Aufgrund der derzeitigen Erkenntnisse aus dem Ausland und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers – zu den Gesetzesgrundlagen gehören Art. 328 OR, Art. 82 UVG und Art. 6 ArG sowie den Verordnungen 3 und 4 zum Arbeitsgesetz – sollten nun zumindest durch einen Arbeitgeber die folgenden Massnahmen getroffen werden:
Umfassende Informationen an alle Mitarbeitende und erhöhte gegenseitige Treuepflichten
Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeitenden klar informieren, vorzugsweise schriftlich. Da keine formbedürftigen Geschäfte nach dem Obligationenrecht anstehen, dürften hier Informationsblätter und E-Mails die idealen Kommunikationsformen sein. In der Information sollten die Handlungs¬empfehlungen des Arbeitgebers und die Weisungen des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmenden in Sachen Corona-Virus stehen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer stehen bei einer Pandemie unter erhöhten gegenseitigen Treuepflichten.
Klare Weisungen des Arbeitgebers an die Arbeitnehmenden
Dem Arbeitgeber steht gemäss Art. 321d Abs. 1 OR ein sehr weitgehendes Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer zu. Das geht in der heutigen Zeit oft vergessen. Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber allen Arbeitnehmenden ist der Arbeitgeber verpflichtet, in Sachen Coronavirus sofort Gebrauch von diesem Weisungsrecht zu machen.
Möglicher Inhalt der Weisungen des Arbeitnehmers
Der Inhalt der Weisungen bestimmt sich natürlich nach dem konkreten Betrieb, dem Reiseverhalten der Arbeitnehmenden und vielen anderen Faktoren. Klar dürfte sein, dass bei Arbeitgebern im Tessin mit den vielen Grenzgängern aus Norditalien besondere Regelungen angebracht sind.
Der Inhalt der Weisungen des Arbeitgebers bestimmt sich weiter nach dem Stand der Dinge und der wissenschaftlichen bzw. medizinischen Erkenntnisse beim Coronavirus. Es entwickelt sich bereits eine erst Praxis im Schweizer Arbeitsrecht zum Umgang mit Coronavirus-Fällen bzw. mit blossen Coronavirus-Verdachtsfällen. Dazu gehören z.B.:
– Verbot während 14 Tagen am Arbeitsort bzw. im Betrieb zu erscheinen, wenn man sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat. Zu diesem Risikogebiet gehören sicher China (Mainland), Japan, Südkorea, Iran und nun auch Teile von Norditalien. Arbeitsrechtlich kann der Arbeitgeber hier, sofern möglich und zulässig, Homeoffice anordnen.
– Weisung, bei Verdacht auf eine COVID-19-Erkrankung notwendigerweise zu Hause zu bleiben und in elektronischer oder telefonischer Form zu kommunizieren.
– Einführung einer Hotline, welche auch am Wochenende besetzt ist, falls Arbeitnehmende besondere Fragen oder Anliegen haben sollten.
– Deutliche Lockerung des Regimes der Arbeitsabsenzen, z.B. längeres Fernbleiben ohne Arztzeugnis als im Betriebsreglement vorgesehen etc.
– Umfassender Verzicht auf Geschäftsreisen aller Art in Risikogebiete sowie Gebiete, welche sich in der Nähe von Risikogebieten befinden. Diese Gebiete sind täglich neu zu überprüfen.
– Pflicht zur Händedesinfektion vor dem Betreten des Betriebs und weitere Massnahmen, wie Verbot des Händeschüttelns.
– Erhöhung der Kadenz und Intensität von Reinigungen am Betriebsort, insbesondere in WCs, Garderoben etc.
Hier ein aktuelles Beispiel vom Schweizer Sender Teleclub. Dort ändert man wegen der jüngsten Entwicklung in Norditalien die interne Praxis bei Moderationen. Der Sender hat es den Tessiner Kommentatoren (Quelle: blick.ch) verboten, für anstehende Partien durch den Gotthard in den Rest des Landes zu reisen. Die Weisung gilt für die kommenden zwei Wochen. Umgekehrt werden auch alle italienischsprechenden Arbeitnehmenden von Teleclub, die in der Deutschschweiz leben, angewiesen, keine Reisen ins Tessin zu unternehmen. Solche Weisungen sind aufgrund des allgemeinen und umfassenden Weisungsrechts des Arbeitgebers nach Art. 321d Abs. 1 OR nach dem Ermessen des Arbeitgebers jederzeit möglich. Auch wenn der Arbeitsort im Arbeitsvertrag ausdrücklich festgelegt sein sollte, können Arbeitgeber in besonderen Situationen in Erwägung ziehen, davon abzuweichen.
Beschaffung von Masken und Hygienemitteln
Arbeitgeber dürften spätestens jetzt gehalten sein, Masken und Hygienemittel zu beschaffen, sofern dies noch möglich ist. Letztlich dürfte das Vorhandensein von solchen Mitteln im Falle einer Coronavirus-Pandemie in der Schweiz u.U. über die Möglichkeit des weiteren Betriebs des Arbeitgebers mitendscheidend sein können. Zumindest sollten im Betrieb ausreichend Händedesinfektionsmittel bereitgestellt werden.
Autor: Boris Etter, lic.iur. HSG, Rechtsanwalt, LL.M., jobanwalt.ch