusätzliches) Unterscheidungsmerkmal. Gerade bei Lebensmitteln kann allerdings nicht ohne Weiteres angenommen werden, der mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit handelnde Käufer orientiere sich durch die Lektüre der Anschriften. Ihm bekannte Produkte wird er nicht zuletzt anhand der Form und der Ausstattung wählen, ohne sich durch die Konsultation einer Etikette zwingend zu vergewissern, dass er nicht ein Konkurrenzprodukt gewählt hat. Das erwähnte Etikette beseitigt die Verwechselbarkeit daher nicht. Auch die übrigen Unterschiede der beiden Formen beziehungsweise Ausgestaltungen, insbesondere in den zum Gemeingut gehörenden Dekorationen und Verzierungen, haben keine herkunftshinweisende Funktion und vermögen die Verwechslungsgefahr nicht zu beseitigen.» (E.8.4)

«Das Gesagte gilt nicht nur für den Schwarz-Weiss-Vergleich mit der – ohne Farbanspruch registrierten – Marke Nr. 696955, sondern gleichermassen in Bezug auf die Marke Nr. P-536640 (Farbanspruch „gold, braun, rot“). Das breite, mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit agierende Publikum wird die leicht divergierenden Goldtöne („Mischton zwischen Gelbgold und Weissgold“, „leichter Kupferstich“, „gelbgolden“) in der Erinnerung nicht auseinanderhalten können, und ebenso wenig führen die unterschiedlichen Farben von Maschen und Anhängern respektive die weinrote Farbe des FAVORINA-Zeichens zu einer ausreichenden Unterscheidbarkeit.» (E.8.5)

«Demnach ist eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG zu bejahen. Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht, indem sie dies verneint hat. Der Beschwerdeführerin sind die Verbietungsrechte nach Art. 13 Abs. 2 MSchG zuzugestehen. Ob die klägerischen Marken berühmt sind (im Sinne von Art. 15 MSchG) oder ob der Beschwerdeführerin allenfalls auch lauterkeitsrechtlich begründete Abwehransprüche gestützt auf Art. 3 Abs. 1 lit. d und lit. e UWG zustehen, wie diese geltend macht, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben.» (E.8.6).

Stellungnahme von MLL und Team von MLL und Lindt & Sprüngli

MLL nahm wie folgt zum Urteil Stellung: «Das Urteil des Bundesgerichts ist von grosser Bedeutung für den Schutz des Lindt Goldhasen auf dem Schweizer Markt. Es wird dazu beitragen, die ikonische Form des Lindt Goldhasen weiter gegen eine Verwässerung durch unautorisierte Kopien zu schützen und dürfte auch in anderen Rechtsordnungen als Präzedenzfall dienen. In einer weiteren richtungsweisenden Entscheidung im Jahr 2021 hat der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe bereits den Schutz der Farbmarke Gold für die goldene Farbe des Lindt Goldhasen bestätigt.»

Das Team von MLL bestand aus IP-Partner Peter Schramm und Senior Associate Louisa Galbraith, das Lindt & Sprüngli IP-Team wurde von Livia Andermatt geleitet.

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