Auch Jugendliche dürfen gemäss Bundesgericht (Urteil vom 2. Juli 2019, 6B_509/2018) geringen Menge an Cannabis mitführen

Das Bundesgericht hat im Urteil vom 2. Juli 2019 (6_B509/2018) entschieden, dass der blosse Besitz von weniger als zehn Gramm Cannabis auch bei Jugendlichen nicht strafbar ist. Aus den gesetzlichen Bestimmungen und den Materialien dazu ergeben sich nämlich keine Anhaltspunkte, dass Jugendliche bei Vorbereitungshandlungen in Bezug auf eine geringfügige Menge Cannabis zum späteren (grundsätzlich strafbaren) Eigenkonsum anders behandelt werden sollten als Erwachsene. Dazu macht das Bundesgericht interessante Ausführungen zum Jugendschutz.

Die Polizei hatte 2017 bei einem 16 Jahre alten Jugendlichen 1,4 Gramm Marihuana gefunden, das für den Eigenkonsum bestimmt war. Die Jugendanwaltschaft Winterthur sprach ihn mit Strafbefehl einer Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) schuldig und verhängte einen Verweis. Das Bezirksgericht Winterthur sprach ihn frei, was vom Obergericht des Kantons Zürich bestätigt wurde.

Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene Beschwerde der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich ab. Wer eine geringfügige Menge Cannabis für den eigenen Konsum vorbereitet, macht sich nicht strafbar (Artikel 19b Absatz 1 BetmG). Unter die straflosen Vorbereitungshandlungen fallen gemäss Rechtsprechung insbesondere der Erwerb und der Besitz einer geringfügigen Menge Cannabis. Ob diese Strafbefreiung nur bei Erwachsenen oder auch bei Jugendlichen gilt, hatte das Bundes – gericht bisher nicht zu entscheiden. Bei der Einführung der Regelung im Jahr 1975 war der Cannabiskonsum Jugendlicher ein bekanntes Problem. Weder dem Gesetzestext noch den Materialien lässt sich entnehmen, dass sich die Straflosigkeit bezüglich Vorbereitungshandlungen für eine geringfügige Menge Cannabis zum Eigenkonsum auf Erwachsene beschränken sollte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Revision des BetmG von 2012. Der Gesetzgeber hatte damals festgelegt, dass weniger als zehn Gramm Cannabis als „geringfügige Menge“ gelten (Artikel 19b Absatz 2 BetmG) und der Konsum von Cannabis gegenüber Erwachsenen mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken geahndet werden kann (Artikel 28b BetmG). Ausgenommen vom Ordnungsbussenverfahren im Falle des Konsums sind Jugendliche. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass für Vorbereitungshandlungen bezüglich einer geringfügigen Menge Cannabis eine Strafbarkeit von Jugendlichen hätte eingeführt werden sollen. Dem Jugendschutz kommt im BetmG zwar eine zentrale Rolle zu; diesem wird indessen nicht durch eine härtere Bestrafung Jugendlicher im Vergleich mit Erwachsenen Rechnung getragen. Vielmehr sah der Gesetzgeber eine strengere Bestrafung der Abgabe von Betäubungsmitteln an Jugendliche vor, sowie spezifische Präventions- und Therapiemassnahmen.

Die Kernaussagen des Bundesgerichts sind in E.1.7.3. zu finden und lauten wie folgt: „Vor diesem Hintergrund mag es, wie in der Lehre aufgezeigt (HUG-BEELI, a.a.O., N. 103 – 105 zu Allgemeiner Teil: §4 Gesetzgebung), durchaus erstaunen, dass der Gesetzgeber die für das Ordnungsbussenverfahren vorgesehene Grenze von 10 Gramm Cannabis in Art. 19b BetmG eingeordnet hat. Nicht daraus ableiten lässt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin jedoch, dass deswegen mit Art. 19b Abs. 2 BetmG entgegen dem klaren Wortlaut von Art. 19b Abs. 1 BetmG die Strafbarkeit von Jugendlichen betreffend Vorbereitungshandlungen einer geringfügigen Menge Cannabis hätte eingeführt werden sollen.

In E.1.7.4.  sind zudem die folgenden interessanten Erwägungen des Bundesgerichts zum Jugendschutz zu finden: „Dem in Art. 11 BV verankerten Jugendschutz kommt im BetmG eine zentrale Rolle zu. Dem Jugendschutz wird im BetmG indes nicht mit einer härteren Bestrafung Jugendlicher im Vergleich zu Erwachsenen Rechnung getragen. Vielmehr sah der Gesetzgeber die härtere Bestrafung der Abgabe von Betäubungsmitteln an Jugendliche (vgl. Art. 19 Abs. 2 lit. d, Art. 19bis und Art. 19b Abs. 1 BetmG) sowie spezifische Präventions- und Therapiemassnahmen (vgl. Art. 3b, 3c BetmG) vor.   Die Einführung des Ordnungsbussenverfahrens sollte keine Auswirkungen auf den Jugendschutz haben. Dies wird durch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Voten im Gesetzgebungsprozess bestätigt. So wurde mehrfach betont, dass sich bei Jugendlichen bezüglich der Strafbarkeit von Cannabisdelikten nichts ändern werde (Voten Fehr, AB NR 2012 S. 268 f.; Moret und Cassis, AB NR 2012 S. 286; Schwaller, AB SR 2012 S. 408 und 412; Fehr, AB NR 2012 S. 1375). Entsprechend wurde das Ordnungsbussenverfahren für Widerhandlungen von Jugendlichen ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 28c lit. c BetmG). Der Cannabiskonsum von Jugendlichen wird demnach zur Gewährleistung des Jugendschutzes nicht mit einer Busse von Fr. 100.– im Ordnungsbussenverfahren geahndet, sondern es kommen die nach JStGB vorgesehenen Schutzmassnahmen und Strafen (Art. 12 ff. JStGB) zur Anwendung. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates hat festgehalten, dass auf diese Weise der Jugendschutz sowohl über Art. 3c BetmG als auch über Art. 19a BetmG in Anwendung des Jugendstrafgesetzes gewährleistet sei (Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 2. September 2011 Ziff. 3.2.3, BBl 2011 8195 ff., 8209).  Im Übrigen ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin die Meldebefugnis nach Art. 3c Abs. 1 BetmG von der Straflosigkeit nach Art. 19b BetmG nicht tangiert. Die Meldung nach Art. 3c Abs. 1 BetmG knüpft nicht an eine strafrechtliche Verurteilung an.“

 

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