Aufsichtsbericht zu Vorkommnissen am Bundesstrafgericht

Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts hat ihr aufsichtsrechtliches Verfahren betreffend Vorkommnisse am Bundesstrafgericht abgeschlossen. Es nimmt in seinem Bericht Stellung zu den von der Presse aufgegriffenen Problemfeldern und schlägt acht Massnahmen vor.

Die Verwaltungskommission (VK) des Bundesgerichts (BGer) hat das Präsidium des Bundesstrafgerichts (BStGer) am 6. Januar 2020 im Rahmen des aufsichtsrechtlichen Verfahrens ersucht, zu den Problemfeldern Stellung zu nehmen, die zuvor von der Presse aufgegriffen worden waren. Das BStGer hat dazu Factsheets erarbeitet und zu den erhobenen Vorwürfen Stellung genommen. Anschliessend hat die VK BGer acht Richterpersonen und die Generalsekretärin des BStGer einvernommen. Zudem hat die VK BGer angeforderte oder ihr spontan eingereichte Unterlagen berücksichtigt, darunter Berichte der Ombudspersonen des BStGer sowie Schreiben des Finanzverantwortlichen und der Personalverantwortlichen. Sämtliche Mitglieder und Angestellten des BStGer wurden zudem darüber orientiert, dass sie sich direkt bei der VK BGer melden können.

Die VK BGer kommt in ihrem Aufsichtsbericht bezüglich der verschiedenen Problemfelder zu folgenden Schlüssen und schlägt acht Massnahmen vor. uf die Massnahme Nr.1, mit der die VK BGer auf die gesetzlich vorgesehene Stellvertretungsregelung bei Verhinderung/Ausstand eines Mitglieds der VK BStGer verweist, wird im Folgenden nicht weiter eingegangen.

Nebentätigkeiten
Die Nebentätigkeiten von fünf Richterpersonen des BStGer, welche gerichtsintern Anlass zu Diskussionen gegeben haben, sind nicht zu beanstanden.

Überstunden/Pensenerhöhungen
Bezüglich Pensenerhöhungen bestehen keine Hinweise, dass für die seit Beginn des Jahres 2019 erfolgten Pensenanpassungen bei fünf Mitgliedern des BStGer die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen wären. Auch in formeller Hinsicht wurde ordnungsgemäss vorgegangen. Fraglich erscheint die Zweckmässigkeit von rückwirkenden Pensenanpassungen. Die VK BGer schlägt als Massnahme vor, Pensenanpassungen künftig nicht mehr rückwirkend zu bewilligen.

Arbeitszeiten/Arbeitseinsatz
Die Verdächtigungen betreffend Anwesenheit und Arbeitseinsatz der Richterschaft in Bellinzona halten einer Überprüfung nicht stand. Dass Bundesstrafrichterinnen und Bundesstrafrichter im Teilpensum tätig sein können (aktuell acht von zwanzig aktiven Richterpersonen) hat das Seine zu dem in der Presse aufgegriffenen Generalverdacht von Schlendrian und Pflichtvergessenheit bei der Richterschaft beigetragen. Konkret beanstandet wurde, dass ein Mitglied der Strafkammer nicht gemäss seinem Pensum arbeite. Die VK BGer lädt die zuständigen Organe des BStGer ein, Abklärungen zu treffen und bei der Aufsichtssitzung im September Bericht zu erstatten. ezüglich der in der Presse monierten Zunahme des Bestandes an Gerichtsschreibenden – verbunden mit der Verdächtigung, dass sich die Richterinnen und Richter von der Arbeit drücken würden – hält sich die Entwicklung absolut im Rahmen. Die Zunahme der Gerichtsschreiberstellen von 3 im Jahr 2004 zu 23,7 im Jahr 2019 erklärt sich durch die Vervielfachung der Bundesstrafsachen, neue Zuständigkeiten, die gestiegene Komplexität der Fälle und die Einrichtung der neuen Berufungskammer ab 2019.

Spesen
Es gibt keine Anhaltspunkte zu Missbräuchen bei Spesen. Der Posten „Total verschiedene Spesen“ betrug am BStGer 2019 rund 23’200 Franken, was als moderat zu bezeichnen ist. Allerdings wird das BStGer eingeladen, die Vergütung von Spesen für die Teilnahme von Gerichtsmitgliedern an politischen Anlässen der Fraktionen und für Kurse zur Vorbereitung auf den Ruhestand zu beenden.

Sexismus
Es gibt keine Hinweise auf Fälle von sexuellen Übergriffen irgendwelcher Art am BStGer, weder physische noch psychische sexuelle Belästigungen, insbesondere keine unter Ausnützung der hierarchischen Überordnung erfolgten Belästigungen oder Zudringlichkeiten.
Der Präsident der Strafkammer hatte im April 2018 mit zwei Gerichtsschreiberinnen über die kritische Arbeitssituation gesprochen und dabei zumindest einer von ihnen gesagt, „nicht schwanger zu werden“, ansonsten er nicht sehe, wie die grosse Geschäftslast zu bewältigen sei. Er hatte sich im September 2018 für seine verbale Entgleisung förmlich entschuldigt. Beide Gerichtsschreiberinnen nahmen seine Entschuldigung an. Von dieser Lösung hatte das Bundesgericht anlässlich der Aufsichtssitzung mit dem Bundesstrafgericht vom 5. Oktober 2018 Kenntnis genommen.

Kungelei/Liebschaften
Soweit gerichtsinterne Liebschaften unter Beteiligung von Richterpersonen der Vergangenheit angehören, sind sie für die derzeitige Lage und die künftige Entwicklung des BStGer irrelevant. Aktuell ist nur eine Richterperson an einer gerichtsinternen Liebschaft beteiligt. Die VK BGer hat sich vergewissert, dass diesbezüglich die Vorschriften über Ausstand und Befangenheit ausnahmslos eingehalten werden. Allerdings sollte der Transparenz in solchen Fällen künftig mehr Bedeutung beigemessen werden. Die VK BGer legt den Richterinnen und Richtern des BStGer nahe, der VK des BStGer zu kommunizieren, wenn sie ein Liebesverhältnis mit Angestellten des Gerichts eingehen.

Wohnsitz im Ausland
Alle Gerichtspersonen des BStGer erfüllen die Pflicht, in der Schweiz zu wohnen.

Mobbing gegen Tessiner/Nichtwiederwahl von Tessiner Richterpersonen als Kammerpräsidentin/Kammerpräsident
Mobbing gegen Tessiner wird von allen deutsch- und französischsprachigen Befragten einhellig verneint, von zwei italienischsprachigen Richterpersonen (der bis Ende 2019 amtierenden Präsidentin der Berufungskammer und des bis Ende 2019 amtierenden Präsidenten der Beschwerdekammer) und der italienischsprachigen Generalsekretärin dagegen bejaht. Insgesamt gibt es keine genügenden Hinweise für ein durch deutschoder französischsprachige Richterpersonen betriebenes Mobbing gegen italophone Gerichtsschreibende oder Angestellte des BStGer.

Soweit die bis Ende 2019 als Präsidentin der Berufungskammer amtierende Bundesstrafrichterin und der bis Ende 2019 als Präsident der Beschwerdekammer amtierende Bundesstrafrichter ihre Nichtwiederwahl als Kammerpräsidentin bzw. Kammerpräsident als Akt von Mobbing oder Diskriminierung der italienischsprachigen Minderheit sehen, finden sich dafür in beiden Fällen nicht die geringsten Anhaltspunkte. Die frühere Präsidentin der Berufungskammer hat ihren Pflichten als Kammerpräsidentin eindeutig nicht genügt. Die VK BGer wird die Situation betreffend Verbesserungen in der Zusammenarbeit mit der betroffenen Richterin bei der Aufsichtssitzung mit dem BStGer im kommenden September im Detail prüfen. Es behält sich eine Meldung an die Gerichtskommission betreffend ihrer Wiederwahl 2021 vor.6 Für eine Diskriminierung der italophonen Minderheit im Zuge der Nichtwiederwahl des früheren Präsidenten der Beschwerdekammer gibt es ebenfalls keinerlei Hinweise, zumal ihm als Kammerpräsident ein Tessiner nachfolgte.

Als bewiesen anzunehmen ist, dass sich einige Bundesstrafrichter bei Meinungsverschiedenheiten mit Untergebenen in Stil und Tonlage vergreifen und insbesondere die kulturellen Eigenheiten der Tessinerinnen und Tessiner nicht immer in genügender Weise berücksichtigen. Die VK BGer ersucht die Richterinnen und Richter des BStGer, sowohl Kolleginnen und Kollegen, als auch Untergebene in allen Situationen mit Anstand, Höflichkeit und Respekt zu behandeln.

Betreffend der Generalsekretärin des BStGer hält die VK BGer fest, dass sie die an sie herangetragenen Klagen und Vorwürfe seit Jahren nicht lege artis behandelt. Dazu treten ihre Probleme auf Richterstufe. Dem Plenum des BStGer wird empfohlen, das Arbeitsverhältnis mit ihr zu beenden.

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